Süddeutsche Zeitung

Kultur:29 Tänzer verlassen das Bayerische Staatsballett

  • Am Bayerischen Staatsballett stehen einschneidende Veränderungen bevor: Mit dem langjährigen Direktor Ivan Liska geht auch ein Großteil der Compagnie.
  • 29 Tänzer werden unter dem Nachfolger nicht mehr auf der Bühne stehen.

Von Eva-Elisabeth Fischer

Wirklich überraschend ist es nicht, aber die blanke Zahl ist dann doch niederschmetternd: 29 Tänzer werden das Bayerische Staatsballett nach Ende der Spielzeit 2015/2016 verlassen, wenn Ivan Liška nach 18 Jahren das Amt als Direktor der Institution an den russischen Tänzer Igor Zelensky, derzeit Ballettchef zweier russischer Ballettkompanien in Moskau und Nowosibirsk, übergeben wird. Das ist nahezu die Hälfte des Ensembles.

Zelensky, der erst zu Beginn der kommenden Spielzeit für Interviews bereit steht, hat die gesamte Kompanie bereits zum Ende der vergangenen Saison unter die Lupe genommen und dramatisch aussortiert. Seitdem wird spekuliert, wer bleiben kann und wer gehen muss. Namen durften aus rechtlichen Gründen sowieso nicht genannt werden, und die betroffenen Tänzer waren zu Stillschweigen verdonnert. Ein Tänzer, der bleibt, sprach von zwei Dritteln, die gehen müssen, Bettina Wagner-Bergelt, stellvertretende Intendantin Liškas, die bei Zelensky als Dramaturgin und Produktionsleitern weiterhin am Haus bleibt, erwähnte dagegen nur ein Drittel.

Am Dienstagnachmittag kam die euphemistische Meldung aus dem Pressebüro des Staatsballetts zu den "Veränderungen mit dem Spielzeitwechsel an der Spitze der Compagnie" mit sämtlichen Namen der in den allermeisten Fällen wohl nicht freiwillig ausscheidenden Tänzer: Daria Sukhorukova, Ekaterina Petina, Lukáš Slavický, Cyril Pierre, Zuzana Zahradníková, Katherina Markowskaja, Léonard Engel, Stephanie Hancox, Ilia Sarkisov und Maxim Chashchegorov werden in der kommenden Saison nicht mehr beim Staatsballett tanzen.

Aus dem Demi-Solo und Corps de ballet verabschieden sich Magdalena Lonska, Joana de Andrade, Martina Balabanova, Donna-Mae Burrows, Lisa Gareis, Nagisa Hatano, Julia Reid, Alisa Scetinina, Maud-Hélèn Treille, Ilenia Vinci und Marcella Zambon sowie Vittorio Alberton, Zoltan Mano Beke, Luca Giaccio, Ilya Shcherbakov, Olzhas Tarlanov und Shawn Throop.

Etliche Ensemblemitglieder hätten Engagements in anderen internationalen Kompanien angenommen, heißt es. Andere werden wohl als Ballettpädagogen oder Ballettmeister und Trainer arbeiten. Manche versuchen sich als freischaffende Künstler, einige von ihnen bei Richard Siegals just gegründetem, international angelegtem "Ballet of Difference" mit Sitz in München.

Die beiden Ersten Solisten des Bayerischen Staatsballetts Lucia Lacarra und ihr Ehemann Marlon Dino gehen bisher als einzige in die Offensive. Am vergangenen Montag verschickten sie einen offenen Brief an die Redaktionen, Zeugnis dafür, dass derlei Prozedere nicht unbedingt ohne Verletzungen vonstatten geht, mit folgendem Wortlaut: "Das Bayerische Staatsballett war für uns in den letzten 14 Jahren nicht nur Arbeitsplatz, sondern unsere Heimat . . . Wir waren immer wieder glücklich, in unser Theater, auf unsere Bühne, zurückzukehren. Nun haben wir die Entscheidung getroffen, eine andere Richtung einzuschlagen. Wir werden spannenden Projekten und Angeboten folgen, die unserer Karriere eine neue Ebene öffnen und die wir in Kürze verkünden werden", so Lacarra und Dino.

Es steht außer Zweifel, dass mit Igor Zelensky ein ziemlich steifer Ostwind in München einzieht. Tänzer seines Moskauer Stanislawsky-Balletts, dessen Leitung er beibehält, sollen künftig auch in München tanzen neben neuen Ensemblemitgliedern, die Zelensky bei internationalen Auditions ausgewählt hat und die die Lücken des bisherigen Staatsballetts schließen.

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SZ vom 25.05.2016/mmo
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