Kultusminister Spaenle:Die offene Flanke der CSU

Kultusminister Ludwig Spaenle gerät wegen der Pannen im Bildungssystem zunehmend unter Druck. Ministerpräsident Seehofer hat das G 8 zur Chefsache gemacht und die Opposition hält ihn für eine Fehlbesetzung. Er selbst findet, er sei "gut unterwegs".

Tina Baier und Frank Müller

Zwölf Kilo hat Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) im vergangenen Schulhalbjahr abgenommen. "Der Stress ist es nicht", sagt er, sondern eine kohlehydratarme Diät, die er seit Weihnachten macht. Hände kann Spaenle zurzeit nur mit der Linken schütteln. Die Rechte hat er sich beim Rasenmähen verletzt. Es gibt Stimmen, auch aus der eigenen Fraktion, die sagen, dass der Mann auch politisch beschädigt ist.

Ludwig Spaenle, 2012

Ein Schnellsprecher, der ständig neue Konzepte erklären muss, die aber nicht einmal seine eigenen Parteifreunde alle verstehen: So sehr sich Ludwig Spaenle auch müht, die Bildung bleibt ein Hauptproblem der Staatsregierung.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Er selbst sieht das "mit Gelassenheit", aber auch wenn er es nie zugeben würde: Es läuft gerade nicht gut. Erst hat Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) das achtjährige Gymnasium (G8) zur Chefsache erklärt, weil es dem Kultusminister nicht gelungen ist, endlich Ruhe in die leidige Debatte zu bringen. Kurz darauf gab es im ganzen Land einen Aufschrei der Empörung, als Spaenle Peter März als Chef der Landeszentrale für politische Bildung zurückholte - jenen Mann, der seine Position unter anderem dafür genutzt haben soll, sein eigenes Buch aufzukaufen. Nur einen Tag später musste Spaenle seine Entscheidung korrigieren. Und jetzt liegt der Kultusminister auch noch mit der Kirche im Clinch wegen der Schließung der katholischen Mädchenrealschule in Schlehdorf.

Spaenles Parteifreunde werden langsam unruhig. In der Landtagsfraktion und in der Staatsregierung wird die Distanz zu ihm immer deutlicher. "Er gibt sich viel Mühe", sagt ein Mitglied des Kabinetts. Das ist anerkennend und mitleidig zugleich gemeint. Auch in der Fraktion gibt es bis in die Führung hinein viele, die Spaenle derzeit eher ratlos macht. Die Wahl im Herbst 2013 rückt näher, und manch einer versteht nicht, warum Spaenle es nicht schafft, an seiner Front für Ruhe zu sorgen, obwohl er von Finanzminister Markus Söder (CSU) so viele zusätzliche Stellen bekommen hat wie kein anderer Minister.

Viele kennen sich angesichts immer neuer Rezepte, Projekte und Ideen kaum noch aus und fragen sich, wie sie im Wahlkampf den Bürgern erklären sollen, was sie selbst kaum noch verstehen. Sogar der in der Regel linientreue Bayerische Philologenverband wird rebellisch: Auf dem Titelbild der Verbandszeitschrift vom Juli ist Spaenle zu sehen mit der Schlagzeile: "Wie soll es weitergehen?" Spaenle droht zur Belastung zu werden für den Wahlkampf der CSU.

Kultusminister unter Druck

Richtig losgegangen ist der Ärger mit der Regierungserklärung des Kultusministers am 19. Juni: Fünfundvierzig Minuten - langweilig wie eine schlecht gehaltene Lateinstunde, in der man sich nur nach einem sehnt: dass es endlich gongt. Während Spaenle sich vorne am Rednerpult abarbeitet, sitzt Seehofer rechts hinter ihm - abwechselnd feixend oder mit besorgter Miene. Spaenle habe sich wohl von jedem Abteilungsleiter Zettel in die Hand drücken lassen und diese dann vorgelesen, giften danach CSU-Mitglieder im Landtag.

Neun Tage später ist deutlich zu merken, dass der Kultusminister unter Druck steht. Als er in der Staatskanzlei das diesjährige Abiturergebnis bekannt gibt, versucht er seine Nervosität zu überspielen, indem er wegen angeblicher Falschmeldungen in der Presse lospoltert wie zu seinen besten Zeiten als Vorsitzender des Hochschulausschusses. Doch als er fast beiläufig die hohe Durchfallerquote von 3,7 Prozent erwähnt, hat er Schweißperlen auf den Lippen. Kurz darauf trifft sich Seehofer mit Philologenchef Max Schmidt, um mit ihm über die Zukunft des Gymnasiums zu reden - ohne Spaenle. Im Kultusministerium muss das die höchste Alarmstufe ausgelöst haben. Schließlich weiß jeder bayerische Minister, dass Seehofer dazu neigt, im Alleingang durchzugreifen, wenn er Schwachstellen registriert.

Dabei hat Spaenle seit seinem Amtsantritt vor vier Jahren einiges richtig gemacht. Sogar seine politischen Gegner sagen, dass er viel kommunikativer sei als seine Vorgänger Siegfried Schneider und Monika Hohlmeier und dass er sich ernsthaft bemühe, auf die vielen verschiedenen Verbände und Gruppen in der Bildungspolitik zuzugehen. "Spaenle geht es wirklich um das Wohl der Schüler", sagt Susanne Arndt, die Vorsitzende der Landes-Eltern-Vereinigung der Gymnasien in Bayern. Ein größeres Lob kann es von einer Elternvertreterin kaum geben. Dass Spaenle vom Alltag an den Schulen eine genauere Vorstellung hat als viele seiner Vorgänger, liegt vermutlich auch daran, dass er selbst schulpflichtige Kinder hat. Zwei Töchter, die beide auf das G8 gehen.

Ich fahre im Jahr knapp 100 000 Kilometer", sagt Spaenle mit Stolz in der Stimme. "Bildungspolitik kann man nicht verordnen". Sein Ziel ist es, jeden der insgesamt 5000 Schulleiter in Bayern wenigstens einmal zu treffen. Auch Gespräche mit den Bürgermeistern sind Spaenle wichtig. Meistens geht es dabei um die Mittelschule. "Das ist unheimlich intensiv, wenn Sie einem Saal von gestandenen Bürgermeistern gegenüberstehen", sagt er, wirkt aber ganz entspannt dabei.

Schnellsprecher mit Lateinvokabeln

Viele sagen, dass er gut zuhören kann, und zwar nicht nur denen, die erzählen, was er gerne hören möchte. "Er ist der erste Kultusminister, der persönlich in den Bildungsausschuss kommt", sagt sogar Martin Güll (SPD), der Vorsitzende dieses Gremiums, der sonst kein gutes Haar an Spaenle lässt und ihm vorwirft, "zwar ein guter Historiker zu sein, aber kein guter Schulmann". Spaenle zuzuhören ist dagegen oft eine Herausforderung. Er ist ein berüchtigter Schnellsprecher und wie sein Vorbild Franz Josef Strauß lässt er gerne lateinische Vokabeln in seine Sätze einfließen.

Auch innerhalb des Ministeriums herrscht ein offenerer Umgang, seit Spaenle Minister ist. Eine seiner ersten Maßnahmen war, die ewig verriegelte Glastür zum Ministergang in der Münchner Salvatorstraße zu entfernen. "Ich bin als Ausschussvorsitzender selbst oft genug davorgestanden", sagt Spaenle. Es soll auch schon so mancher im Ministerium zusammengezuckt sein, weil plötzlich der Minister in der Tür stand, was die Beamten von Spaenles Vorgängern nicht gewohnt waren.

Manche in der CSU glauben, dass nicht Spaenle die Ursache der derzeitigen Probleme in der Bildungspolitik ist, sondern sein Haus. "Er ist der Beste, den wir für diesen Job haben", sagt ein einflussreicher CSU-Mann. "Aber das Ministerium hat ihn zu sehr im Griff." Dort habe jeder Lehrerverband seine Lobby, der interne Kampf verhindere eine einheitliche Linie nach außen. Besonders das ständige Hin-und-Her um das Intensivierungsjahr am Gymnasium, das Spaenle erst groß angekündigt, dann aber in seiner Regierungserklärung nicht einmal mehr erwähnt hat, irritiert viele in der CSU-Fraktion.

Die Idee vom G 8,5 habe Spaenle geschadet, heißt es. Bislang hat er offenbar nicht einmal seinen Parteifreunden erklären können, wie dieses im Detail funktionieren soll. Die Frage ist, ob er es am heutigen Montag schafft, wenn es an einem runden Tisch mit Seehofer erneut um das Thema geht. Am Dienstag gibt es dann Zeugnisse für die bayerischen Schüler.

Welche Note würde sich Spaenle selbst für die Leistungen im vergangenen Schuljahr geben? "Man muss sehr gut unterwegs sein, damit man die Sache am Schluss gut macht", sagt der Kultusminister etwas kryptisch. Bescheidenheit gehört wohl nicht zu seinen Tugenden.

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