Süddeutsche Zeitung

Kultusministerium:In Bayern will niemand mehr Schulleiter werden

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Von Anna Günther, München

Systembetreuer, Sanitäter, Installateur, Sekretär - und nebenbei Schulleiter, die unterrichten und sich um die Organisation des Ganztags, den reibungslosen Ablauf des Schulalltags und die Integration der Flüchtlinge kümmern. So beschreiben Chefs von bayerischen Grund- und Mittelschulen nicht ohne Bitterkeit ihren Job.

Sie fühlen sich "vergessen und übersehen". "Wir sind für alles und jedes verantwortlich, ohne Dienstvorgesetztenstatus zu besitzen", sagt eine Schulleiterin aus Ostbayern. "Wen wundert es, dass dazu immer weniger Lehrer Lust verspüren, insbesondere wenn sie als beförderte Studienräte schon nahe am Gehalt eines Schulleiters sind?", sagt auch Helmut Schuster, der die Interessen der oberpfälzischen Rektoren im bayerischen Schulleitungsverband vertritt. Die Rektoren wünschen sich mehr Zeit fürs Management, unterrichten müssten dann andere.

Diese Unlust der Lehrer wirkt sich schon im Schulalltag aus: Das Kultusministerium muss immer wieder Stellen ausschreiben, weil sich keine Interessenten finden. Zum laufenden Schuljahr waren 642 Jobs für Schulleiter oder Konrektoren an Volksschulen ausgeschrieben, auf 235 davon bewarb sich nur eine Person, 30 Stellen interessierten niemanden. 19 Schulen suchten zum Jahresende noch immer einen Chef, 24 einen Vize. Auf knapp die Hälfte dieser Jobs hatte sich niemand beworben.

508 Rektoren kümmern sich derzeit um mehr als zwei Schulen. Diese Zahlen teilte das Ministerium auf Anfrage des Bildungspolitikers Thomas Gehring (Grüne) mit. "Gerade im Großraum München haben wir ein Problem, Mittelschulen gelten als schwierig. Das tut sich mit dieser Bezahlung niemand mehr an", sagt Gehring. Rektoren verdienen zwischen 150 und 400 Euro mehr als Volksschullehrer. Offene Chefposten gibt es aber in allen Bezirken.

Gehring hofft, dass die CSU nun einlenkt. Bisher lehnte die Regierungsfraktion Anträge der Opposition zur Entlastung der Schulleiter regelmäßig ab. Dabei sei man sich inhaltlich sogar einig, trotzdem tue sich nichts, sagt Gehring. Simone Fleischmann, die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), hatte 2017 einen Brandbrief an Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) geschrieben.

Zwei Monate später präsentierte Seehofer im zwei Milliarden Euro schweren Bildungspaket 150 Vollzeitstellen, die mehr Zeit für Führungsaufgaben bringen und 150 weitere, die Verwaltungskräfte entlasten sollen - verteilt auf 3400 Volks-, 374 Realschulen und 1400 berufliche Schulen. Für BLLV und Schulleiterverband ist das ein erster Schritt, den viele Rektoren im Alltag kaum spüren werden.

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Quelle:
SZ vom 13.02.2018
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