Kulturreferent in Bayreuth, das muss ein Elysium sein. Überall kann man sich mit zwei weltweit beachteten Häusern für Musiktheater brüsten (Wilhelmines Opern- und Wagners Festspielhaus), und wenn es dann mal wieder knirscht, müffelt oder lodert am Grünen Hügel, dann darf man sich ungestraft auf ein "Also bitte, wir sind doch nur der kleine Gesellschafter dort oben" zurückziehen. Herrlich.
Soweit die Theorie. In der Praxis wirkte es vor der Kurz-Ära von Benedikt Stegmayer eher so, als müsse Bayreuth infrage kommende Amtsbewerber eigens mit Rheingold bestechen, ehe sich einer den Job in Oberfranken antut. Als die Amtszeiten für Bayreuths Kulturreferenten immer kürzer wurden, ein Interim dem anderen folgte, sich kaum noch einer den Überblick zu behalten in der Lage sah, wer zuletzt und wer aktuell für Kultur zuständig ist, da trieb es ein Bewerber 2019 auf die Spitze. Der Mann wurde offiziell zum neuen Referenten erkoren, betrat sein Amtszimmer aber kein einziges Mal und ergriff bereits die Flucht, ehe er auch nur ein Stündchen das Ansehen des zweifelsfrei famosen Kulturlebens von Bayreuth gemehrt hatte. Weltrekord!
Danach freilich schien das alles überstanden zu sein, danach nämlich übernahm Stegmayer das Amt - und der hat erst im vergangenen Dezember im SZ-Interview vorgeführt, dass er eine sehr konkrete Idee hat von seinem Job. Offenherzig gab er zu erkennen, dass Bayreuth beim Thema Erinnerungskultur Jahrzehnte verpennt hat. Legte aber ebenso glasklar dar, dass man nun in großen Schritten vorankomme beim geplanten Dokuzentrum für Ideologiegeschichte. Im Haus des Rassentheoretikers und glühenden Wagner-Verehrers Houston Chamberlain soll dieses - gleich neben dem Haus Wahnfried - seinen Platz bekommen und dort die ideengeschichtliche Bayreuth-Verknüpfung von Kunst, Kultur und Politik aufzeigen.
Ob er gute Nerven habe, wurde Stegmayer in dem Gespräch gefragt. Darüber könne man in ein paar Jahren nochmals reden, antwortete er. Und fügte - lachend immerhin - hinzu: "Vielleicht besuchen Sie mich dann in einer Heilanstalt."
Nun, dazu wird's nicht kommen. Keine vier Monate später nämlich teilte die Stadt Würzburg mit, Stegmayer habe sich dort als Kulturreferent beworben. Und übernehme das Amt demnächst.
Würzburg? Klar doch, hat auch ein Unesco-Kulturerbe. Ein Festival als Weltereignis aber haben sie dort nicht.
Und da kann man dann schon mal ins Grübeln kommen: Warum macht einer so etwas? Und während man noch grübelte, ist kürzlich der Kulturausschuss der Stadt Bayreuth zusammengetreten. Eigentlich schien's da eher um Formales zu gehen, ein Grundsatzbeschluss zum längst konzipierten Dokuzentrum. Niemandem schwante Ernsthaftes, auch dem OB und dem Noch-Kulturreferenten Stegmayer nicht. Am Ende aber stand eine Empfehlung des Ausschusses. Der will die Pläne für ein Dokuzentrum jetzt lieber doch nicht umgesetzt sehen: das Geld, das Risiko - und überhaupt!
Tot ist das Zentrum damit zwar noch nicht, über dessen Schicksal muss erst der Stadtrat entscheiden. Warum aber kaum jemand Kulturreferent in Bayreuth sein mag - davon hat man nun eine ziemlich konkrete Vorstellung.