Neues Ladenschlussgesetz in Bayern:Gemeinden fordern Ausnahmen bei 24/7-Supermärkten

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In der oberfränkischen Gemeinde Pettstadt testet Rewe ein Format, das in Zukunft die Versorgung mit frischen Lebensmitteln und Produkten des täglichen Bedarfs sicherstellen soll. Die von der Staatsregierung avisierte Obergrenze von 150 Quadratmetern Verkaufsfläche an Sonn- und Feiertagen würde hier nicht ins Gewicht fallen – „Josefs Nahkauf Box“ ist nur 39 Quadratmeter Verkaufsfläche. (Foto: Michael Proeck/Rewe)

Mehrere Kommunen sehen ihre Versorgungssicherheit gefährdet, sollte die Staatsregierung keine größeren Verkaufsflächen erlauben. Die Rede ist von einem „Schildbürger-Gesetz“.

Von Max Weinhold, Hohenroth

Nein, sagt Georg Straub, er könne sich nicht erklären, wie die Staatsregierung auf diese Zahl gekommen sei: 150 Quadratmeter. Und ja, das formuliert der Bürgermeister der unterfränkischen Gemeinde Hohenroth am Telefon zwar diplomatisch, aber unmissverständlich: Er hält sie für falsch. Denn für die knapp 3600 Bewohner in Hohenroth könnte sie zu einem elementaren Problem werden.

150 Quadratmeter, größer darf die Verkaufsfläche sogenannter 24/7-Supermärkte nicht sein, wenn die Betreiber sie an Sonn- und Feiertagen öffnen wollen – so sieht es der Ende November vom Kabinett beschlossene Reformentwurf des bayerischen Ladenschlussgesetzes vor. Nach aktueller Gesetzeslage handelt es sich bei den Kleinstsupermärkten eher um 24/6-Läden, die zwar rund um die Uhr, nicht aber an Sonn- und Feiertagen öffnen dürfen. Eine Regelung, die in der Vergangenheit wiederholt zu Kontroversen geführt hat.

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Das reformierte Gesetz mit einigen weiteren Neuerungen soll im kommenden Jahr im Landtag beschlossen werden. Und sollte die Staatsregierung an ihrem Entwurf keine Änderungen mehr vornehmen, müssten größere Selbstbedienungsmärkte sonn- und feiertags bestimmte Bereiche schließen, um die Quadratmetergrenze nicht zu überschreiten.

Womit man wieder in Hohenroth wäre. Denn dort misst der Markt, der im Frühjahr eröffnen soll, 650 Quadratmeter. Ein Großteil der Waren stünde damit an Sonn- und Feiertagen nicht zum Verkauf. Und weil Sonn- und Feiertage bei Kleinstsupermärkten als besonders umsatzträchtig gelten, habe der Betreiber des Ladens, die 24/7-Geschäfte-Kette Tante Enso, bereits durchblicken lassen, dass das Gesetz in dieser Form das Aus für die Filiale in Hohenroth bedeuten könnte, sagt Freie-Wähler-Politiker Straub – noch bevor sie überhaupt öffnet.

Acht Gemeinden sprechen sich für „Privilegierungsregelung“ unterversorgter Regionen aus

Für Hohenroth würde dies das Ende der Nahversorgung bedeuten. Denn der letzte Supermarkt schloss im November, und eigentlich soll genau dort der Tante-Enso-Markt einziehen. Nun könnte man erwidern, dass die zwei, drei Kilometer nach Bad Neustadt mit seinen Einkaufsmöglichkeiten nicht allzu weit sind, das weiß freilich auch Straub. Aber er weist auf die „besondere Situation“ in Hohenroth hin: Zwei Wohnheime für Menschen mit Behinderungen befänden sich in der Gemeinde, und deren Bewohner gingen gerne selbst etwas einkaufen. Das könnten sie künftig nicht mehr. „Die haben keine Möglichkeit, irgendwo hinzufahren“, sagt Straub.

Um die Staatsregierung zu Änderungen zu bewegen, hat sich die Gemeinde mit sieben weiteren im Freistaat zusammengeschlossen, denen es ähnlich ergeht. Gemeinsam fordern sie eine „Privilegierungsregelung“ für unterversorgte Regionen und Ortschaften, die eine Obergrenze von 399 anstelle von 150 Quadratmetern vorsieht. Als maßgeblich für die Feststellung einer solchen Unterversorgung ist aus Sicht des Bündnisses, dass es keinen klassischen Supermarkt im Ort und in einem Umkreis von fünf Kilometern gibt.

Eigentlich sollten es sogar noch mehr als 400 Quadratmeter sein, findet Straub, der zugleich einer der Sprecher des Bündnisses ist. „Aber 400 wären ein Kompromiss.“ Straub und seine Mitstreiter aus Bruckberg (Kreis Ansbach), Frauenau (Kreis Regen), Wollbach (Kreis Rhön-Grabfeld), Münnerstadt, dem Markt Maßbach, dem Markt Elfershausen und dem Markt Burkardroth (alle Kreis Bad Kissingen) haben ihre Forderungen auch in einer Petition niedergeschrieben, die bereits knapp 3300 Personen unterzeichnet haben und die sie in den Landtag bringen wollen. Der ländliche Raum sei in der Versorgung stark benachteiligt gegenüber dem übrigen Freistaat, heißt es darin. Deshalb müsse er bei den 24/7-Märkten bevorzugt behandelt werden, um die „dörfliche Gemeinschaft und Versorgung aufrechtzuerhalten“.

150-Quadratmetergrenze sei das Ergebnis einer „Abwägung“

Unterstützung erhalten die Gemeinden in ihrem Ansinnen vom – freilich auch von seinen wirtschaftlichen Interessen geleiteten –Marktbetreiber Tante Enso, der durch die Reform nicht nur die Hohenrother Filiale und mehrere weitere geplante gefährdet sieht, sondern auch den Fortbestand von fünf bereits betriebenen Standorten. Tante-Enso-Märkte sind genossenschaftlich organisiert, Mitglieder können so etwa Einfluss auf das Sortiment nehmen und haben mit einer Karte rund um die Uhr Zutritt zu dem Geschäft, in dem nur tagsüber Personal arbeitet. Wie man sich das mit der Obergrenze vorstellen solle, fragt Geschäftsführer Norbert Hegmann in einer Pressemitteilung, in der von einem „Schildbürger-Gesetz“ die Rede ist: „Das Getränkeregal ist zugänglich, die Putzmittel aber nicht? Wo sollen wir hier eine räumliche Grenze ziehen?“

Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums verteidigt die 150-Quadratmetergrenze als das Ergebnis einer „Abwägung zwischen dem Ziel der Wiederherstellung der Nahversorgung, dem Wettbewerb zwischen Supermärkten mit und ohne Personal und dem Sonn- und Feiertagsschutz“. Die Mehrzahl der Betreiberkonzepte für personallos betriebene Kleinstsupermärkte liege zudem unter der Grenze von 150 Quadratmetern.

Ob Ausnahmeregelungen denkbar seien, lässt der Sprecher offen

Matthias Klement (CSU), Bürgermeister von Maßbach, hält den Sonn- und Feiertagsschutz für ein vorgeschobenes Argument. Außerhalb der allgemeinen Ladenöffnungszeiten sei ohnehin kein Personal vor Ort, deswegen sei es „unerheblich, ob der Laden 100 oder 300 Quadratmeter hat“. Unklar ist derweil, bis zu welcher Ladengröße es realistisch ist, dass wirklich niemand am Sonntag arbeiten muss.

Ob Ausnahmeregelungen – wie von dem Bündnis gefordert – denkbar seien, lässt der Sprecher des Wirtschaftsministeriums auf Nachfrage offen. Das federführend zuständige Sozialministerium habe die Verbändeanhörung eingeleitet, noch bis zum 20. Januar könnten Verbände Stellung beziehen. Danach werde sich die Staatsregierung erneut mit dem Gesetzesentwurf befassen. Dieser sieht neben den Plänen für die Selbstbedienungsmärkte unter anderem mehr verkaufsoffene Sonntage und mehr sowie flexiblere Einkaufsnächte vor.

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