Kuriose Videos zu Elmau:Der Gipfel der Kreativität

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Humtata-Musik mit Obama, Fitnesstraining für Aktivisten, blühende Landschaft mit Käferchen: Vor dem G-7-Treffen in Elmau kursieren im Internet jede Menge Videoclips dazu.

Von Heiner Effern und Lisa Schnell

Der Gipfel naht. In gut einer Woche werden über dem Schloss im malerischen Elmauer Tal die Hubschrauber durch die Luft knattern. Dann kommen die sieben mächtigsten Staatenlenker auf dem Luxushotel zu ihrem G-7-Gipfel zusammen. Das Großereignis hat bei Gipfel-Gegnern, der Staatsregierung und bei Musikern für einen Kreativschub gesorgt.

Für die Kritiker des Gipfels geht es darum, möglichst viele Leute zu mobilisieren. Dazu haben sie unzählige Videos ins Netz gestellt. Ein kleines Märchen über die sieben bösen Zwerge von Elmau, ein Fitnessvideo, um den Pizzabauch wegzukriegen und gestählt in Elmau aufzulaufen, aber auch die besten Krawallbilder von der EZB-Demo in Frankfurt als Vorgeschmack auf den Gipfel sollen Demonstranten aus ganz Deutschland motivieren. Von skurril-komisch bis künstlerisch wertvoll ist alles dabei. Aber auch die Staatsregierung und Elmau-Naturliebhaber ließen es sich nicht nehmen, zu zeigen, welche Bilder sie sich vom G-7-Gipfel in internationalen Medien wünschen. Eine kleine Auswahl.

Die Braven

Ein Schwenk über felsiges Gipfelpanorama mit leuchtend blauem Himmel, lila Blumen, die ihre Blütenpracht im Zeitraffer entfalten, und ein tiefroter Kitschsonnenuntergang. Darüber ein süßliches Schlagerlied, das von der Heimat handelt. Oben in der rechten Ecke ein wohl selbst gebasteltes Logo: in einem großen G ein grüner Berg mit Sonne, umrundet von acht Fahnen - ja, acht. Neben den Flaggen der sieben Teilnehmernationen haben die Macher dieses Videos auch noch die weiß-blaue Bayernfahne eingereiht. Es stammt von der privaten Homepage von Fabian Rößler und Peter Reindl, die mit die ersten waren, die sich eine Domain mit G 7 gesichert haben. Das hat wohl schon zu vielen Missverständnissen geführt. Zumindest stellen sie gleich zu Anfang klar: "Dies ist eine private Informationsseite und steht in keinerlei Verbindung mit der Bundesregierung". An den Postkartenidyllenbildern in den Videos dürfte sich die Bundesregierung aber nicht stoßen.

Genauso wenig wie die bayerische Staatsregierung. Die hat so etwas ähnliches veranstaltet, nur natürlich größer, teurer, herrschaftlicher. Extra zum G-7-Gipfel hat sie die Homepage welcomedahoam.com kreiert. Zu nachdenklicher klassischer Klaviermusik reihen sich dort Bayernhochglanzbilder aneinander, kommentiert von der Stimme des großen Ministerpräsidenten Horst Seehofer selbst. "Tradition", sagt er mit tiefer Großvaterstimme. Gezeigt werden Burschen in Lederhosen. Aber natürlich kommt auch das berühmte "Leben und leben lassen" vor. Bayern als modernes, weltoffenes Land. Als Beweis muss eine dunkelhäutige Frau im Dirndl mit Bierkrug in der Hand herhalten. Aus reiner bayerischer Gastfreundschaft heraus und vielleicht ein wenig als Werbezweck soll Schloss Neuschwanstein zwischen diesem Samstag und dem 5. Juni jeden Abend in den Landesfarben eines anderen G-7-Mitglieds erstrahlen.

Das strahlende, weltoffene Bayern, das die Vielfalt liebt - dieses Bild wollen die G-7-Kritiker von den bayerischen Grünen, dem Bund Naturschutz und Campact eigentlich stören. Ihre Mobilisierungsvideos für ihre Großdemo in München am 4. Juni fallen aber nicht sehr viel mutiger aus. Sie gehören ja auch zum gemäßigten Lager der G-7-Gegner. Aber musste deshalb die Musik gleich ganz so schnarchig sein? Zu harmlosem Fahrstuhlgedudel geben Vertreter der Großorganisationen ihre wohl auswendig gelernten Statements zu TTIP, Klimaschutz und Armutsbekämpfung ab. Da hilft auch das peppige Logo in neonpink und knallgelb nichts.

Musikalisch voll auf der Höhe ist dagegen natürlich die Koitabach Musi, jedenfalls für Freunde der volkstümlichen Musik. Möglicherweise trifft das wiederum auch den Geschmack der Bayernfraktion um Ministerpräsident Seehofer. Traditionell in Lederhosen und mit Akkorden singen sie "Yes mia spuin, sagt sogar der Obama". Gut, der Text ist jetzt nur mitteloriginell. Dafür springt ein braun geschminkter Kopf mit Riesenzähnen ins Bild, was dem US-Präsidenten nicht gerade schmeichelt und so manchem G-7-Gegner wohl den Rassismusvorwurf entlocken würde.

Die Draufhauer

Massen von Protestierenden drängen auf einer Brücke in Frankfurt gegen Polizisten an. Grüne Polizeiautos und Wasserwerfer. Ein Schriftzug: Die Bullen sagen, Frankfurt war die Generalprobe für den G-7-Gipfel. Ein Schwenk über mit regenbogenfarbenen Wollmasken vermummte Demonstranten. Der Rhythmus der Musik wird schneller. "Auch wir werden zum Gipfel fahren und auch wir sind vorbereitet". Das Schlagzeug hämmert. "Den G-7-Gipfel stürmen". Dann: Bilder von Demonstranten, die eine Polizeiblockade durchbrechen, Rauchschwaden über Frankfurt, Katz-und-Maus-Spiel von Polizei und Demonstranten. Ein Video von "3a - Revolutionäres Bündnis". Sie sind nicht die einzigen, die mit nicht ganz gewaltfreien Protestbildern von früheren Demos die Lust auf den Gipfel steigern wollen.

Bei einem anderen ist der gigantische Zaun vom letzten Gipfel in Heiligendamm 2007 zu sehen, den ein paar Gegner erklommen haben. Großaufnahmen von dem silbernen Stacheldraht in allen Variationen. In extremem Kontrast dazu die Musik: ein Kinderlied, gesungen von einem kleinen Mädchen. Klagend und traurig schildert sie ihr Leid: "Ich will einen Garten. Leider hab ich keinen. Andere Leute haben einen. Lassen keine Kinder rein. Wie gemein." Wie dem armen Mädchen zu helfen ist, zeigen die nächsten Bilder: Demonstranten reißen den Zaun ein, kämpfen sich durch die Maisfelder vor Heiligendamm ihren Weg "zum Strand", wie es damals hieß. Dazu fröhlich die Mädchenstimme: "Eines schönen Tages reißen wir die Zäune von den großen Gärten ein. Lassen alle Kinder rein. Das wird fein. "

Die Kreativen

Wenn Sylvester Stallone auf seine alten Tage noch mal eine Rambo-Parodie drehen wollte, könnten so manche Gipfelgegner eine unverhoffte kommerzielle Karriere hinlegen. Zum Beispiel die drei Angreifer, die sich aus dem Unterholz schleichen. "Irgendwo in Bayern", wie es heißt. Zur Tarnung halten sie sich Zweige vors Gesicht, als hätten sie den VHS-Kurs für G-7-Stürmer mit dem Gruppenkurs für Naturdarsteller verwechselt. Als sie endlich draußen vor den Bäumen sind, gehen sie in die Hocke, drehen dabei die Knie nach außen und sitzen da wie drei wippende Angriffsfrösche. Ein paar Hopser zur Seite noch, fast im Gleichschritt. Dann aber sausen sie los, das Klopapier fest im Griff, und fahren eine professionelle, nun ja, Scheißhaus-Attacke. Jedenfalls werfen sie die weißen Rollen auf eine kleine Hütte aus Holz, die nicht wie Schloss Elmau aussieht, sondern wie das Aborthäusl einer Almhütte. Doch solche Vergleiche sind sicher unerwünscht.

Richtig Mühe mit dem Schloss geben sich dagegen die Sprayer. In einem Video zaubern sie mit ihren Dosen das Tagungshotel an eine Wand, wie es sich Bundeskanzlerin Angela Merkel abends vor dem Einschlafen vorstellt, wenn sie gleich von tollen Bildern des deutschen Gipfels träumen will. Malerisch gelegen im Grün, dahinter schroffe Zacken. Doch schnell ploppt ein roter Farbbatzen auf die Berge und Wiesen um Elmau, noch einer, und immer mehr. Daneben steht die Botschaft, die vielleicht auch eine Ankündigung sein soll: "Die Idylle trügt."

Das sehen auch die Waldschrate aus dem Allgäu so. Sie schlafen zwischen Bäumen und Büschen oder auf Feldern, bis sie wachgerüttelt werden. Sie springen auf einen Anhänger, den ein Traktor zieht, und machen sich auf den Weg. Ihr Motto, für die Kollegen aus dem Bundesgebiet wohl nur schwer nachzusprechen: "Auf d'r Bulldog, nauf d'r Berg!" Sie stürmen das Hotel und tun das, wovon wohl jeder radikale und auch mancher gemäßigte Gipfelgegner träumt: Sie vermöbeln die ganze Bagage, bestehend aus sieben Zwergen respektive Staats- und Regierungschefs. Die wiegen sich kurz noch im Takt mit der Bundeskanzlerin ganz vorne. Doch das orgiastische Treffen wird gesprengt, flüchtige Politiker werden bis auf die Elmauer Wiesen verfolgt. Dass Angela Merkels Bart an die hässlichste Seite der deutschen Geschichte erinnert, finden die Gemäßigten wiederum bestimmt weniger politisch korrekt.

Die G-7-Gegner besingen ihre Feinde

Die Gipfelpolitiker inspirieren aber nicht nur Allgäuer Schrate, sondern auch Liebhaber von Kinderreimen. Die Toten Hosen widmeten die Geschichte mit den zehn kleinen Negerlein, wie sie wohl die Freunde der Koitabacher Musi immer noch nennen würden, noch ihren Lieblingen, den Jägermeistern. Die G-7-Gegner besingen so ihre Lieblingsfeinde. "Acht kleine Herrscherlein, die haben Streit gekriegt. Der eine hat die Krim besetzt. Schon waren sie zu siebt," fängt das Liedchen an. Entspräche der umgedichtete Kinderreim nicht auch der Realität, würden die heutigen G7-Gegner immer noch G-8-Gegner heißen.

So mancher von diesen scheint in den vergangenen Jahren eher auf der heimischen Couch gelegen zu sein als ordentlich demonstriert zu haben. Weshalb ein Bäuchlein gewachsen ist, das im hochalpinen Gelände um den Gipfel dafür sorgen könnte, dass den Protesten schnell die Luft ausgeht. Deshalb gibt es auch ein Mobilisierungsvideo, das sozusagen wörtlich gemeint ist. Gendermäßig völlig korrekt gibt ein junger Mann mit schwarzem Bart die Jane Fonda für Systemkritiker, trainiert seinen Körper mit Liegestützen auf dem heimischen Teppich, quält sich sichtlich, bis er zum Laufen kommt. Aber dann natürlich gleich so, dass er von Berlin aus gar keinen Bus-Shuttle ins Werdenfelser Land mehr benötigt. Zu Jane Fonda fehlt ihm aber die modische Eleganz, obwohl sein Trainingsanzug aus der Aerobic-Zeit stammen könnte und allein deshalb die Staatschefs schocken könnte.

Andere haben den "Sicherheitscheck" gemacht und ein Szenario entworfen, wie es sich der bayerische Innenminister Joachim Hermann wohl nie erträumt hätte: Auf den grünen Wiesen im Elmauer Tal stapfen riesige Star-Wars-Roboter, durch die Luft sausen Space-Fighter. Fährt ein Auto die geschlängelte Bergstraße entlang wird es sofort von einem Feuerpfeil der Roboter getroffen.

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