Kritik an Akademie für Lehrerfortbildung:Dozenten mit drei Wochenstunden

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  • Bis zu 25 000 Lehrer nehmen an den Seminaren der Akademie für Lehrerfortbildung teil.
  • Der Oberste Rechnungshof kritisiert die Organisation der Arbeitszeiten an der Akademie.
  • Die Dozenten in Dillingen halten selbst nur wenige Seminare - nach Auffassung der Prüfer gibt es "großzügige und zum Teil rechtswidrige" Regelungen zur Arbeitszeit und für Extrastunden.

Von Martina Scherf, München

E-Learning und Inklusion, Fremdsprachendidaktik und Führungskompetenzen - an der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung in Dillingen (ALP) gehen Bayerns Lehrer zur Schule. Die Kurse sind beliebt, die Nachfrage ist groß, viele Lehrer buchen sogar in den Ferien Seminarwochen. Doch nun hat der Bayerische Oberste Rechnungshof (ORH) massive Kritik an der Einrichtung geübt. Die ALP führe "ein ausgeprägtes Eigenleben", die Dillinger Dozenten würden ohne Begründung Überstunden schieben, die Akademieleitung habe keinen Überblick über den Einsatz ihrer Lehrkräfte. "Das Ministerium muss sicherstellen, dass die organisatorischen Defizite bei der ALP beseitigt werden", so die deutliche Forderung der Rechnungsprüfer.

Im Zentrum der Kritik steht die Tatsache, dass die 45 haupt- und nebenamtlichen Dozenten selbst nur wenige Seminare halten, nämlich im Schnitt nur drei Wochenstunden. Gleichzeitig gebe es aber "großzügige und zum Teil rechtswidrige" Regelungen zur Arbeitszeit und für Extrastunden. Ein Dozent habe gar 793 Überstunden angehäuft. Dafür gebe es ein pauschales Zeitkonto, das neben dem regulären Arbeitszeitkonto geführt werde. Über all dies habe Akademiedirektor Paul Olbrich offenbar keine Übersicht, es gebe keine Dokumentation. "Dies ist schnellstmöglich zu korrigieren", fordern die Prüfer.

Das Kultusministerium weiß von den Zuständen

Olbrich selbst will sich zu den Vorwürfen nicht äußern und verweist an das Kultusministerium, seinen obersten Dienstherrn. Dort sind die Zustände offenbar seit Längerem bekannt. Das Ministerium habe deshalb schon im vergangenen Jahr einen Justitiar im Direktorium eingesetzt, der die Verwaltungsabläufe verbessern soll, erklärt Ministeriumssprecher Ludwig Unger. Auch die Arbeitszeitregelungen seien korrigiert worden: "An der Optimierung wird weiter gearbeitet."

Beim Einsatz externer Referenten nimmt Unger die ALP allerdings in Schutz. Dass Externe fast viermal so viele Seminare halten wie die eigenen Dozenten, liege in der Natur der Sache, betont er: "Wie soll es anders gehen?" Es sei unmöglich, dass die ALP-Dozenten selbst alle Themen abdecken könnten. "Zum Thema Schulrecht holen sie sich dann eben jemanden vom Ministerium, oder zur Inklusion einen Pädagogen von der Universität." Ein immer stärkeres Gewicht erhalte die Fortbildung für Schulleiter.

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Und für die Suche und Betreuung geeigneter Referenten, für die Planung und Nachbearbeitung der Seminare und die Umsetzung von Konzepten, die das Ministerium vorgebe, bräuchten die Dozenten der Akademie die nötige Zeit. Immerhin würden sie auch "den Sonderaufgaben für das Kultusministerium oder den kurzfristigen Zusatzveranstaltungen nachkommen", hatte ALP-Direktor Olbrich dem ORH mitgeteilt und den großen Einsatz seiner Mitarbeiter gerechtfertigt.

Bis zu 25 000 Lehrer aller Schularten besuchen die mehrtägigen Seminare zu allen Fächern (außer Religion und Sport) in der einstigen Jesuitenhochschule. "Sie sind froh, sich dort fern vom Zeitdruck und Schulalltag mit Kollegen aus ganz Bayern austauschen und über neue Entwicklungen unterrichten lassen zu können", sagt Unger. An der Akademie halte das Kultusministerium deshalb auf alle Fälle fest. Andere Bundesländer haben zum Teil nur noch regionale Fortbildungen.

Großer Andrang auf die ALP-Seminare

Klaus Wenzel, Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes, sagt, die ALP sei ein "attraktiver Lernort". Manche Kollegen würden sich seit Jahren für ein Seminar bewerben und kämen nicht zum Zug, weil es zu wenige Plätze gebe. "Jetzt kommt in allen weiterführenden Schulen der Lehrplan Plus, da braucht es begleitende Fortbildung." Er ist überzeugt, dass die ALP-Dozenten "keine 40-Stunden-Woche haben: Die müssen oft auch noch abends für die Seminarteilnehmer da sein".

Das sieht auch Karl-Heinz Bruckner, Vorsitzender des Bayerischen Direktorenverbands, so, der die Akademie "als Seminarteilnehmer und Referent" seit Jahrzehnten kennt. "Die Kritik kann ich nicht nachvollziehen", sagt er. Die Dozenten müssten nicht referieren, sondern Kurse konzipieren, wobei das Thema Personalführung immer wichtiger werde. Er schicke alle seine Seminarlehrer einmal im Jahr nach Dillingen, und sie kämen immer mit wertvollen Impulsen zurück.

Zum 40. Jubiläum 2011 hatte Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) der Einrichtung ins Gästebuch geschrieben: "Die Akademie ist die bayerische ENA der Lehrerfortbildung!" Ein typischer Spaenle-Superlativ. Offenbar sieht sich die Akademie aber auch selbst in der Nähe der französischen Elite-Verwaltungsschule: "Wir entwickeln uns weiter als hoch angesehene Bildungsinstitution für eine Verantwortungselite." Der ORH-Bericht könnte eine Erinnerung an diese Verantwortung sein.

© SZ vom 26.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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