Streit um Finanzen:Der Milliarden-Flop beim Länderfinanzausgleich

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2016 lobten sich der damalige Ministerpräsident Horst Seehofer (rechts) und sein Finanzminister Markus Söder noch für die Neuordnung des Länderfinanzausgleichs. Ein paar Jahre später ging der Ärger von vorne los. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Bayern zahlt mal wieder den Löwenanteil des Milliardentransfers. Der Frust ist sehr verständlich, doch das heutige Modell geht ausgerechnet auf Horst Seehofer zurück – und seinen damaligen Finanzminister.

Von Thomas Balbierer

Niemand soll sagen, man habe es nicht kommen sehen. Im vergangenen Jahr trug Bayern nach aktuellen Zahlen mehr als die Hälfte der Last im Länderfinanzausgleich: Von 18,65 Milliarden Euro, die zwischen finanzstarken und -schwachen Bundesländern umverteilt wurden, zahlte der Freistaat 9,77 Milliarden. Unter 16 Ländern sind nur vier sogenannte Geberländer, der Rest bekommt Geld. Der Finanzausgleich soll dazu beitragen, gleichwertige Lebensverhältnisse innerhalb der Bundesrepublik zu schaffen. Es gilt das Solidaritätsprinzip: starke Länder schultern mehr. Doch das System sei „völlig aus dem Ruder gelaufen“, sagt Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU). Der Ärger wächst seit Jahren, schon 2023 reichte Bayern eine Verfassungsklage in Karlsruhe ein.

Der Frust der CSU ist nachvollziehbar, wenn Empfängerländer wie Berlin ihren Bürgerinnen und Bürgern Leistungen wie ein 29-Euro-Ticket für den Nahverkehr spendieren, die sich Bayern nicht leistet. Auch Finanzexperten halten den Verteilungsmechanismus für problematisch. Doch die aktuellen Auswüchse waren absehbar, wenn man sich die Vorgeschichte des heutigen Modells in Erinnerung ruft.

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Bereits 2015 hatte Bayern 57 Prozent des 9,6 Milliarden Euro schweren Finanzausgleichs getragen. Eine „Schieflage“, wie der damalige Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) beklagte. Auch damals zog der Freistaat vors Bundesverfassungsgericht. 2016 vereinbarten Bund und Länder auf Seehofers Druck hin eine Neuordnung des Instruments. Der direkte Ausgleich zwischen Geber- und Nehmerländern entfiel formal. Seit 2020 nimmt der Bund Zu- und Abschläge bei der Umsatzsteuer-Verteilung zentral vor und gibt zusätzliche Milliarden ins System, um die Geberländer zu entlasten. Der Haken dabei: Das Volumen des Finanzausgleichs steigt bei wachsender Steuerkraft weiter.

Am 18. Oktober 2016 trat ein beinahe euphorischer Horst Seehofer vor den bayerischen Landtag. „Wir haben mit dieser Entscheidung auch einen bleibenden Erfolg für die Menschen in Bayern geschafft“, sagte er in seiner Regierungserklärung. Bayern sei „der eigentliche Motor“ des neuen Finanzausgleichs gewesen, der die Länder nun entlaste. Unterstützung habe er auch vom grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann aus Baden-Württemberg und dem Hamburger Regierungschef der SPD erhalten: „Olaf Scholz, ein ungewöhnlicher Sachkenner dieser Materie“. Seehofer sagte, er sei stolz auf das Ergebnis und dankte ausdrücklich seinem damaligen Finanzminister Markus Söder. „Was lange währt, wird endlich gut.“

„Sie lassen sich für ein Ergebnis feiern, das Sie Jahre später in Bausch und Bogen verdammen“, prophezeiten die Freien Wähler 2016

Doch schon in der anschließenden Landtagsdebatte äußerte eine Reihe von Rednern Zweifel an Seehofers Optimismus. „Die Zahlen des Freistaats Bayern werden weiter anwachsen“, sagte etwa der damalige SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher. Und der Freie-Wähler-Haushaltspolitiker Bernhard Pohl traf eine aus heutiger Sicht verblüffend präzise Vorhersage: „Sie lassen sich für ein Ergebnis feiern, das Sie Jahre später in Bausch und Bogen verdammen. Ich bin gespannt, wie lange es diesmal dauert, bis die ersten Klagen über den ungerechten und rechtswidrigen Länderfinanzausgleich kommen.“ Exakt so kam es 2023 – gerade einmal drei Jahre, nachdem das von Seehofer gefeierte System in Kraft getreten war.

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Nach Ansicht einiger Finanzwissenschaftler versäumten es Bund und Länder 2016, eine grundlegende Reform zu vereinbaren. „Die Probleme wurden nicht gelöst, weil sich die Länder in den Verhandlungen nur auf den Betrag fokussierten, der am Ende dabei raussprang“, analysierte der Nürnberger Professor Thiess Büttner vor einiger Zeit in der SZ. „Eine echte Reform müsste allerdings die Regeln der Berechnung ändern – weg von der hohen Belastung zusätzlicher Steuereinnahmen und hin zu pauschalen Beträgen.“

Sollte die CSU nach der Wahl Teil einer neuen Bundesregierung werden, wird sie auf Änderungen drängen. Die Verhandlungen hat Ministerpräsident Söder kürzlich bereits eröffnet: „Ohne eine Reform des Länderfinanzausgleichs werde ich nicht über die Schuldenbremse verhandeln.“ Im Falle einer Einigung sei Bayern bereit, seine Verfassungsklage zurückzuziehen. Sollte es dazu kommen, kann man nur hoffen, dass die Zufriedenheit mit dem Resultat diesmal länger währt.

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