Kronach:Glückwunsch zum Nicht-Geburtstag

Cranach

Cranachs Venus mit Amor als Honigdieb, zu sehen in Kronach.

(Foto: Fränkische Galerie)

Kronach, Geburtsort Cranachs des Älteren, feiert ein Jubiläum ums Eck

Von Olaf Przybilla, Kronach

Und plötzlich kommen da also die Kampfweiber von Kronach um die Ecke, beschmeißen einen mit Gegenständen, die verdächtig nach Steinquadern aussehen, und teilen wohl nett gemeinte Hiebe mit dem Kochlöffel aus. Der Begriff "Weiber" ist an der Stelle politisch nicht nur korrekt, sondern im Gegenteil sogar gefordert. Alles andere empfänden die Damen als unmanierlich. Und dies deshalb, weil einem Obristen des schwedisch-protestantischen Heeres der Spruch zugeschrieben wird: "Die Kronacher kämpfen wie die Teufel, aber ihre Weiber sind neunmal schlimmer." Einer Chronik zufolge schürte das "Weibsvolck" Pfannen an, um die anstürmenden Schweden mit Heißwasser und ausgesuchten Pflastersteinen zu bedenken. Erfolgreich übrigens, die katholische Festung Kronach blieb über Jahrhunderte unerobert. Mitten im ziemlich protestantisch-fränkischen Kerngebiet.

Heutzutage dürften solche Überfälle vor allem ahnungslosen Gästen widerfahren, die von Tourismuschefin Kerstin Löw durch die fast vollständig erhaltene Altstadt geführt werden. Empfehlen kann man die Attacken schon deshalb, weil die Damen so gemütlich daherkommen, wie man das selten erleben darf. Was womöglich daran liegt, dass dem Frauenbund nur beitreten darf, wer mindestens fünf Neuntel Simmra auf die Waage bringt, ein spezielles Kronacher Getreidemaß. Es entspricht 86 Kilogramm, die Damen nennen sich auch "Pfundsweiber". Im großen Jubiläumsjahr haben sie gerade viel zu tun.

Das mit dem Jubiläumsjahr ist etwas um die Ecke gedacht, denn Jubiläum feiert eigentlich Cranach der Jüngere. Kronach aber ist der Geburtsort Cranach des Älteren. Dass Kronach mitfeiert, ist aber kaum zu bemäkeln, legte die Cranach-Werkstatt doch größten Wert auf eine Formensprache, ihr Werk verstand sich als gemeinsames Produkt. Der eigentliche Wermutstropfen, den die Stadtführer den Kronach&Cranach-Gästen beibringen müssen, ist das Wörtchen "fast" in der Formulierung "fast vollständig erhaltene Altstadt". Tatsächlich blieb Kronach in den letzten Kriegstagen verschont. Aber sämtliche Fachwerkhäuser überstanden die Neuzeit eben doch nicht. Dort, wo Cranach geboren wurde, steht heute das ästhetisch gewöhnungsbedürftige Rathaus. Lange habe man Gästen einen schmucken Fachwerkbau als Geburtshaus zu verkaufen versucht, sagt Löw. "Das aber ist historisch nicht haltbar." Schon ärgerlich.

Ein Besuch im Cranach-Jahr lohnt trotzdem. Erstens der tapferen Weiber von Kronach wegen, die dafür sorgten, dass die Fränkische Galerie heute in der unzerstörten Festung Rosenberg eine Bleibe hat. Zweitens wegen der dort soeben rundum erneuerten Präsentation von einem Dutzend Cranach-Werken. Und drittens wegen Alexander Süß, dem Museumsführer, der zu den Werken Cranachs und Riemenschneiders über ein nahezu enzyklopädisches Wissen verfügt. Unbedingt sehens- und hörenswert.

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