Kritik an Zugverbindungen in Bayern:Politik setzt falsche Prioritäten

Zu langsam, zu teuer, zu umständlich: Das marode Schienennetz im Freistaat macht der bayerischen Wirtschaft zu schaffen. Die Unternehmen verlangen einen schnellen Ausbau und mehr Containerterminals. Investitionen würden nicht nur ihnen nutzen, sondern auch der Umwelt.

Ralf Scharnitzky

Streik im Güterverkehr

Knackpunkt: Die Bayerischen Industrie- und Handelskammern kritisieren das marode Schienennetz und fehlende Umschlagplätze.

(Foto: Marc Müller/dpa)

Bayerns Schienennetz ist marode! Muss man das den Politikern wirklich noch sagen? In Bund und Land sind die Schwachstellen und Knackpunkte hinlänglich bekannt, doch mit Verweis aufs fehlende Geld geht nichts voran. Trotzdem: Man kann das nicht einfach hinnehmen - vor allem dann nicht, wenn man die bayerische Wirtschaft vertritt. Denn die leidet massiv unter einer Infrastruktur bei der Bahn, die mit den rasanten Veränderungen in Industrie, Handwerk und Handel in den vergangenen Jahrzehnten nicht Schritt gehalten hat. Zudem ist Peter Driessen, Hauptgeschäftsführer des bayerischen Industrie- und Handelskammertages (BIHK), der Überzeugung: "Der Staat ist nicht arm. Das Geld wird nur falsch ausgegeben. Es müssen andere Prioritäten gesetzt werden."

Welche Vorrangigkeit Driessen für notwendig hält, machte er am Freitag bei der Vorstellung eines Positionspapiers deutlich: "Grundsätzlich muss der zügige Ausbau der bayerischen Schieneninfrastruktur hohe Priorität genießen. Dringliche Schienenprojekte dürfen nicht ständig in die Zukunft verschoben werden."

Vielen Firmen, die ihren Gütertransport gerne auf die Schiene verlagern würden, bliebe sonst nur der Lkw. "Der Unmut über die Verkehrssituation beflügelt inzwischen bei manchem schon Abwanderungsgedanken", weiß der BIHK-Chef. Es würde ein allgemeiner Konsens bestehen, dass eine größere Verlagerung auf die Schiene sowohl ökonomisch wie ökologisch notwendig sei: "Die derzeitige Straßeninfrastruktur ist nicht mehr in der Lage, den weiter anwachsenden Güterverkehr aufzunehmen."

Was sich die Wirtschaft wünscht

In der von den neun bayerischen Industrie- und Handelskammern in Auftrag gegebenen Broschüre "Für ein leistungsfähiges Schienennetz" sind alle aus Sicht der Wirtschaft benötigten Projekte aufgeführt. Darunter auch Verbindungen, die vor allem für Betriebe der bayerischen Schlüsselindustrie von großer Bedeutung sind. So müsse die Strecke München-Mühldorf-Freilassing, ein Teil der Magistrale für Europa von Paris nach Budapest, umgehend in Angriff genommen werden: "Für das bayerische Chemiedreieck ist dieser Ausbau unerlässlich."

Die Route steht seit 1985 im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplanes, der 2015 neu aufgelegt werden soll. "Deshalb müssen wir jetzt unsere Forderungen stellen", so Driessen. Sollte der Bund hier nicht reagieren, könnten die Arbeiten - wie von der bayerischen Bauindustrie vorgeschlagen - von Privatunternehmen finanziert werden. Des Weiteren sei die Elektrifizierung der Strecke Hof-Regensburg von großer Bedeutung, "um bayerische Güter wie Autoteile und Maschinen zu den Nordseehäfen transportieren zu können".

Mehr Nachfrage, schlechterer Service

Fakt ist, dass sich bei Ausbau und Erhalt des Schienennetzes ein riesiger Investitionsstau ergeben hat. Neu- und Ausbaumaßnahmen unterbleiben oder kommen nur schleppend voran. Driessen: "Dadurch kommt es gerade in Ballungsräumen und in und um Verkehrsknotenpunkten zu erheblichen Qualitätsproblemen und Kapazitätsengpässen im gesamten System."

Allein im Personennahverkehr sei die Nachfrage in den vergangenen Jahren um 30 Prozent gestiegen, das Streckennetz aber nicht entsprechend mitgewachsen. Konsequenz: Beim Güterverkehr, der auf den Personenverkehr Rücksicht nehmen muss, verlängern sich die Transportzeiten. "Dass sie unter diesen Bedingungen den Just-in-Time-Verkehr nicht von der Straße bekommen, liegt doch auf der Hand."

Aber nicht nur das veraltete und lückenhafte Schienennetz macht der bayerischen Wirtschaft zu schaffen. Auch für eine vernünftige Verknüpfung von Straße und Schiene fehlen die Containerterminals. Der Kombinierte Verkehr (KV) bietet die Möglichkeit, Container oder Lkw-Sattelauflieger über die Straße zu den Umschlaganlagen zu transportieren, um dann für die längere Distanz auf die Schiene umzusteigen. Nur: Wenn ein Lkw bis zu 100 Kilometer zum nächsten Umladebahnhof fahren muss, dann rechnet sich das nicht mehr - und der Transporteur lässt gleich die ganze Strecke auf der Straße zurücklegen. Driessen: "Alle Bürger fordern: Güter auf die Schiene. Aber kaum einer will einen Umschlagplatz in seiner Nähe." Der BIHK-Chef fordert eine schnellere Realisierung durch beschleunigte Planungsverfahren mit entsprechender Bürgerbeteiligung.

Für Karl Fischer vom Logistik Kompetent Zentrum in Prien, das die Studie erstellte, ist die Verkehrspolitik der Bundesregierung vor allem in Zeiten der Energiewende unverständlich: "Schiene ist doch E-Mobilität par excellence."

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