Kurze Hosen im Sommer:Männer, seid gewarnt

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"Rot und blau geht dem Kasperl seine Frau", lautet ein alter Spruch, der manchmal auch auf Männer zutrifft, die kurze Hosen tragen. (Foto: Stephan Rumpf)

Mit der sommerlichen Hitzewelle wandert auch der Saum der Hosen weit nach oben. Modefachleute finden das schrecklich: Nackte Beine machen den Herrn und seine Heimat lächerlich.

Von Hans Kratzer, München

Schön, dass die Mode im Sommer viel luftiger und heiterer daherkommt als sonst. Manchmal sorgt das aber für Irritationen. Das Selbstverständnis, mit dem kurzbehoste Männer auf den Straßen ihre nackten Beine präsentieren, ist beachtlich ausgeprägt. Käsige, totenbleiche und blau durchäderte Wadln hier, dicht behaarte Beine dort, und manche Haxen wirken so dünn, dass die Socken hinauf rutschen, wie man in solchen Fällen sagt. Die Alltagskleidung kennt kaum noch Tabus. Angesichts bunter kurzer Hosen, die durch schwarze Socken und klobige Sandalen optisch abgerundet werden, drängt sich die Frage auf, ob die Modestandards der deutschen Textilindustrie und ihrer männlichen Kunden im Begriff sind, demnächst hoffnungslos zu entgleisen.

Mehr denn je stellt sich die uralte Frage nach der Legitimation kurzer Männerhosen in der Öffentlichkeit. Schon vor Jahrzehnten hatte das Deutsche Institut für Herrenmode (DIH) die männlichen Bundesbürger davor gewarnt, ihre Heimat im Sommerurlaub durch das Tragen kurzer Hosen lächerlich zu machen. Schon früh war dem DIH klar, dass kurze Hosen unter einem Schmerbauch, in Liaison mit einem heraushängenden Hemd oder gar einem Doppelripp-Unterhemd den Mann zu einer Karikatur mache.

Eine Umfrage des Bayerischen Rundfunks machte in diesen Tagen deutlich, dass viele Frauen diese Gefahr immer noch sehen. Sie lehnten Männer in kurzen Hosen fast einhellig ab, "find ich nicht schön", lautete die Standardantwort. Andererseits entwickelt sich die Mode ständig weiter, was gestern noch unmöglich war, ist heute oft schwer angesagt. Die Frage ist nur, was man dem überforderten Kunden im Wust des überbordenden Warenangebots raten soll.

Mit dieser Frage beschäftigt sich Alexander Wandinger sogar beruflich. Als Leiter des Trachten-Informationszentrums des Bezirks Oberbayern hat er sogleich einen Tipp parat: "Ein Mann kann in der Öffentlichkeit durchaus eine kurze Hose tragen, aber er sollte auf den Stil achten." Er muss sich ja nicht gleich wie York Langenstein kleiden. Der ehemalige Leiter der nichtstaatlichen Museen in Bayern erschien zum Sommerfest seiner Behörde durchaus in karierten Strümpfen und kurzer Hose, dazu trug er Weste, Sakko und Krawatte. "Das schaute hervorragend aus" sagt Wandinger, "very british, very eigen."

Damit so ein Stil wirkt, muss aber alles zusammenpassen. "Heute ist es so", sagt Wandinger, "dass viele zwar einen Stil suchen, aber keine Ahnung mehr haben." Deshalb wählen sie den allgegenwärtigen Touristenlook, über den Wandinger aber nichts Gutes verlauten lässt: "Meistens passen die Farben nicht, der Schnitt auch nicht, vieles ist das Gegenteil von gutem Stil." Ganz zu schweigen davon, dass die kurzen Hosen gerne ausgebeulte Taschen haben, zu kurz oder zu lang und oft ungebügelt sind.

Wandinger betrachtet es deshalb als seine Aufgabe, Männern eine Ahnung zu vermitteln, was guter Stil ist und was in der Kleidung zusammenpasst, ohne "Glaubenswächter für Sitte und Stil" zu sein. Bei manchen Männern schaue eine kurze Hose ja gut aus, da stimmen halt Länge, Farbe und Schnitt. Auch eine kurze Lederhose, kombiniert mit T-Shirt und Gummihosenträgern im La-Brass-Banda-Stil sei ein Hingucker, wenn alles zusammenpasst. Wandinger empfiehlt, ruhig etwas mehr zu investieren als in eine Billiglederhose.

Die kurze Lederhose hat in Bayern seit jeher eine politische Dimension. Ein Freisinger Bischof hatte sie sogar als ein Werk Satans verdammt. (Foto: Georgine Treybal)

Die kurze Lederne war früher die tägliche Strapazierhose. Damals hat sie noch Bux geheißen, mancherorts auch kurze Wix. 1913 bekam sie erstmals eine politische Dimension, nachdem sie der Freisinger Bischof als ein Werk Satans verdammt hatte. Ihre Träger pflegten mit ihren nackten Beinen die Lüsternheit, wütete der Gottesmann. Die Trachtler bekamen vor Ärger einen Kropf, und Ludwig Thoma schrieb: "Die Erfahrung lehrt, dass ohne Beinkleid am meisten gesündigt wird." Auch die Nazis versuchten, aus der Kurzen politisches Kapital zu schlagen. Von Adolf Hitler gibt es irritierende Fotografien, auf denen er eine kurze Lederhose trägt. Später verbot er den Handel mit solchen Bildern, wohl ahnend, dass diese Fotos die Grenze zur Lächerlichkeit kratzten.

Bis heute gilt die kurze Männerhose zu bestimmten Anlässen als unangemessen. Im Büro, selbst in liberalen Zeitungsredaktionen, bei festlichen Abendveranstaltungen und im Restaurant. Dabei haben die Männer, was in der Genderdebatte noch ungelöst ist, ein Problem weniger als die Frauen. Vom Erzfeind des Frauenbeins, der Cellulite, werden sie in der Regel nicht geplagt. Umso merkwürdiger, dass die Fußballer ihre drahtigen Haxen neuerdings unter wallenden, knielangen Sporthosen verbergen und unter Stutzen, die bis über die Kniescheibe hochgezogen werden. Vor wenigen Jahrzehnten waren die Sporthosen noch so kurz, dass manche darin im Verbund mit dem damaligen Vokuhila-Haarschnitt einen Porno-Style erkannten. Aus heutiger Sicht fürwahr ein grausliger Anblick. Alexander Wandinger setzt voll auf Aufklärung. "Das Stilbewusstsein der Männer muss wachsen. Wir müssen sie begeistern, Schönheit in die Welt zu tragen."

© SZ vom 26.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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