Kultur:Der Retter aus Bangkok

Manfred Rietzler lebt in Südostasien, hat mit Kunst wenig am Hut, könnte aber dem Festspielhaus Füssen zu schwarzen Zahlen verhelfen. Dafür will er ein Fünf-Sterne-Hotel an den Forggensee bauen und internationale Stars nach Füssen holen

Von Christian Rost, Füssen/München

Die Lage am Ufer des Forggensees im Ostallgäu ist eindrucksvoll, die bisherige wirtschaftliche Entwicklung war es nicht. Das Festspielhaus Füssen wurde zur Jahrtausendwende für 37 Millionen Euro an den See gepflanzt, um die Traumwelt von Ludwig II. in Musicals zu inszenieren: inclusive drehbarer Bühne und eines 90 000 Liter fassenden Wasserbeckens darunter, in dem der Märchenkönig zum Ende jeder Aufführung untergeht. Die Shows selbst liefen gut, jede Aufführung zählte mehr als 1000 Besucher - bei 1350 Sitzplätzen. Doch die Eigentümer des Gebäudes verhoben sich finanziell. Der neue Betreiber des Musicaltheaters, der aus Marktoberdorf stammende Unternehmer Manfred Rietzler, sagt, das Geld sei in Füssen über Jahre hinweg zum Fenster hinaus geworfen worden. Er selbst kann es offenbar besser. Am Mittwoch stellte der 56-Jährige im Münchner Presseclub seine Pläne für das Theater vor - und verkündete dabei eine vorläufige Erfolgsbilanz. Das Haus, dass bereits zwei Pleiten hinter sich hat, soll mit neuem Konzept bald schwarze Zahlen schreiben. Auch der Bau eines schicken Hotels spielt dabei eine Rolle.

Manfred Rietzler kann, wie er freimütig einräumt, mit Kunst und Kultur nicht viel anfangen. Schon in seiner Kindheit haber er sich lieber mit Schaltplänen als mit Büchern beschäftigt. Das Faible des Elektroingenieurs: digitale Informationstechnik. Was sich sperrig anhört, hat mittlerweile jeder täglich in den Händen. Egal ob elektronischer Reisepass, Bankkarten, Skipass oder Karten zum Öffnen von Türen. Immer dann, wenn etwas drahtlos ausgelesen, abgehoben oder geöffnet werden kann mittels Digitaltechnik, steckt Rietzler dahinter. Er hat die Technik in seiner Wahlheimat Thailand in einer Garage entwickelt und nach den Anschlägen auf das World Trade Center an die US-amerikanischen Sicherheitsbehörden verkauft, die auf biometrische Reisepässe drängten. Mittlerweile seien weltweit 1,2 Milliarden Menschen mit solchen Pässen ausgestattet. Die Zahl zeigt, wie rasant sein Unternehmen gewachsen ist. Zuletzt beschäftigte es mehr als 3000 Mitarbeiter an zehn Firmenstandorten in aller Welt. Vor ein paar Jahren hat es Rietzler an eine Großbank in den USA verkauft. Mit mehr als 300 Patenten hat der Ingenieur, der zuletzt Start-ups unterstützte, seine Erfindungen geschützt.

Kultur: Das Festspielhaus ist zwar bei Besuchern beliebt, aber defizitär.

Das Festspielhaus ist zwar bei Besuchern beliebt, aber defizitär.

(Foto: imago)

Über seine offenbar komfortable finanzielle Lage spricht der Allgäuer natürlich nicht, angesichts seiner Möglichkeiten aber lässt sich erahnen, dass er sich keine Sorgen mehr machen muss. Weshalb er sich das Festspielhaus in Füssen dennoch angetan hat? "Viel Idealismus steckt drin und weil ich Ostallgäuer bin", meint der Familienvater. Mittlerweile hat er seine technikaffinen Leidenschaften mit künstlerischem Interesse verknüpft.

Als das pompöse Festspielhaus zum zweiten Mal pleite ging, rief ihn 2016 der Insolvenzverwalter an. Wenn niemand finanziell einsteige, drohe der Untergang, appellierte der Anwalt an Rietzler. Der sträubte sich zunächst, ließ sich dann doch auf das Abenteuer ein. Die Heimat lässt einen halt nicht los, selbst wenn man weit weg in Südostasien lebt.

Unter seiner Regie - "ich habe keine Angst vor großen Projekten" - begann die Suche nach der richtigen Strategie für das Festspielhaus mit direktem Blick auf das nur vier Kilometer Luftlinie entfernte Schloss Neuschwanstein. Rietzler stellte sich ein neues Team mit erfahrenen Leuten aus der Musical-Szene zusammen um den Theaterdirektor Benjamin Sahler und sondierte die Lage. Dabei habe sich rasch gezeigt: Mit klassischen Opern an dem Aufführungsort zu Füßen des Schlosses Neuschwanstein sei kein Geld zu machen. Mit der reinen Vermietung des Theaters an Gastspiele auch nicht. Man musste zurück zu den Wurzeln, zum Musical also, und eine gute Mischung finden. So soll künftig weiter die erfolgreiche Eigenproduktion rund um den Märchenkönig mit dem Titel "Ludwig²" aufgeführt werden, aber auch andere Produktionen sollen die Besucher ins Allgäu locken. Richard Wagners "Der Ring", eine eingängige Inszenierung des an sich länglichen und komplexen Werkes, kommt vom 5. Oktober an für sechs Vorstellungen auf den Spielplan. "Die Päpstin" feiert am 30. November Premiere.

Kultur: Manfred Rietzler will die Defizite lösen.

Manfred Rietzler will die Defizite lösen.

(Foto: Robert Haas)

Das neue Konzept zeitigt erste Erfolge. Vergangenen Freitag gab die Sopranistin Sarah Brightman ein umjubeltes Konzert im Musicalhaus. Andere internationale Stars sollen folgen. Was fehlt an diesem Ort im Königswinkel, um dem Projekt zum Durchbruch zu verhelfen, ist ein gehobenes Hotel. Das Festspielhaus, und das ist nach wie vor sein Manko, liegt ab vom Schuss. Zwar ist seine Lage am Ufer des Forggensees durchaus spektakulär, doch rauschen die mit Touristen vollbesetzten Busse, die Neuschwanstein ansteuern und abends zurück nach München fahren, bislang an der Spielstätte vorbei. Und die vielen Fans des Theaters aus dem Allgäu haben die meisten Aufführungen mindestens schon einmal gesehen. Der Stadtrat von Füssen kommt Rietzler deshalb entgegen und hat den Plänen zum Bau eines Fünf-Sterne-Hauses neben dem Festspielhaus zugestimmt. In Füssen befürchtet man, dass bei einer neuerlichen Pleite eine Luxus-Ruine am Seeufer zurückbleiben könnte, wenn das Theater endgültig schließen müsste. Ob sich dann erneut ein Mäzen für das Abenteuer finden würde, der ein Märchenprojekt im Königswinkel wiederbelebt - das ist äußerst fraglich.

So hängt das Schicksal des Theaters, das zwar an einem durchaus romantischen Ort, aber doch etwas abgelegen in der Landschaft steht, von einem Mann ab, der sich vor allem für Technik interessiert und in Bangkok lebt. Womöglich wird das Projekt gerade unter seiner rationalen Führung letztlich doch zum Erfolg. Damit am Ende nicht erneut in der Zeitung steht: "Der König ist schon wieder pleite."

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