KZ-Gedenkstätte:Steinbruch in Flossenbürg soll in Betrieb bleiben

Der Steinbruch Wurmstein neben dem ehemaligen Konzentrationslager Flossenbürg

Der Steinbruch Wurmstein neben dem ehemaligen Konzentrationslager Flossenbürg wird von den Granitwerken Baumann betrieben.

(Foto: oh)
  • Der Steinbruch des früheren Konzentrationslagers Flossenbürg ist noch bis 2024 in Betrieb.
  • Aktivisten kämpfen schon seit langem dafür, dass er Teil der Gedenkstätte wird.
  • Das hatte der frühere Kultusminister Spaenle im vergangenen Jahr zugesagt - doch nun deutet vieles auf eine Kehrtwende hin.

Von Andreas Glas

Ende April war Markus Söder in Flossenbürg. Der Ministerpräsident war gekommen, um an die Befreiung des Konzentrationslagers vor 73 Jahren zu erinnern. "Wir wollen die Gedenkstätte weiterentwickeln", versprach Söder (CSU). Dann ließ er diesen Satz fallen: "Ich bin ganz sicher, dass wir die wichtige Frage nach der Balance beim Thema Steinbruch am Ende auch lösen können."

Dass Söder eine Lösung ankündigte, obwohl die Steinbruch-Frage bereits gelöst zu sein schien, machte Stefan Krapf kurz misstrauisch. Hat sich der Freistaat die Sache plötzlich anders überlegt? "Ich habe mir Gedanken gemacht", sagt Krapf. Aber dann habe er sein Misstrauen wieder verdrängt: "Das konnte ich mir einfach nicht vorstellen." Nun, drei Monate nach dem Söder-Besuch, ist Krapfs Misstrauen zurück. Denn manches deutet darauf hin, dass der Freistaat in der Steinbruch-Frage wirklich eine Rolle rückwärts macht.

Es geht um den Steinbruch, in dem die KZ-Häftlinge schuften mussten. Durch gezielte Tötung und wegen der schlimmen Bedingungen kamen mindestens 30 000 Menschen in Flossenbürg um. Inzwischen ist dort eine beeindruckende Gedenkstätte entstanden, doch den Steinbruch hat der Freistaat nach dem Krieg immer wieder verpachtet, zuletzt im Jahr 2004, an die Granitwerke Baumann. Krapf findet es "pietätlos", dass neben der Gedenkstätte die Bagger rumpeln, dass dort immer noch Granit abgebaut wird. Seit Jahren kämpft der Mann aus Flossenbürg dafür, dass der Steinbruch zum stillen Gedenkort wird. Und wähnte sich am Ziel, als Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) vor einem Jahr versprach, den bis 2024 laufenden Pachtvertrag mit der Firma Baumann "nicht mehr zu verlängern und den gesamten Bereich in die Gedenkstätte zu integrieren".

Inzwischen ist Spaenle nicht mehr Kultusminister - und der Freistaat stellt dessen Entscheidung offenbar infrage. Was "die künftige Ausformung und Gestaltung der KZ-Gedenkstätte" angehe, "muss auch die Frage einer möglichen Weiterverpachtung des Steinbruchs betrachtet werden", heißt es in einem Schreiben der Bayerischen Staatsforsten an Stefan Krapf. Die Staatsforsten sind Eigentümer des Steinbruchs. Auch Flossenbürgs Bürgermeister Thomas Meiler (CSU) sagt, dass noch nichts entschieden sei.

Und der Pächter hat ohnehin "größtes Interesse, den Steinbruch über das Jahr 2024 hinaus zu betreiben". Es gebe bereits Gespräche, "die es ermöglichen sollen, eine Koexistenz zwischen den Belangen der KZ-Gedenkstätte und dem Steinbruchbetrieb" zu erlangen, heißt es in einer Stellungnahme der Granitwerke Baumann.

"Das wäre eine Verhöhnung der Häftlinge"

Koexistenz. Ist es das, was auch Söder meinte, als er über die "Balance beim Thema Steinbruch" sprach? Dass doch nur ein Teilbereich des Areals in die KZ-Gedenkstätte integriert wird, während direkt daneben die Bagger weiter rumpeln? "Das wäre eine Verhöhnung der Häftlinge", sagt Stefan Krapf. Mit Blick auf den Steinbruch sagt auch Gedenkstättenleiter Jörg Skriebeleit, man dürfe "die Würde der dort geschundenen Menschen nicht beschädigen". Er findet: "Spaenle hat sich damals eindeutig positioniert."

Weniger eindeutig klingt nun Spaenles Nachfolger, wenn man ihn nach der Zukunft des Steinbruchs fragt. Zwar betont Kultusminister Bernd Sibler (CSU), dass er sich "seit Langem für eine aktive Erinnerungsarbeit" einsetze und weiterhin vorhabe, den Steinbruch nach 2024 stillzulegen. Doch hänge es "von verschiedenen Voraussetzungen ab", ob der Steinbruch überhaupt "in konzeptionelle Planungen der KZ-Gedenkstätte einbezogen" werden könne. Welche Voraussetzungen dem Plan im Weg stehen, das Gelände in die Gedenkstätte zu integrieren, dazu äußert sich das Kultusministerium recht wolkig. Es ist die Rede von "vertraglichen Gegebenheiten", die erst geprüft werden müssten. Es gehe um "Laufzeiten, wechselseitige Rechte und Ansprüche".

Dass die Zukunft des Steinbruchs nun doch wieder auf der Kippe steht, ist auch deshalb überraschend, weil zuletzt sogar eine Stilllegung vor Ablauf des Pachtvertrags im Jahr 2024 im Raum stand. Eine entsprechende Petition hatte Stefan Krapf beim Landtag eingebracht. Schon lange beschwert er sich darüber, dass der Pächter des Steinbruchs die sogenannte "Häftlingstreppe" beschädige, indem er dort Schutt ablagere. Diese Sorge teilt auch das Landesamt für Denkmalpflege (BLfD), das die Firma Baumann inzwischen angewiesen hat, den "Steinschutt unverzüglich zu entfernen" und künftig rücksichtsvoller mit dem historischen Gelände umzugehen.

Die Diskussion wird weitergehen

Die Treppe sei besonders schützenswert, sagt Krapf. Sie erinnere an das Leid der Gefangenen, die dort hinabsteigen mussten, um die knochenharte Arbeit im Steinbruch zu verrichten. Dass "die Häftlingswand oder die Häftlingstreppe durch den Betrieb des Steinbruchs beschädigt oder in Mitleidenschaft gezogen werden", sei "völlig falsch", teilt dagegen die Firma Baumann mit. Es gebe "entsprechende gutachterliche Stellungnahmen".

In Flossenbürg fühlen sich nun manche an die Neunzigerjahre erinnert, als die französische Firma Alcatel eine Fabrik auf dem Appellplatz des früheren Konzentrationslagers betrieb. Damals war der Vorstandschef des Konzerns zu einer Betriebsbesichtigung nach Flossenbürg gekommen - und entsetzt wieder abgereist. Der Mann, dessen Vater als Jude in Auschwitz ermordet worden war, schenkte das Areal dem Freistaat unter der Auflage, eine Gedenkstätte daraus zu machen. In der Steinbruch-Debatte ist eine solch einvernehmliche Lösung eher nicht zu erwarten.

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