Kritik an Volksbefragungen:Juristen greifen Seehofers Pläne an

Plenarsitzung im Bayerischen Landtag

Der Plan von Horst Seehofer, Volksbefragungen in Bayern einzuführen, wird von zwei Juristen heftig kritisiert.

(Foto: dpa)

Horst Seehofer wünscht sich für Bayern mehr direkte Demokratie durch Volksbefragungen. Doch zwei Juristen bezweifeln, dass der Plan des Ministerpräsidenten zulässig ist - und bezeichnen ihn als verfassungsfeindlich.

Von Frank Müller

Gegen die von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) gewünschten sogenannten Volksbefragungen regen sich verfassungsrechtliche Bedenken: Zwei Rechtsprofessoren aus Osnabrück bezweifeln die Zulässigkeit von Seehofers Plan und bezeichnen ihn als Verstoß gegen die Verfassung. In der Landtagsopposition stoßen sie damit auf offene Ohren - das könnte die vom Ministerpräsidenten gewünschte rasche Einführung dieses neuen Instruments zumindest verzögern.

Die Volksbefragungen gehören zu den wichtigsten Neuerungen, die Seehofer unmittelbar nach der Landtagswahl für diese Legislaturperiode angekündigt hat. Mit ihnen will der CSU-Chef eine von ihm ausgemachte Lücke bei der direkten Demokratie im Freistaat schließen. In Bayern dürfen die Bürger zwar durch Volksbegehren und -entscheid Gesetze beschließen, sie dürfen aber kein Votum über große Bauvorhaben und andere Projekte abgeben. Das will Seehofer nun durch seine Befragungen ermöglichen. Allerdings sollen sie rechtlich unverbindlich sein und nur von Landtagsmehrheit und Staatsregierung gemeinsam eingeleitet werden dürfen.

"Kleiner Bonaparte a la Bavaria"

Vor allem letzteres hat bereits wütende Proteste der Opposition hervorgerufen. Sie fordert, dass auch eine Minderheit oder das Volk selbst eine solche Initiative starten können. Nun gehen die beiden Juristen aus Osnabrück einen Schritt weiter. Hermann Heußner und Arne Pautsch, beide Professoren für öffentliches Recht an der dortigen Hochschule, bezeichnen den Plan als klar verfassungsfeindliches "Plebiszit von oben".

Die CSU wolle mit ihrer eigenen Mehrheit ein Gesetz beschließen, das ihre eigene Macht verfestige, monieren die beiden in einem Beitrag für die Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht. Seehofer agiere damit "wie ein kleiner Bonaparte a la Bavaria", sagt Heußner zur SZ. Die beiden Autoren stört vor allem die Aushebelung der Minderheitenrechte. Die Regierung stärke sich dadurch selbst. "Da sie es in der Hand hat zu entscheiden, ob es zu einer Volksbefragung kommt, ist davon auszugehen, dass sie dies insbesondere tun wird, wenn mit Mehrheiten zu ihren Gunsten zu rechnen ist", schreiben die Professoren. Damit sei die Volksbefragung "ein zusätzliches Instrument des Machterhalts".

Spielraum vom Parlament werde "massiv eingeengt"

Etwas so Weitreichendes dürfe nur durch eine Verfassungsänderung eingeführt werden, warnt Heußner. Dafür wären eine Zweidrittelmehrheit im Landtag und eine Volksabstimmung notwendig. Die Staatsregierung hält dagegen eine einfache Gesetzesinitiative für ausreichend. Dass eine Volksbefragung nicht rechtlich verpflichtend sein soll, mache diese nicht besser, eher im Gegenteil, finden Heußner und Pautsch. In der Praxis werde sie nämlich ein so starkes Gewicht haben, dass sich die Politik kaum über sie hinwegsetzen könne. Damit werde der Spielraum von Regierung und Parlament "massiv eingeengt".

Diese starke Wirkung hatte auch Seehofer immer wieder herausgehoben, allerdings im positiven Sinne: "Da bräuchte man schon sehr gute Argumente, um sich über die Ergebnisse einer solchen Volksbefragung hinwegzusetzen." Bayern brauche ein solches Instrument, um zum "modernsten Bürgerstaat in Europa im 21. Jahrhundert zu werden". Doch auch in seiner CSU war die Begeisterung dafür nicht überschäumend. Die Zustimmung der Fraktion erhielt Seehofer nur durch die Zusicherung, sie in jedem Einzelfall zu beteiligen.

An diesem Donnerstag sollen die geplanten Abstimmungen nun im Rechtsausschuss des Landtags beraten werden. Ausschusschef Franz Schindler (SPD) wertet die Bedenken der Juristen als "beachtliche Position". Er will nun, dass vor einem Beschluss noch eine Anhörung von Experten stattfindet. Das werde die Beratungsdauer von Seehofers Projekt in jedem Fall verlängern, sagt er. Denn eine solche Anhörung darf die Opposition auch ganz alleine beschließen. Das ist in Bayern ein Minderheitenrecht.

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