Süddeutsche Zeitung

Kunstförderung in Bayern:Hochkultur in Hof

Braucht München einen neuen Konzertsaal, wenn auf dem Land das Geld fehlt? Der Rest des Freistaats wird vergessen und abgehängt, klagen viele. Das Beispiel Oberfranken zeigt jedoch: Neid auf die Landeshauptstadt ist nicht angebracht.

Olaf Przybilla

Wer sich anschauen will, ob der Freistaat neben München auch die nördlichen Randlagen Bayerns mit Kultur bedient, der ist in der Stadt Hof ziemlich gut aufgehoben. Hof eilt auch in Oberfranken der Ruf voraus, nicht der Nabel des Bezirks zu sein: die Weltkulturstadt Bamberg und die Regierungshauptstadt Bayreuth nehmen das weit mehr für sich in Anspruch.

Die Hofer kümmert das freilich nicht, bei 45.000 Einwohnern ist das Selbstverständnis, eine Metropole zu sein, dort nicht besonders ausgeprägt. Wer sich aber den Theaterbau in Hof ansieht, der könnte auf eine ganz andere Idee kommen.

Vor allem nachts, wenn der gläserne Bau auf einem Hofer Hügel die Dunkelheit überstrahlt, wirkt dieses Gebäude wie ein riesiger, durch einen seltsamen Zufall im übersichtlichen Hof gelandeter Fremdkörper: Ein Haus, das jeder Metropole in Bayern zur Ehre gereichen würde.

Über 540 Plätze verfügt das Theater im großen Saal. Im Schauspielhaus des Staatstheaters Nürnberg, in einer mehr als zehnmal so großen Stadt, sind es nicht mehr. Eine allen Ansprüchen der Technik entsprechende Drehbühne hatte das Hofer Theater anderthalb Jahrzehnte früher als Nürnbergs Staatstheater.

Noch imposanter aber ist das Geld, das Bund und Freistaat gemeinsam aufbrachten, um das Haus 1994 eröffnen zu können: Insgesamt kostete der neue Bau 84 Millionen Mark. Eine schon damals, lange vor Edmund Stoibers Spardiktat, ziemlich stolze Summe.

Uwe Drechsel hat das Theater von 1995 an insgesamt 17 Jahre lang geleitet, für den Chef eines Dreispartenhauses ist das eine in Deutschland rekordverdächtige Ära. Drechsel sagt, dass das Theater in dieser Form gebaut wurde, sei wohl ein bisschen auch dem Glück geschuldet gewesen.

Wenige Wochen vor der Wende in Ostdeutschland war der Neubau beschlossen worden, Zonenrandförderung nannte man das zu der Zeit. Und zurücknehmen wollte das dann natürlich keiner in der Zeit der Wende-Euphorie - auch wenn nach der Vereinigung plötzlich zwei große Theater praktisch nebeneinander standen: das Haus in Hof und das Haus in Plauen.

Ziemlich viel Theater für zwei kleinere Städte in einem dünn besiedelten Raum und in kaum 35 Kilometer Entfernung. Der Kulturstaat Bayern findet vor allem in München statt, an den Grenzen trocknet er geradezu aus? Betrachtet man die imposanten Kulturbauten am nördlichen Rand des Freistaats, wird man diese These nur schwer aufrechterhalten können.

Denn Hof ist ja beileibe nicht das einzige große Theater im nördlichen Oberfranken. Kaum 90 Kilometer entfernt steht das Landestheater Coburg, nicht nur eines der schönsten, auch eines der traditionsreichsten Theaterhäuser Bayerns.

Und das Haus, das aufgrund des späten Eintritts der Stadt Coburg in den Freistaat - 1920 musste Bayern die alten Verpflichtungen des früheren Herzogtums übernehmen - als eine Art Staatstheater gelten darf. Es war lange Zeit sogar das einzige Staatstheater außerhalb Münchens. In Coburg steht es, in einer Stadt also, die mit 40.000 Einwohnern noch etwas kleiner ist als Hof. Kulturell ausgehungerter Rand Bayerns?

In Hof gab es bald nach der Vereinigung Bestrebungen, Hofs Ensemble mit dem Ensemble in Plauen zu fusionieren. Natürlich wusste man, dass es schwierig werden könnte, zwei solche Theater auf so engem Raum zu führen. Später sollte eine Zusammenarbeit der lange rivalisierenden Städte tatsächlich gelingen: Gemeinsam arbeitete man in einer Flughafengesellschaft zusammen, für den Flughafen Hof-Plauen.

Aber in der Kunst? Gleich nach der Wende? Die beiden Konzepte, das Theater in Ost und West, passten nicht zusammen. Die geplante Kooperation platzte. Das Theater in Plauen vereinigte sich später mit dem Theater in Zwickau. Hof blieb allein.

Drechsel, der inzwischen pensionierte Rekordintendant von Hof, erzählt gerne eine Geschichte über den ebenso großen wie ungewöhnlichen Theaterneubau von Hof. Einmal standen zwei Damen im lichtdurchfluteten Foyer, beide mit Taschen ausgerüstet. Eine fragte: "Sagen Sie mal, des is' doch des Hallenbad hier, oder?"

Kulturelles Paradies Hof also? Natürlich nicht. Die Zuständigen machen geltend, dass die Zuschüsse für das Theater seit sieben Jahren nicht mehr gestiegen sind - die Personalkosten in dieser Zeit aber bereits mehrmals. Und das, obwohl das Haus mit seinen drei, inklusive Kindertheater sogar vier Sparten schon jetzt als chronisch unterfinanziert gilt. Den Etat von 9,8 Millionen Euro brauchen größere Theater für eine Sparte. Nicht für vier.

41 Prozent der Kosten übernimmt der Freistaat, man benötige aber unbedingt höhere Zuschüsse, sagen sie in Hof, die permanent steigenden Personalkosten seien sonst nicht mehr zu finanzieren.

Und so kommt es, dass sie sich im nördlichen Oberfranken zwar momentan über die demnächst geplante Aufwertung des Porzellanikons in Selb freuen. Genauso wie über das zusätzliche Geld für das Mauer-Museum im ehemals deutsch-deutschen Grenzort Mödlareuth. Aber der örtliche CSU-Abgeordnete, Fraktions-Vize Alexander König, trotzdem insistiert, dass die Sicherung des Theaters in Hof eigentlich noch wichtiger sei.

Fragt man den Intendanten der Luisenburg-Festspiele in Wunsiedel, den Altbaiern Michael Lerchenberg, wie er den Regierungsbezirk Oberfranken sehe, dann bekommt man eine Eloge zu hören. So wie in Oberfranken sei die Hochkultur kaum irgendwo massiert, schwärmt Lerchenberg.

Da sind natürlich die Wunsiedeler Festspiele, das älteste Freilichttheater in Deutschland. Da sind die Bayreuther Festspiele, das musikalische Aushängeschild Bayerns in der Welt. Da sind die Bamberger Symphoniker, ein Klangkörper von fraglos europäischem Rang. Und da sind die Theaterhäuser in Hof, in Coburg, in Bamberg. Und das alles im bevölkerungsärmsten Regierungsbezirk in Bayern.

Diese kulturelle Dichte dürfte genau das Problem sein. Allein die Sanierungskosten beim Festspielhaus Bayreuth werden auf 48 Millionen Euro geschätzt. Der Freistaat wird eine große Summe davon aufbringen müssen, will er nicht, dass ein weltberühmtes Haus vor sich hinbröckelt.

Aber an Hof, an das große, aber deutlich unbekanntere Haus am Rande des Freistaats, wird er auch denken müssen. Kulturwüste Oberfranken? Das Gegenteil ist der Fall.

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SZ vom 01.01.2013/tob
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