Kritik auch an Minister Bausback:Ein Kommissar spricht von Justizskandal

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Kriminalhauptkommissar Robert Mahler (rechts) mit seinem Anwalt Roland Weiler in einer Sitzungspause des Untersuchungsausschusses. (Foto: Andreas Gebert/dpa)

Robert Mahler, der im Landeskriminalamt gegen Ärzte und den Laborunternehmer Schottdorf wegen des Verdachts auf Abrechnungsbetrug ermittelte, erhebt im U-Ausschuss massive Vorwürfe gegen Beamte des Freistaats

Von Stefan Mayr, München

Dieser Vortrag hat es wahrlich in sich. Wenn alles stimmt, was Robert Mahler da erzählt, dann hat der Untersuchungsausschuss Labor noch viel Arbeit vor sich - und die Affäre Schottdorf weitet sich zu einer Affäre Justizministerium aus. Mehr als eine halbe Stunde berichtet der Zeuge, wie sich die Affäre Schottdorf aus seiner Sicht entwickelt hat. Der Kriminalhauptkommissar war beim Landeskriminalamt Mitglied in der Sonderkommission Labor, die gegen den Augsburger Laborunternehmer Bernd Schottdorf und mehr als 3700 Ärzte wegen des Verdachts auf Abrechnungsbetrug ermittelte. Der 33-Jährige spricht von einem "Justizskandal in mehreren Akten". Dann holt er zum Rundumschlag aus, bei dem er quasi keine Sparte der bayerischen Justiz auslässt.

Dem Justizministerium, namentlich einem hochrangigen Beamten, wirft er mehr oder weniger deutlich Rechtsbeugung vor, ohne den Begriff in den Mund zu nehmen. Der Staatsregierung wirft er vor, zwei parlamentarische Anfragen mit "Falschinformationen" beantwortet zu haben. Dem Generalstaatsanwaltschaft wirft er vor, das Ermittlungsverfahren gegen die Ärzte behindert zu haben. Dem aktuellen Justizminister Winfried Bausback (CSU) wirft er vor, dieser habe seine, Mahlers, Strafanzeige gegen einen Staatsanwalt just von diesem Beamten bearbeiten lassen. "Das kann ich bis heute nicht fassen", sagt Mahler, "das ist eine Missachtung des kleines Einmaleins des Rechtsstaates par excellence."

Er deutet auch an, dass die Politik in die Ermittlungen eingegriffen habe - wenn auch etwas verklausuliert: "Es gibt sehr wohl Anhaltspunkte für Schnittmengen mit der Politik." Damit spielt er auf Spenden Schottdorfs an die CSU und auf diverse Schriftsätze von dessen Anwalt Peter Gauweiler an. Mahler zitiert aus der Niederschrift eines Soko-Beamten. Demnach habe Schottdorf in einer Besprechung gesagt: "Es ist kaum etwas so spottbillig wie ein korrupter Politiker." Man müsse "nur eine Million in die politische Landschaft einfließen lassen", um sich "mühelos Milliarden-Beträge" verschaffen zu können.

Am meisten Kritik übt Mahler an der Staatsanwaltschaft Augsburg. Ihr wirft er ein "unglaubliches" Vorgehen vor. "Während in München ein Arzt zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wird, verjähren in Augsburg tausende gleichartige Verfahren." Mahler nennt das einen "eklatanten Bruch des Gleichheitsprinzips". Ihm zufolge sind "die meisten Täter davongekommen und haben es sich mit einem Glas Rotwein gemütlich machen können", während gegen ihn jahrelang wegen Verdächtigung Unschuldiger ermittelt wurde. "Wenn ich das alles sehe, ist das Wort Justizskandal noch ein gelinder Ausdruck."

Der Untersuchungsausschuss wurde eingerichtet, um den vermeintlichen Skandal aufzuklären: Wurde Druck von oben ausgeübt, damit Bernd Schottdorf und die anderen betrugsverdächtigen Ärzte nicht verfolgt werden? Wurden die ermittelnden Beamten gar mit unzulässigen Ermittlungsverfahren gegen sie überzogen, um sie letztlich auszubremsen? Robert Mahler beantwortet beide Fragen mit einem klaren Ja. So habe die Generalstaatsanwaltschaft sehr wohl mehrmals in das Verfahren eingegriffen. Der Ausschuss-Vorsitzende Alexander König entgegnet, es sei "doch Aufgabe" der Generalstaatsanwaltschaft, "auch leitend tätig zu werden" und sich "bei schwierigen Sachverhalten einzumischen". Ganz anders klang dagegen die Staatsregierung im Jahr 2010. In ihrer Antwort auf eine Anfrage der Grünen-Landtagsfraktion zur Affäre stellte sie fest: "Ein Eingriff in die Ermittlungen (...) fand und findet nicht statt. Die verfahrensrelevanten Entscheidungen wurden von den dafür zuständigen Staatsanwaltschaften getroffen." Diese Aussage bezeichnet Mahler als "Falschinformation".

Massive Vorwürfe erhebt Mahler auch wegen des Ermittlungsverfahrens, das gegen ihn geführt wurde. Dass dieses amtspflichtwidrig verlief, hat das Landgericht München in einem Zivilprozess bereits angedeutet, der Freistaat hat sich schon bereit erklärt, 4000 Euro Schadenersatz und Schmerzensgeld zu zahlen. Im Ausschuss berichtet Mahler, im Januar 2011 sei sein Dienstcomputer und der seines Kollegen Sattler "ohne richterlichen Beschluss" ausgelesen worden. Die "auf diese Weise illegal beschafften Emails" seien zuletzt dem Polizisten Sattler im Untersuchungsausschuss vorgehalten worden. Mahler: "Aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten halte ich das für sehr bedenklich."

Die mit Spannung erwartete Ausschuss-sitzung hatte mit einer Rehabilitation des ehemaligen Soko-Chefs Sattler begonnen. Der Vorsitzende König stellte klar, dass sich Sattler bei einer Durchsuchung nicht rechtswidrig verhalten hatte. Dies war ihm vor zwei Wochen im Ausschuss noch vorgeworfen worden - pikanterweise vom CSU-Abgeordneten Hans Reichhart, der einst für die Staatsanwaltschaft Augsburg tätig war. Auch wegen dieser Attacke beantragte der Grünen-Abgeordnete Ulli Leiner Reichharts Ausschluss - wegen Befangenheit. Der Antrag wurde abgelehnt.

Robert Mahler wurde bei weitem nicht so aggressiv ins Kreuzverhör genommen wie sein Kollege Sattler. Dennoch gab es Versuche, seine Vorwürfe zu entkräften. Dies gelang nicht wirklich. Die Vernehmung wird am Dienstag fortgesetzt.

© SZ vom 24.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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