Süddeutsche Zeitung

Landesentwicklung:CSU ist für den Flächenfraß - und dagegen

Lesezeit: 3 min

Von Christian Sebald, München

So ist die CSU: An diesem Donnerstag hat sie im Landtag mit ihrer absoluten Mehrheit eine höchst umstrittene Lockerung der Vorgaben für die Ansiedlung von Gewerbegebieten durchgesetzt. Nach Überzeugung aller Experten wird dadurch der dramatische Flächenfraß in Bayern weiter angeheizt. Zugleich laufen auf Geheiß von Ministerpräsident Horst Seehofer im Innen-, im Finanz-, im Umwelt- und im Agrarministerium die Überlegungen für ein Maßnahmenbündel an, wie man eben diesen Flächenfraß begrenzen kann.

Auch die CSU-Fraktion hat sich eingeschaltet. Wie Ex-Parteichef Erwin Huber bestätigt, wird die Fraktion eigene Vorschläge zum Flächensparen entwickeln. Besonders pikant: Zum ersten Mal schließt die CSU eine Verschärfung gesetzlicher Vorgaben nicht mehr aus. Bisher hat die Partei eine solche Verschärfung stets abgelehnt.

"Natürlich setzten wir weiter auf die Selbstverantwortung der Kommunen und Anreize zum freiwilligen Flächensparen", sagt Huber. "Da sie aber offenkundig nicht ausreichen, müssen wir auch über gesetzliche Vorgaben nachdenken." Als Beispiel nennt Huber, dass man künftig Investoren verpflichten könnte, an Einkaufsmärkten Tiefgaragen oder Parkhäuser zu errichten statt der bislang üblichen, weitaus preisgünstigeren weitläufigen Parkplätze.

Der Flächenfraß in Bayern ist mit 13,1 Hektar am Tag auf Rekordniveau. Aufs Jahr gesehen wird die Fläche des oberbayerischen Ammersees in Bauland für Wohnungen und Gewerbe aber auch für Straßen und andere Infrastruktur umgewandelt.

Die neue Sensibilität der CSU hat einen Grund. Das Volksbegehren "Betonflut eindämmen", das Grüne, ÖDP und die Bauernorganisation AbL vorantreiben, kommt in der Bevölkerung überaus gut an. So haben sich an nur einem Infotag mit bayernweit 40 Infoständen bereits 13 000 Wahlberechtigte in die Unterstützerlisten eingetragen.

Das ist mehr als die Hälfte der Unterschriften, die für den Antrag auf Zulassung des Volksbegehrens notwendig sind. Der Sprecher der Initiative, Ludwig Hartmann von den Landtagsgrünen, ist sehr optimistisch, dass die Initiative die 25 000 Unterschriften für diese erste Hürde bis zum Jahreswechsel beisammenhat.

Ex-Parteichef Huber macht denn auch keinen Hehl daraus, dass Grüne, ÖDP und AbL die CSU mit ihrem Volksbegehren vor sich hertreiben. "Wem man auf die Zehen tritt, der läuft gleich schneller", sagt er lapidar.

Wie die Initiatoren des Volksbegehrens macht auch Huber die Beobachtung, dass der Flächenfraß und die damit einhergehende Zerstörung des Landschaftbildes, der Schwund an Flora und Fauna sowie die Verödung der Ortskerne auch viele konservative Leute in Rage bringt. "Wenn die CSU das Prädikat, Sprachrohr der konservativen Bevölkerung zu sein, nicht weiter verwässern will, müssen wir den Flächenverbrauch spürbar eindämmen", sagt er.

Die Initiative scheint wasserdicht

So weit wie die Grünen, die ÖDP und die AbL wird die Partei nicht gehen. Die Initiatoren des Volksbegehrens fordern, den Flächenverbrauch in Bayern von 2020 an auf fünf Hektar am Tag zu begrenzen. Dazu soll eine entsprechende Vorgabe in das Landesentwicklungsprogramm (LEP) aufgenommen werden. Das LEP ist der Masterplan der Staatsregierung für eine gute Entwicklung Bayerns. Es soll aber auch einen Ausgleich zwischen den Interessen der Wirtschaft, der Kommunen, der Bevölkerung und des Umweltschutzes herstellen.

Zugleich würde der Freistaat mit einer Fünf-Hektar-Vorgabe seinen Teil des Flächensparziels erfüllen, das die Bundesregierung in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie formuliert hat. Auch das ist ein Grund, warum die Initiatoren überzeugt sind, dass ihr Volksbegehren rechtlich zulässig ist. Selbst CSU-Mann Huber kann "auf den ersten Blick" keine Gründe erkennen, die juristisch gegen die Initiative sprechen.

Gleichwohl lehnt die CSU das Volksbegehren ab. "Wir halten nichts von derart strengen ordnungsrechtlichen Vorgaben", sagt Huber. "Wir setzen auf ein breites Maßnahmenpaket, in dem neue Vorgaben die Ultima Ratio sind." Auf keinen Fall will sich die Partei den Zorn der Kommunen zuziehen. Die lehnen jede gesetzliche Reglementierung des Flächenverbrauchs als Generalangriff auf ihr Selbstverwaltungsrecht kategorisch ab. "Wenn sich aber Städte und Gemeinden verweigern, kommen wir nicht weiter", sagt CSU-Mann Huber. "Wir brauchen den Konsens."

Wie auch immer, die CSU hat es sehr eilig mit ihrer Flächensparinitiative. Ende November sollen die Vorschläge der Fraktion vorliegen. Im Januar soll das Maßnahmenpaket auf der Fraktionsklausur in Kloster Banz beschlossen werden - also möglichst gleichzeitig mit dem Abschluss der Unterschriftensammlung für das Volksbegehren von Grünen, ÖDP und AbL.

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SZ vom 09.11.2017
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