Süddeutsche Zeitung

Kulturdebatte:Kunst und Bau

Nürnberg will Europäische Kulturhauptstadt werden, der Bewerbungsprozess strahlt auf den OB-Wahlkampf aus. Es gibt aber auch andere Themen

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Dass kulturelle Fragen eine wesentliche Rolle spielen im Kommunalwahlkampf, ist für Nürnberg durchaus nicht selbstverständlich. Diesmal ist es anders und das liegt natürlich zuvorderst an der Bewerbung Nürnbergs als Europäische Kulturhauptstadt. Der amtierende Oberbürgermeister Ulrich Maly hat diese Bewerbung maßgeblich angestoßen. Und die Überzeugung, dass einer, der die Initiative ergriffen hat, dann wohl kaum mitten im Bewerbungsprozess von Bord gehen wird, war eines der gewichtigsten Argumente dafür, dass sich lange keiner einen Maly-Rückzug vorstellen konnte. Es kam bekanntlich anders. Und nun wird von Mai an jemand anderes die entscheidenden Schritte moderieren müssen. Zunächst muss ein zweites, ausführlicheres Bewerbungsbuch auf den Weg gebracht werden. Im Herbst inspiziert dann eine Jury in Nürnberg, was die Stadt konkret plant, um Kulturhauptstadt zu werden. Auf Maly - der an Eloquenz die meisten Bundespolitiker in den Schatten stellt - hatten dabei viele gesetzt in Nürnberg. Jetzt wird das ein anderer im Kreuz haben müssen.

Es ist aber nicht nur dieser Bewerbungsprozess, der die Stadt kulturell umtreibt. Nachdem die freien Künstler auf der AEG-Brache demnächst nicht mehr unterkommen, ist der Platz rar für Ateliers. Können diese womöglich in der Torso gebliebenen NS-Kongresshalle unterkommen? Und wie geht es weiter mit der Sanierung des Opernhauses? Von einer benötigten dreistelligen Millionensumme ist da die Rede - eine Debatte, die schon andere deutsche Städte vor eine Zerreißprobe gestellt hat und die dem künftigen OB bevorsteht. Schließlich ist da das neue Konzerthaus, das in der Stadtdebatte noch von der Kulturhauptstadt-Bewerbung überstrahlt wird, aber in jüngerer Zeit für Diskussionen sorgt: Naturschützer kritisieren, dass auf dem Gelände der Meistersingerhalle, direkt am Park namens Luitpolthain, Bäume fallen sollen für den neuen Konzertsaal. Das Haus soll auf jeden Fall vor 2025 fertig werden - immerhin könnte Nürnberg dann Kulturhauptstadt sein. Da wird die Moderation einer Kultur-versus-Natur-Debatte klug geführt werden müssen.

Natürlich hat Nürnberg auch andere Sorgen. Bei vielem aber sind sich die drei maßgeblichen OB-Kandidaten von SPD, CSU und Grünen weithin einig. Mehr Bäume braucht die Stadt, besseren öffentlichen Nahverkehr, Investitionen in die Bildung. In einem Punkt aber unterscheiden sich die Bewerber grundsätzlich: Die von SPD und CSU sprechen sich klar für den Tunnel am sogenannten Frankenschnellweg aus. Die Grünen wollen sich verabschieden von diesem Riesenprojekt. Aber auch sie sind ehrlich: Seit Jahrzehnten wird daran geplant - entscheiden, ob die Röhre kommt, werden zuletzt wohl eher Gerichte als Politiker.

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SZ vom 15.02.2020
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