Labyrinth in Niederbayern:Verirren erwünscht

Labyrinth in Niederbayern: Zehn Hektar Fläche hat das Labyrinth im Maisfeld mit seinen drei Irrgärten für Familien, für Jugendliche und für Erwachsene.

Zehn Hektar Fläche hat das Labyrinth im Maisfeld mit seinen drei Irrgärten für Familien, für Jugendliche und für Erwachsene.

(Foto: Peter Ruff)

In Bayerns größtem Mais-Labyrinth in Rinkam hilft kein GPS, keine Karte. Bauer Markus Hiendlmeier setzt auf Kurven, um Besucher in die Irre zu führen.

Von Mirjam Uhrich, Rinkam

Manchmal verläuft sich Markus Hiendlmeier in seinem eigenen Irrgarten. Wenn er mal links abbiegt, mal rechts, immer auf der Suche nach abgerissen Blättern oder Gummibärchentüten, die Besucher achtlos zwischen die Stauden geworfen haben. Dann ist irgendwann um ihn herum nur noch Mais. Drei Meter hohe Stauden, ein Muster aus Kondensstreifen am Himmel und ein süßlicher Geruch nach feuchter Erde und frisch gemähtem Gras. "In dem Moment weiß ich nicht mehr, wo ich bin", gibt der Landwirt zu.

Kein Wunder. Schließlich ist sein Irrgarten mit zehn Hektar so groß wie 14 Fußballfelder. Es ist Bayerns größtes Maisfeld mit Garantie auf Irrungen und Wirrungen, sechs Kilometer von Straubing entfernt. "Im Irrgarten muss man verloren gehen. Es braucht diesen Moment, in dem man nicht mehr weiter weiß und an seine Grenzen kommt", sagt Hiendlmeier.

Zwischen den Maisstauden hilft keine Karte, kein GPS-Gerät. Und so mischen sich mit dem Rascheln der Blätter im Wind immer wieder dumpfe Gesprächsfetzen, mal verzweifelt, mal jubelnd, oft im tiefsten Niederbayerisch: "Wir gengern doch im Kreis." "Ned so schnell." "Ich hab einen Stempel gefunden", gefolgt von einem enttäuschten "Naa, das ist die Vier. Die ham ma scho'."

Lukas irrt seit eineinhalb Stunden durch das Maisfeld. Der Zwölfjährige stürmt die Treppe der Aussichtsplattform runter, springt von der vorletzen Stufe und läuft zu seinem Opa. "Von da oben sieht man nichts", sagt er und will schon wieder um die nächste Kurve. "Wir brauchen noch die Stempel zwei und fünf", drängelt er. "Kommt!"

Lukas ist mit seinem kleinen Bruder und den Großeltern unterwegs, ein Familienausflug in den Sommerferien. "Wir kämpfen seit Jahren gegen das Vorurteil, der Irrgarten sei nur was für Kinder. Jeder, der gern wandert und rätselt, hat Spaß im Irrgarten", sagt Hiendlmeier. Er hat extra drei Irrgärten angelegt, mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden: den "Stempeltempel" für Familien, das "Labyrinth des Minotaurus" für Jugendliche und den "Salamander" für Erwachsene.

Experimente mit Sonnenblumen und Hanf

Und während die Kinder zwischen Heuballen toben, sich mit dem Tarzanseil durch den Stall schwingen oder am Wasserspielplatz ihre Kleidung dunkel färben, können die Eltern im Schatten zwischen Hortensienblüten den selbstgebackenen Käsekuchen genießen. Die Kinder sind beschäftigt, die Erwachsenen haben ihre Ruhe - ein Erfolgskonzept.

Dabei hatte Markus Hiendlmeier anfangs gar kein Konzept, noch nicht mal eine konkrete Idee. Er hat einfach losgelegt, das Diplom zum Landwirt frisch in der Tasche. 1998 war das. Im Jahr zuvor hatte in Landshut ein Irrgarten geöffnet. "Ich hab mir gedacht, mei, so was möcht ich auch mal machen", sagt Hiendlmeier. Inzwischen ziehen sich die ersten grauen Strähne durch sein dunkelblondes Haar, aber die Begeisterung ist geblieben. Der 45-Jährige sprudelt nur so, wenn er von seinem Irrgarten spricht.

Anfangs hat Hiendlmeier experimentiert, mal Sonnenblumen angepflanzt, mal Hanf. "Da wollten manche mit mir über Hanf fachsimpeln, dabei habe ich noch nie einen Joint geraucht", sagt der Landwirt. Also hat er sich auf den Mais konzentriert, damit kennt er sich aus. Eine ebenso robuste wie pflegeleichte Pflanze, beliebt unter Landwirten, kritisiert von Naturschützern.

Die Kritik kann Hiendlmeier nicht nachvollziehen. Er baut nur alle zwei Jahre seinen Irrgarten an, um Monokulturen zu vermeiden. "Außerdem braucht der Mais wenig Spritzmittel, nur ein Mal pro Jahr. Kartoffeln werden 15 bis 20 Mal gespritzt."

Wenn sein Irrgarten am Ende der Sommerferien schließt, erntet Hiendlmeier die Maiskolben und verkauft die Körner für Hühner- oder Schweinefutter. So wie es seine Vorfahren schon gemacht haben, seit 1894 gibt es den Familienbetrieb am Ortsrand von Rinkam.

"Als ich angefangen habe, bin ich überhaupt nicht auf die Idee gekommen, dass der Irrgarten ein zweites Standbein sein könnte. Aber inzwischen ist es ein großer Betriebszweig. Bei den schwankenden Preisen der Landwirtschaft ist der Irrgarten Nervenberuhigung", sagt Hiendlmeier.

Motive aus Indien oder der Pinakothek

Labyrinth in Niederbayern: Als Markus Hiendlmaier 1998 sein Diplom zum Landwirt in der Tasche hatte, startete er das Experiment Labyrinth.

Als Markus Hiendlmaier 1998 sein Diplom zum Landwirt in der Tasche hatte, startete er das Experiment Labyrinth.

Anders geht es nicht mehr. Den Bilderbuch-Bauernhof mit ein paar Kühen, Schweinen und Hühnern umgeben von Weizenäckern ist nicht mehr überlebensfähig. Anfang 2000 haben viele Landwirte versucht, einen Irrgarten wie in Rinkam anzulegen - und sind gescheitert. Ein Maisfeld irgendwo im Nirgendwo reicht nicht. Es braucht einen guten Verkehrsanschluss, ein Bauernhofcafé, einen Spielplatz. Die Besucher wollen ein Naturerlebnis.

Das bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bietet inzwischen eine eigene Ausbildung zum Erlebnisbauern an. Zielgruppen, Marketing und Sicherheit stehen auf dem Stundenplan. Nach eigenen Angaben haben bisher 375 Landwirte in Bayern das Angebot genützt, trotzdem gibt es nur eine Hand voll Irrgärten.

Markus Hiendlmeier schüttelt den Kopf. So eine Ausbildung hat er nie gemacht. "Ich bin ja Landwirt und kein Eventmanager. Es gibt keine Anleitung für einen Irrgarten, noch nicht mal im Internet. Dafür braucht es Erfahrung." Der 45-Jährige selbst braucht "dieses ganze Drumherum" nicht, sein Herzblut steckt im Irrgarten. "Die Suche nach einem Motiv ist eine Lebensaufgabe", gerät er ins Schwärmen. "Ich seh das Leben durch die Irrgartenbrille." Seine Muster entdeckte er in einem Tempel bei einer Rundreise durch Indien, in der Neuen Pinakothek in München oder auch in einem verbogenen Bauzaun.

"Die Schwierigkeit . . .", sagt Hiendlmeier und stockt kurz. "Eigentlich sollte ich das gar nicht verraten." Er überlegt einen Moment und erzählt dann doch weiter. "Also die Schwierigkeit hängt von der Durchlässigkeit ab, ob es mehr oder weniger Schleifen gibt. Schon Friedensreich Hundertwasser hat gesagt, die gerade Linie ist gottlos. Bei mir gibt's deswegen fast ausschließlich Kringel und gebogene Linien."

Im Winter entwirft Hiendlmeier das Muster. "Da mal ich einfach drauf los, wie ein Künstler auch. Mit Bleistift und Papier." Im April oder Mai wird das Feld gesät, gewalzt und ausgemessen, ganz altmodisch mit Maßband und Zirkel. Mit einem Kalkwagen markiert er das Muster wie bei einem Fußballfeld. Erst jetzt kommt die moderne Technik zum Einsatz.

Mit einer Drohne kontrolliert Hiendlmeier, ob er sich vermalt hat. Wenn der Mais 15 Zentimeter hoch steht, mäht Markus Hiendlmeier das Muster ins Feld. "Mit Petrus Segen ist der Mais Anfang Juli schon zwei, drei Meter hoch." Dann kann er nur noch auf die Besucher warten, das Feld von Gummibärchentüten befreien und sich zwischen den Stauden verlieren.

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