Laboraffäre:Brisante Aktenvermerke im Fall Schottdorf

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Stoff für Untersuchungen: Die Arbeitsräume des Augsburger Laborunternehmers Bernd Schottdorf. (Foto: Johannes Simon)
  • An diesem Dienstag beginnt der Landtags-Untersuchungsausschuss im Fall Schottdorf seine Arbeit.
  • In der riesigen Menge an Dokumenten soll es Aktenvermerke geben, in denen von direkter Einflussnahme der Generalstaatsanwaltschaft auf die Polizisten des Landeskriminalamtes die Rede ist.
  • In der sogenannten Laboraffäre geht es um ein betrügerisches Abrechnungssystem, mit dem Hunderte Ärzte gut verdient haben sollen.
  • Außerdem geht es um die brisante Frage, ob Justiz und Politik in Bayern ihre schützende Hand über die Ärzte und über den Augsburger Laborunternehmer Bernd Schottdorf gehalten haben.

Von Stefan Mayr, München

Der Untersuchungsausschuss Labor des Bayerischen Landtags trifft sich am Dienstag zu seiner ersten Sitzung. Über die Weihnachtspause hatten die neun Abgeordneten Zeit, den rekordverdächtigen Wust an streng geheimen Dokumenten durchzuarbeiten. Die Rede ist von 3000 Ordnern oder zwei Millionen Seiten. Wie viele Blatt Papier es genau sind, weiß keiner. Denn alle Unterlagen sind ausschließlich auf einem virtuellen Computerlaufwerk gespeichert.

Angesichts der schieren Datenmenge ist es wohl ausgeschlossen, dass die Ausschussmitglieder alles durchgelesen haben. Aber man darf davon ausgehen, dass sie die wichtigsten Dokumente kennen. Jene Aktenvermerke, in denen von direkter Einflussnahme der Generalstaatsanwaltschaft auf die Polizisten des Landeskriminalamtes die Rede ist, die in der Sonderkommission Labor einem betrügerischen Abrechnungssystem auf der Spur waren, mit dem sich Hunderte Ärzte eine goldene Nase verdient hatten. Und eben jene Schriftstücke, in denen amtlich festgestellt wird, dass die bayerischen Behörden massive Fehler begangen haben.

Die wichtigsten Fragen im Untersuchungsausschuss

Haben die bayerische Justiz oder die Politik ihre schützende Hand über die Ärzte und über den Augsburger Laborunternehmer Bernd Schottdorf gehalten, der als CSU-Mitglied bis in die Parteispitze bestens vernetzt ist und im Zentrum dieses Abrechnungssystems stand? Oder war es schlicht menschliches Versagen, dass viele der betrügerischen Ärzte straflos davongekommen sind, wie es der Bundesgerichtshof 2012 höchstrichterlich feststellte? Und dass andererseits die ermittelnden Polizisten jahrelang rechtswidrig verfolgt wurden, wie es das Landgericht München I kürzlich dem Freistaat signalisierte? Dies sind die Fragen, die der Untersuchungsausschuss klären will.

Der Süddeutschen Zeitung liegen einige der brisanten Dokumente vor. Wenn stimmt, was in ihnen steht, dann haben sie das Zeug dazu, das Justiz- und Innenministerium in ihren Grundfesten zu erschüttern und so manchen hochrangigen Beamten von seinem Stuhl zu kippen.

Wer lügt? Der Polizist oder die Staatsanwältin?

Die Diskussion wird sich unter anderem um handschriftliche Aktenvermerke drehen, die Polizisten des LKA während ihrer Ermittlungen machten. Darin ist von direkten Einflussnahmen der Generalstaatsanwaltschaft die Rede, die so manchen Ermittler sehr verärgert haben. So protokollierte Kriminalhauptkommissar Robert Mahler ein Telefonat, das er am 2. Februar 2009 mit der Augsburger Staatsanwältin Daniela Lichti-Rödl führte. Wenige Tage zuvor hatte sie als Sachbearbeiterin der Staatsanwaltschaft Augsburg das Ermittlungsverfahren gegen die betrügerischen Ärzte eingestellt.

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Von Stefan Mayr

Laut Mahlers Notizen klagte sie ihm deshalb ihr Leid: "Sie sagte: Ich musste das Verfahren einstellen. (...) Ich kann den Verfahrensteil nicht überschauen und bin sauer, dass ich ein fremdes Verfahren beerdigen muss, bei dem ich mich nicht richtig auskenne." Weiter schreibt der Polizist: Ihr sei vollkommen klar, dass sie das "arme Schwein in dieser Angelegenheit" sei. Mahler und Lichti-Rödl seien sich einig gewesen, dass in dieser Sache "noch einmal der Bumerang" zurückkomme. Auch deshalb habe sich die Staatsanwältin "Notizen gemacht".

Im vergangenen Mai wurde dieser Vermerk im Verfassungsausschuss des Landtags schon einmal besprochen. Dabei berichtete ein Vertreter des Justizministeriums, dass die Staatsanwältin solche Aussagen nie gemacht habe. Es steht also Aussage gegen Aussage. Wer lügt? Der Polizist oder die Staatsanwältin? "Die Einvernahme der Zeugen kann spannend werden", sagt Franz Schindler (SPD), der stellvertretende Vorsitzende des Untersuchungsausschusses. "Die Wahrheit lässt sich - wenn überhaupt - nur durch die Zeugen herausfinden."

Notizen mit politischem Sprengstoff

In den Akten findet sich eine weitere Gesprächsnotiz Mahlers, die Sprengstoff birgt. Darin zitiert er die LKA-Vizepräsidentin Petra Sandles. In einem Gespräch anlässlich seiner Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit soll sie gesagt haben: "Wenn Sie mal länger bei der Polizei sind, werden Sie feststellen, dass nicht immer alles ganz sauber läuft." Es gebe nun mal "Gründe, die kennt ein Sachbearbeiter nicht, und die kann ich Ihnen nicht erklären." Wenn die Generalstaatsanwaltschaft auf ein Verfahren "den Deckel draufmachen möchte, dann müssen wir das eben akzeptieren".

Sind das Andeutungen von politischen Einflussnahmen? Schließlich untersteht die Generalstaatsanwaltschaft direkt dem Justizministerium. Und im Januar 2010 sagte der ehemalige Leiter der Soko Labor, Stephan Sattler, als Zeuge vor dem Landgericht München I: "Wie hier in die Ermittlungen eingegriffen wurde, habe ich noch nicht erlebt."

Wie der Untersuchungsausschuss vorgeht

Die Landtags-Grünen wollten daraufhin in einer schriftlichen Anfrage wissen, ob die Generalstaatsanwaltschaft in die Ermittlungen eingegriffen habe. Die Antwort des Justizministeriums war eindeutig: "Ein Eingriff in die Ermittlungen, insbesondere auf den Bestand und die Anzahl der eingesetzten Polizeibeamten, fand und findet nicht statt." Diese Auskunft steht im krassen Widerspruch zu den Aussagen der LKA-Vizechefin Sandles und des Soko-Chefs Sattler.

Ist Mahlers Gesprächsnotiz reine Phantasie? Lügt Sattler? Oder das Ministerium? Im Verfassungsausschuss im Mai beantwortete der Vertreter des Justizministeriums die Frage nach dem Einfluss der Generalstaatsanwaltschaft jedenfalls ganz anders als noch 2010: "Es ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass der Generalstaatsanwalt die Sachbehandlung der Staatsanwaltschaften seines Bezirks überprüft und dass er insoweit die Richtung vorgibt." Geht das überhaupt: Die Richtung vorgeben, ohne Eingriff in die Ermittlungen?

Um diese und alle anderen offenen Fragen zu beantworten, wollen die Ausschuss-Mitglieder nach SZ-Informationen etwa 70 Zeugen befragen. Geladen werden sollen auch zahlreiche CSU-Granden wie Ministerpräsident Horst Seehofer, Ex-Justizministerin Beate Merk sowie Parteivize und Schottdorf-Anwalt Peter Gauweiler.

© SZ vom 26.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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