Süddeutsche Zeitung

Kritik an Staatsregierung:Asylbewerber sollen ausziehen

Der Bayerische Flüchtlingsrat will, dass Flüchtlinge aus Sammelunterkünften ausziehen - damit neue untergebracht werden können. Er kritisiert die Landesregierung für das Festhalten an der Lagerpflicht. Die sorge erst dafür, dass viele Erstaufnahme-Lager überfüllt sind.

Von Dietrich Mittler, München

Zum Auftakt seiner "Lager-Inventur" hat der Bayerische Flüchtlingsrat die Staatsregierung aufgefordert, endlich Regelungen zu schaffen, die eine humane Unterbringung von Asylbewerbern ermöglichen. "Dieses sture Festhalten an der Lagerpflicht", sei die eigentliche Ursache dafür, dass die bestehenden Erstaufnahme-Einrichtungen in München und in Zirndorf hoffnungslos überfüllt seien. "Wenn wir nicht jetzt Flüchtlinge unbürokratisch aus den Lagern ausziehen lassen, werden wir es nicht schaffen, die neu eintreffenden unterzubringen", sagte Alexander Thal, einer der Sprecher des Flüchtlingsrates.

Viele der Asylbewerber, die in den Gemeinschaftsunterkünften bleiben müssten, könnten - so ist sich Thal sicher - bei bereits in Deutschland lebenden Familienangehörigen, bei Freunden oder in Wohngemeinschaften unterkommen. Stattdessen müssten sie oft fünf Jahre und länger, in einzelnen Fällen sogar seit mehr als 20 Jahren, in Sammelunterkünften leben, "ohne das Recht, ausziehen zu dürfen". Sie belegten dadurch Plätze, die nun dringend gebraucht würden.

Was die von der Staatsregierung angekündigten weiteren Erstaufnahme-Einrichtungen betrifft, prophezeit der Bayerische Flüchtlingsrat, dass auch diese bald schon wieder überfüllt sein werden - wenn sich Bayerns Asylpolitik nicht grundlegend ändere und dem Beispiel vieler anderer Bundesländer folge, in denen auch die noch nicht anerkannten Asylbewerber rasch und dezentral in Wohnungen unterkommen können.

Das Argument der Staatsregierung, dass in den Gemeinschaftsunterkünften viele lebten, die längst ausziehen könnten, wies der Flüchtlingsrat zurück: Bürokratische Hürden erschwerten dies massiv. "Die Menschen bleiben nicht da drin, weil es ihnen da so gut gefällt", sagte Thal kurz vor Beginn der "Lager-Inventur", bei der in den kommenden Tagen Asylunterkünfte in ganz Bayern aufgesucht werden.

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Quelle:
SZ vom 07.10.2014 / dm
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