Landespolitik:Neue Ämter, neue Sitten

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In der CSU greift derzeit der sogenannte "Papst-Effekt": Mit den Ämtern wandeln sich auch die Personen. Womöglich handelt es sich um eine bayerische Eigenart.

Kassian Stroh

Wenn man nicht aufpasst, erkennt man die gute alte CSU bald nicht mehr wieder. Da ist jetzt Günther Beckstein Ministerpräsident - und auserkoren, vom Hardliner zum freundlichen Landesvater zu mutieren.

Oder Erwin Huber: Einst dekretierte er, man dürfe die Frösche nicht fragen, wenn man einen Sumpf trocken legen wolle. Als CSU-Chef gibt er nun den Kurs vor, alle Frösche erst einmal zu streicheln, sich dann ausgiebigst mit ihnen zu unterhalten, um am Ende vielleicht sogar von Trockenlegung abzusehen.

Neue Ämter, neue Sitten. Und das sind nur zwei Beispiele für wundersame CSU-Metamorphosen im Amt, die derzeit zu beobachten sind.

Markus Söder ist auch so ein Beispiel: Der neue Europaminister und bisherige CSU-Generalsekretär wandelt sich nach eigenem Bekunden vom "Kalten Krieger" zum Diplomaten. Oder Joachim Herrmann: Kaum ist er Innenminister, redet er richtig zackig und schneidig daher und nicht mehr so abwägend-bedächtig wie früher.

Vorbild Ratzinger

Oder Georg Schmid, der Fraktionschef werden soll. Weil viele ihm nachsagen, dass er zu leutselig, zu kommunikativ und zu sehr Vertrauter von Beckstein sei, lässt er sicherheitshalber schon mal alle wissen, er könne auch ganz anders: Jemanden auf Linie bringen, wenn er ausschere, zum Beispiel. Oder auch, wenn nötig, Beckstein entgegentreten.

Tempora mutantur nos et mutamur in illis, sagt der Klassiker. Die Zeiten ändern sich, und wir ändern uns mit ihnen. Das aber ist der veraltete Stand der Wissenschaft.

Moderne Forscher haben die Theorie vom "Papst-Effekt" entwickelt: Vorbild ist Joseph Ratzinger, wie er sich vom Glaubens-Wächter und Oberinquisitor zum offenen, freundlichen Kirchenoberhaupt gewandelt hat. Da Ratzinger Bayer ist, spricht einiges dafür, dass dieser Effekt in der bayerischen Regierungspartei besonders stark ausgeprägt ist.

Auch wenn die Herren Beckstein, Huber und so weiter nicht den Vorteil haben, wie Benedikt XVI. neben dem neuen Image gleich auch noch einen neuen Namen verpasst zu bekommen. Doch, Vorsicht: Der "Papst-Effekt" verdient durchaus eine differenziertere Betrachtung, ein Kuschelpapst ist Benedikt XVI. sicher nicht.

Spätestens seit er den Protestanten klar gemacht hat, dass sie alles andere als eine echte Kirche sind, weiß man: Hinter der neuen Fassade steckt immer noch ein alter Kern.

© SZ vom 17.10.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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