Süddeutsche Zeitung

Unter Bayern:Selbst Kastanien fallen dem Sammelwahn zum Opfer

In der Not wird ergattert, was Wald und Wiesen hergeben - Pilze, Holz, Äpfel. Für schlechte Zeiten will vorgesorgt werden. Beobachtungen aus dem Krisen-Herbst.

Glosse von Katja Auer

Mit Krisen geht jeder anders um. Die eine verdrängt und tut so, als wäre nichts. Der andere wird aktiv, informiert sich, geht demonstrieren und tut irgendwas. Und wieder andere ziehen sich zurück - und sammeln.

Das war ja schon in der Corona-Krise zu beobachten, zunächst mit Klopapier und Hefe. Das war noch eine klassische Panikreaktion, weil das Zeug auf einmal nicht mehr zu kriegen war im Supermarkt, für ein paar Stunden wenigstens. Später wurde gehamstert, ein bisschen auch aus Langeweile. Kinos, Theater und Sportstudios waren zu, also verlegten sich viele Leute auf alte Fähigkeiten. Es wurde eingekocht und fermentiert, was Balkon, Garten und Wald hergaben, Bananenbrot gebacken und der Kartoffelanbau im Blumenkübel geprobt.

Aber jetzt, in der Energiekrise, da geht es nicht mehr um södergewollte Entschleunigung, um das Virus zu isolieren, jetzt geht es ums Geld. Wer jetzt sammelt, der will sparen. Ein Glück, dass die Schwammerl heuer sprießen und die Walnussbäume trotz der Trockenheit richtig vollhängen. Nur, wer was abkriegen will, der muss schnell sein.

Einen richtig guten Steinpilz-Platz würde ohnehin niemand verraten, aber heuer schon gar nicht. Immerhin präsentieren die Schwammerlfreunde ihre Erfolge in den sozialen Medien, samt Tipps zum Trocknen und Konservieren. Seht her, wir sind vorbereitet, soll das wohl heißen. Genauso werden Körbe voller Walnüsse hergezeigt, selbstgemachtes Hiffenmark, getrocknete Apfelschnitze.

Das Brennholz aus dem Wald ist eh schon gestapelt, längst klagen Waldbesitzer über dreiste Diebe. Sogar ein Kartoffelacker in Franken ist jüngst geplündert worden. Und Obstbaumbesitzer müssen bald Wache halten, wollen sie noch was von ihren späten Äpfeln abbekommen.

Jüngst hat eine ganz persönliche Untersuchung - die freilich keiner statistischen standhält - ergeben, dass selbst Kastanien zur Beute der Sammler zählen. Auch die Kastanienbäume tragen reich, aber darunter sind nur leere Schalen zu finden. Alles abgeräumt.

Aber wieso? Zum Basteln an den kalten Winterabenden? Um Waschmittel draus zu machen (das geht tatsächlich)? Oder um sie zu verkaufen? Für ein paar Cent pro Kilo kaufen manche Förster und Waldbesitzer Kastanien zur Wildtierfütterung. Oder weil man grad einfach sammelt, was so rumliegt.

Übrigens ist heuer auch ein Eichelmastjahr, von denen liegen noch ziemlich viele rum. Daraus lässt sich übrigens sowas wie Kaffee machen. Aber pssst....

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