Kultur:Das Augsburger Theater kann endlich saniert werden

Stadttheater Augsburg, 2016

Das Augsburger Theater musste vor vier Wochen aus Sicherheitsgründen für Besucher gesperrt werden. 2018 soll die Sanierung beginnen.

(Foto: Stefan Puchner)

Lange hat der Stadtrat über Ideen, Pläne und Kosten diskutiert. Für die Sanierung muss sich die Stadt stark verschulden.

Von Stefan Mayr, Augsburg

Es wäre wohl der schönste Balkon der Stadt geworden. Oberhalb der Frontfassade des Stadttheaters gelegen, mit mächtiger Balustrade versehen und einem prächtigen Ausblick über den Fugger-Boulevard bis hin zum Königsplatz. Diesen Balkon begehbar zu machen und vielleicht sogar mit einer Gastronomie auszustatten, hätte der anstehenden Sanierung des Großen Hauses quasi die Krone aufgesetzt.

Doch die Planer haben die Idee schweren Herzens verworfen. Grund: "Das würde zu viel kosten", sagt Baureferent Gerd Merkle. Ansonsten hat Architekt Walter Achatz allerdings etliche Vorschläge der Bürger in seine neuen Pläne eingearbeitet. In einer Sondersitzung hat der Stadtrat am Dienstagabend einen weiteren Schritt zur Sanierung gemacht. Wann, wie und wo geht es weiter mit dem Theater in Augsburg? Die SZ versucht, alle Fragen zu beantworten.

Warum ist diese Sanierung nötig?

Seit vier Wochen ist das Große Haus am Kennedyplatz aus Sicherheitsgründen für die Öffentlichkeit gesperrt. Mit der seit Jahren überfälligen Renovierung soll das denkmalgeschützte Gebäude nun endlich auf den aktuellen Stand in Sachen Brandschutz und Barrierefreiheit gebracht werden. Aber nicht nur das. In den öffentlichen Workshops zum Theater der Zukunft wurde immer wieder ein Wunsch laut: "Öffnet das Theater." Die Planer zeigen sich entschlossen, diese Forderung umzusetzen.

Wie wird das Theater danach aussehen?

Der Münchner Architekt Walter Achatz spricht von einer "Öffnung zum Stadtraum hin". Diese will er durch verschiedene Akzente herstellen: allen voran mit einem neuen Orchesterprobengebäude zwischen dem Großen Haus und der Brechtbühne. Dieses soll eine Besuchergalerie mit Platz für 100 Zuhörer haben. "Hier können Schulklassen wunderbar an den Proben und Aufführungen teilnehmen", sagt Achatz.

Zudem sollen künftig die Foyers des Großen Hauses öffentlich begehbar und bespielbar sein - erstmals unabhängig vom Theaterbetrieb auf der Bühne. Die Rede ist etwa von einem Aufenthaltsraum ("Treffpunkt") mit Leseecken und Wlan. Das heutige Intendanzgebäude hinter dem Großen Haus wird abgerissen und neu hochgezogen.

In dem Bau sind neue Gastronomieräume (Bar, Café, Restaurant) vorgesehen sowie eine neue Spielstätte. Das "Neue Haus", wie Achatz es nennt, kann flexibel bespielt und bestuhlt werden. Auch der Straßenverkehr im Umfeld des Theaters soll neu geregelt werden: Autos dürfen zwischen Großem und Neuem Haus nicht mehr fahren. Dadurch entstehen zwei Plätze mit Aufenthaltsqualität. Sie sollen das Viertel städtebaulich zu einer Art "Theater-Quartier" aufwerten.

Wie viel wird das Projekt kosten?

Die allererste Berechnung sah Kosten von weit mehr als 200 Millionen Euro vor. Walter Achatz musste seine Pläne zweimal abspecken, inzwischen kommt er auf 186 Millionen Euro. Der Freistaat beteiligt sich mit einem Zuschuss von 106 Millionen Euro an den Kosten. Den Rest muss die Stadt tragen und großteils über Kredite finanzieren. Das ist ein Kraftakt angesichts chronisch knapper Kassen. Die Tilgung wird gestreckt bis 2039. Pro Jahr werden - je nach Zinssatz - etwa vier Millionen Euro fällig.

Wie ist der Zeitplan?

Nach dem Grundsatzbeschluss können jetzt die Fachplaner ans Werk. Im Herbst folgt ein detaillierter Projektbeschluss. Sobald Genehmigung und Ausschreibungen abgeschlossen sind, könnten die Arbeiten Anfang 2018 starten. Diese sollen bis Ende 2022 beendet sein. Die Wiederaufnahme des Spielbetriebs ist zu Beginn der Spielzeit 2023/2024 vorgesehen.

Offen ist, wo während der Sanierung gespielt wird

Wo wird unterdessen gespielt?

Hier gibt es noch die meisten Fragezeichen. Die ersten zwei Opern der Spielzeit 2016/17 werden in der Schwabenhalle auf dem Messegelände gezeigt. Doch danach sind dort kaum mehr Termine frei. Auch das geplante Gastspiel im Bahnpark hat sich zerschlagen. "Zu teuer", sagt Kulturreferent Thomas Weitzel. Er hofft nun auf weitere Termine in der Kongresshalle. Zudem soll eine Gewerbehalle angemietet werden.

Die Verhandlungen laufen, es kursieren die Namen der Firmen Osram und Manroland. Aber sicher ist bislang nur: Die neben dem Großen Haus stehende Brechtbühne wird abgerissen, um Platz für den Neubau zu schaffen. Ihre Bühnentechnik soll teilweise im Ofenhaus des ehemaligen Gaswerks eingebaut werden. Dort wird 2018 eine Interimsspielstätte in Betrieb gehen. Auch der Name Brechtbühne könnte dorthin transferiert werden. Sobald das Große Haus fertig ist, darf die freie Theaterszene das Ofenhaus übernehmen.

Droht eine Kostenexplosion?

Planer Walter Achatz und die Stadtregierung sagen, sie könnten "nicht garantieren", dass die eingeplanten 186 Millionen Euro ausreichen. Sie beteuern aber auch, alle Eventualitäten einkalkuliert zu haben. So seien in die Endsumme bereits die Kosten für die Miete von Interimsbühnen sowie ein 25-Prozent-Puffer für Kostensteigerungen eingerechnet.

Architekt Achatz betonte am Dienstagabend auf Anfrage, die Kostensteigerung bei der Sanierung des Münchner Gärtnerplatztheaters sei nicht seine Schuld gewesen. Vielmehr sei sie durch nachträgliche Änderungswünsche der Politik verursacht worden.

Ist diese Sanierung überteuert?

Teile der Opposition kritisieren, dass die Stadt falsche Prioritäten setze. Wegen des Großprojekts Theater fehle künftig anderswo dringend benötigtes Geld etwa für Schulen oder das Römische Museum. Eine Bürgerinitiative sammelt deshalb Unterschriften gegen die geplante Neuverschuldung. Ein Bürgerentscheid könnte die Planung stoppen.

Wohl auch, um den Gegnern Wind aus den Segeln zu nehmen, hat der Stadtrat am Dienstag die Einrichtung eines Kontrollgremiums beschlossen. Dieses soll mit Bau- und Finanzexperten besetzt sein und sicherstellen, dass die Kosten nicht aus dem Ruder laufen. Die Stadtregierung betont, es werde nur das Allernötigste renoviert.

Wenn Probenräume vergrößert werden, dann habe das nichts mit Luxus zu tun, sondern mit der Einhaltung der Arbeitsstättenverordnung. Immerhin zeigt das Beispiel Stadtbalkon: Auf so manches schöne, aber teure Detail wurde tatsächlich verzichtet. Der Stadtrat stimmte dem Konzept mit 50:7 Stimmen zu, die Sanierung hat also Rückhalt über die Regierungskoalition hinaus.

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