Süddeutsche Zeitung

Gesundheitspolitik:Empfänger des Landespflegegelds erhalten unerwartetes Geschenk

  • Bezieher des bayerischen Landespflegegelds haben von einer Regelung Gebrauch gemacht, wonach sie sich von den Rundfunkbeiträgen befreien lassen können.
  • Das Landespflegegeld ist jedoch laut Staatsregierung keine Sozialleistung, sondern "eine Leistung zur Stärkung des Selbstbestimmungsrechts der Pflegebedürftigen".
  • Demnach könnten sich die Bezieher nicht auf den Passus berufen, der die Befreiung von Rundfunkbeiträgen regelt.

Von Dietrich Mittler

Das Bayerische Landespflegegeld ist eines jener Prestigeprojekte, mit denen Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bei der breiten Bevölkerung punkten konnte. Ausnahmslos alle Pflegebedürftigen mit Pflegegrad zwei und höher - also auch jene, die finanziell nicht bedürftig sind - bekommen 1000 Euro zusätzlich im Jahr, sofern sie in Bayern leben. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums haben nun bereits 353 552 Bürgerinnen und Bürger einen Antrag auf Landespflegegeld gestellt. Aus Sicht der bayerischen Gesundheits- und Pflegeministerin Melanie Huml (CSU) ist das ein Erfolg.

Mittlerweile zeichnet sich aber ab, dass die Staatsregierung mit ihrer freiwilligen Leistung weit über das angepeilte Ziel hinauszuschießen droht. Verantwortlich dafür ist jener bundesweit geltende Staatsvertrag, der auch die Befreiung von Rundfunkbeiträgen regelt. Dort heißt es nämlich, dass Menschen, die "Pflegegeld nach landesgesetzlichen Vorschriften" beziehen, von der Beitragspflicht befreit sind.

Wie Recherchen der SPD-Gesundheits- und Pflegepolitikerin Ruth Waldmann ergaben, haben im Freistaat Bezieher von Landespflegegeld bereits von dieser Regelung Gebrauch gemacht - mit Erfolg. Der Süddeutschen Zeitung liegen entsprechende Bescheide des Bayerischen Rundfunks (BR) vor, in denen Empfängern des Bayerischen Landespflegegeldes eine zeitlich befristete Beitragsfreiheit zugestanden wird.

Auf ihre Plenumsanfrage, mit wie vielen Anträgen auf Befreiung vom Rundfunkbeitrag die Staatsregierung jetzt rechnet und wie viel Geld dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf diese Weise entgeht, erhielt Waldmann zwar keine konkreten Angaben. Stattdessen aber enthielt die Antwort der Staatsregierung diese verblüffende Aussage: Beim Bayerischen Landespflegegeld handele es sich "nach dem gesetzgeberischen Willen nicht um eine Sozialleistung". "Genau das haben wir als Opposition im Landtag von Anfang an gesagt. Beim Landespflegegeld handelte es sich schlicht und ergreifend um ein Wahlkampfgeschenk, das der Staatsregierung zur Imagepflege diente", betont Waldmann.

Unterdessen bemühen sich die CSU-Landtagsfraktion sowie auch die Staatsregierung, die Panne bezüglich der Gebührenbefreiung auszubügeln. Da es sich bei den Leistungen gemäß dem Bayerischen Landespflegegeldgesetz eben nicht um eine Sozialleistung, "sondern um eine Leistung zur Stärkung des Selbstbestimmungsrechts der Pflegebedürftigen" handele, gelte: "Entsprechende Anträge auf Befreiung wären vom Beitragsservice der Rundfunkanstalten daher abzulehnen."

"Wie ich erfahren habe, hat die Staatsregierung mittlerweile beim Rundfunk sogar dahingehend interveniert, keine Bescheide auf Beitragsbefreiung mehr rauszuschicken", sagt Waldmann. Überdies habe die CSU-Landtagsfraktion auch schon einen Antrag zur Änderung des Bayerischen Landespflegegeldgesetzes formuliert. Dort soll demnach folgende Passage eingefügt werden: Das Landespflegegeld sei eben "kein Pflegegeld nach landesgesetzlichen Vorschriften".

Im Klartext heißt das: Die Bezieher des Bayerischen Landespflegegeldes sollen sich zukünftig erst gar nicht auf jenen Passus berufen können, der im Staatsvertrag die Befreiung von Rundfunkbeiträgen regelt.

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SZ vom 08.04.2019/amm
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