Landespolitik:Die Schwäche der CSU ist die Chance der kleinen Parteien

München feiert 860. Stadtgeburtstag, 2018

Bayern wählt - bloß was? Laut Umfragen hat sich noch nicht einmal Hälfte der Wahlberechtigten festgelegt.

(Foto: Stephan Rumpf)

Noch 13 Wochen bis zur Landtagswahl in Bayern. Ausgerechnet jetzt reißt es die Christsozialen und die SPD nach unten. Wie die Stimmung in den Parteien ist - ein Überblick.

Von Johann Osel, Lisa Schnell und Wolfgang Wittl

Für die einen ist die Zahl eine Drohung, für die anderen eine Verheißung: 13 Wochen bleiben den Parteien bis zur Landtagswahl am 14. Oktober. Nicht viel Zeit, um Wähler zu gewinnen. Und doch genügend, um welche zu verlieren. Der Landtag hat sich diese Woche in die Sommerpause verabschiedet. Sicher ist nach den jüngsten Umfragen nur, dass er nach der Wahl in anderer Konstellation zusammentreten wird. Aus dem Vier-Parteien-Parlament könnte dann eines mit sechs werden.

Selbst eine rauflustige Partei wie die CSU kam im Asylstreit mit Angela Merkel ins Schwitzen, viele Christsoziale sehnen die Sommerpause geradezu herbei. Sogar der notorisch betriebsame Ministerpräsident will sich im August eine Woche Urlaub gönnen. Ob sich Markus Söder beim Lesen entspannen kann?

Umfragen sollte er dann lieber als Lektüre vermeiden. Sie belegen, dass das Duell mit Merkel nicht nur Kraft, sondern auch Stimmen gekostet hat. Auch Meinungsforscher, bei denen die CSU traditionell gut abschneidet, sehen die Partei derzeit unter 40 Prozent - eine Marke, die für den eigentlich unangefochtenen Ministerpräsidenten unangenehm zu werden droht.

Das könnte ein Grund sein, warum Söder seit ein paar Tagen versucht, sich wieder mal neu zu erfinden. Nach der Rolle als Verfechter einer strammen Flüchtlingspolitik bürstet er sein Image jetzt auf seriöser Staatsmann, Worte wie "Asyltourismus" will er nicht mehr im Mund führen. Überhaupt soll über Asyl nur noch das Nötigste gesprochen werden, anders als über das eigene Regierungshandeln. Mehr als eine Milliarde Euro pumpt Söder allein dieses Jahr ins Land, er hat so ziemlich alle Themenregister gezogen.

Nun müssen die Bürger es nur noch honorieren. Die Wahl, versichern CSU-Strategen, werde erst in den letzten vier Wochen entschieden. Es regiert also nicht nur das Prinzip Söder, sondern auch das Prinzip Hoffnung. Vor einem Jahr sagte CSU-Chef Horst Seehofer, er würde die Umfragewerte am liebsten bis zum Herbst in den Gefrierschrank stecken, so gut stand seine Partei vor der Bundestagswahl da. Das Ergebnis ist bekannt. Im Moment würden sich manche in der CSU wohl mehr über einen Ofen freuen, um wieder Feuer zu entfachen.

Als Zündler bezeichnete die SPD ja gerne Söder im Asylstreit mit der CDU. Auch wenn liberale CSU-Wähler das vielleicht ähnlich sehen, kann die SPD aus der christsozialen Krise keinen Nutzen ziehen. Sie dümpelt in Umfragen bei zwölf Prozent, überholt von Grünen und AfD. Dafür hat SPD-Spitzenkandidatin Natascha Kohnen in der Auseinandersetzung mit der CSU zur Freude vieler Genossen ihre Angriffslust entdeckt. Den Wahlkampf will sie auch zu einer Abstimmung über Europa machen - und natürlich über den Wohnungsbau.

47,7 Prozent

holte die CSU bei der Landtagswahl 2013 - und damit die absolute Mehrheit der Mandate. In der neuesten GMS-Umfrage kommt sie auf 39 Prozent. Die Grünen liegen derzeit bei 14 Prozent (2013: 8,6), die SPD bei zwölf (20,6), Freie Wähler bei sieben (9,0) und FDP bei sechs (3,3). Die AfD trat 2013 nicht an, jetzt käme sie auf 14 Prozent.

"Wohnen, Wohnen, Wohnen", ihr Mantra wird Kohnen auch in der Sommerpause betonen. Damit könnte die SPD vor allem ihr Klientel in den Großstädten mobilisieren. Wie die CSU hofft auch die SPD auf einen starken Endspurt. Und darauf, dass Kohnen bald wieder mehr Gehör findet, wenn Söder weniger über Flüchtlinge spricht und mehr über Landespolitik. Manche Genossen erinnern sich allerdings an Söders Regierungserklärung. Mit einer Wohnungsbaugesellschaft und viel Geld für Familien versuchte er, die Wähler der SPD zu bedienen. Auch wenn es nicht mehr nur um Flüchtlinge geht, könnte es für die SPD nicht einfacher werden, beim Wähler durchzudringen.

Um sicher zu gehen, auch wirklich gehört zu werden, wählt Hubert Aiwanger, Chef der Freien Wähler, gerne deutliche Worte. Im hitzigen Asylstreit überzog er manchmal, als er Merkel fast so hart anging wie die CSU. Er fand dann aber wieder den richtigen Ton, um die Freien Wähler als das zu präsentieren, was sie laut ihrem Wahlslogan sein wollen: eine "starke Mitte". Kurz vor der Sommerpause ist das keine schlechte Startposition im Wettlauf um Stimmen. Dass in der Mitte Platz ist, beweisen die Umfragen mit sieben, acht Prozent.

Die AfD liegt gleichauf mit den Grünen

Die Vergangenheit hat zudem gezeigt, dass die FW in den Wahlen wegen ihrer Direktkandidaten sogar besser abschneiden als in Prognosen. Nur ein Thema brauchen sie wieder, nachdem sie mit ihrem Kampf gegen die Straßenausbaubeiträge so erfolgreich waren, dass die CSU es gleich abgeräumt hat. Aiwanger hat sich für die kostenlose Kinderbetreuung entschieden und damit für ein Anliegen, das vor allem städtische Wähler umtreibt. Auch in den Großstädten zuzulegen, diese Aufgabe hat sich Aiwanger mit in die Sommerpause genommen.

Was für die FW die Großstadt ist, ist für die Grünen das Land, ein Ort, an dem sie - positiv formuliert - Potenzial haben. Mit ihrer Strategie, sich als die wahren Heimatschützer zu präsentieren, versuchen sie Wähler außerhalb der Ballungsräume zu gewinnen. Zu ihrem Dauerthema, das Volksbegehren gegen den Flächenfraß, stellen sie nun noch den Artenschutz dazu. Zuständig dafür ist vor allem Spitzenkandidat Ludwig Hartmann, die männliche Hälfte der Doppelspitze.

Katharina Schulze, der weibliche Part, bedient eher das städtische Publikum. Sie redet gerne über Feminismus und in letzter Zeit vor allem über Europa, das sie von der CSU bedroht sieht. Ob bei Kreuzdebatte oder Asylstreit: Schulze verpasst keine Gelegenheit sich als Söders Gegenspielerin zu präsentieren. Die Machtoption als Koalitionspartner ist den gestaltungsfreudigen Grünen dadurch zwar vielleicht schon abhanden gekommen, in den Umfragen aber sind sie derzeit zweitstärkste Partei.

Gleichauf mit den Grünen liegt die AfD . Deren bayerische Vize-Chefin Katrin Ebner-Steiner erreicht man derzeit am besten am Abend. Tagsüber ist sie schon im Wahlkampfmodus, vor allem an Info-Ständen. Dabei, sagt Ebner-Steiner, könnte man sich als AfD "fast zurücklehnen. Die CSU macht jeden Tag für uns Wahlkampf", sie habe "das Vertrauen verspielt". Das Motto der Bundestagswahl ist offenbar auch die Strategie für den AfD-Landtagswahlkampf.

Damals stand auf den Plakaten der Rechtspopulisten: "Die AfD hält, was die CSU verspricht." 20 Prozent und mehr erhofft die Deggendorferin für ihre Partei bayernweit. Bei ihr in Niederbayern, wo man zur Bundestagswahl schon sehr stark war, rechnet sie damit auf jeden Fall. Den Trend nach oben, den Umfragen zeigen, merke sie bei Terminen - anders als 2017, als sich Bürger teils beschämt zur AfD bekannt hätten, gingen nun viele offen mit ihrer Präferenz um.

Bayernweite Kundgebungen sind erst mal nicht geplant, eher der kleinteilige Wahlkampf in den sieben Regierungsbezirken. Das liegt auch daran, dass die Partei keinen Spitzenkandidaten hat, ein Parteitag wollte keinen wählen - wohl auch, um die Konflikte im Landesverband still zu halten. Die kleinteilige Arbeit hat aber noch einen Zweck: Zur Landtagswahl 2013 trat die AfD noch nicht an, daher braucht sie nun Unterstützerunterschriften. Nur in Unterfranken sind bisher genug vorhanden, ansonsten muss erst mal gesammelt werden.

Unterschriften müssen sie bei der FDP zwar nicht sammeln, den Landtag aber haben die Liberalen jetzt auch schon fünf Jahre nicht mehr von innen gesehen. Deshalb bleibt ihr größtes Problem, dass kaum jemand ihren Spitzenkandidaten kennt, einen Mann namens Martin Hagen. Zumindest kann er mit seinen 37 Jahren glaubwürdig das Motto der FDP verkörpern: "Eine neue Generation für Bayern."

Daran liegt es aber wohl weniger, dass die Liberalen in Umfragen auf sechs Prozent geklettert sind und nicht mehr ganz so bibbern müssen, ob sie es in den Landtag schaffen. Vielmehr dürften sie vom Ansehensverlust der CSU profitiert haben. Dieser Effekt könnte sich über die Sommerferien allerdings wieder verflüchtigen, wenn die Bayern Söder seine neueste Metamorphose abnehmen und in ihm den Landesvater entdecken, der er jetzt sein will.

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