Krippenplätze:Der Wille ist da, doch oft fehlts an Geld

Vor diesem Tag zittern die Kommunen in Bayern: In zwei Jahren tritt der Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz in Kraft. Doch noch gibt es nicht genug Betreuungsangebote. Jetzt schlagen die Gemeinden und Städte Alarm.

Christoph Giesen und Christian Sebald

Der Stichtag, vor dem sich viele Kommunalpolitiker in Bayern fürchten, ist der 1. August 2013. Denn von diesem Tag an haben Eltern einen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz für ihr Kleinkind. Können die Kommunen dann keinen Platz anbieten, brechen sie geltendes Recht.

Kinderbetreuung Kitas Krippenplätze

Vor allem in Ballungsräumen ist die Nachfrage nach Krippenplätzen hoch - der Bedarf liegt dort weiter über 35 Prozent.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Die Kommunen schlagen jetzt Alarm. "Wir Städte stehen zum Rechtsanspruch auf den Krippenplatz und tun unser Bestes", sagt der Nürnberger Oberbürgermeister und Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, Ulrich Maly (SPD). "Aber wir brauchen unbedingt mehr Unterstützung vom Bund wie vom Freistaat."

Malys Forderung: Auf einem neuen Krippengipfel sollen Bund, Länder und Städte entscheiden, wie sie den Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz erfüllen können. Zwar haben die Kommunen inzwischen mächtig aufgeholt. Immerhin gibt es jetzt bereits für ein Viertel der Ein- bis Dreijährigen Krippenplätze. Gleichwohl brennt es an allen Ecken und Enden. Eine Übersicht.

Quote

Durch die Medien geistert seit Jahren der Begriff der 35-Prozent-Quote. Wenn 35 Prozent der Kleinkinder einen Krippenplatz erhalten, dann sei das Gesetz erfüllt, lautet die landläufige Interpretation. Doch das ist nicht korrekt. Die viel zitierte Quote stammt aus einer repräsentativen Umfrage aus dem Jahr 2004. Damals wurden 1000 Eltern befragt, ob und wann sie ihr Kind gerne betreuen lassen würden. Das Ergebnis damals: 35 Prozent wollen ihre Kleinkinder in eine Krippe geben. Viele Städte in Bayern wie beispielsweise Ingolstadt, Regensburg oder Rosenheim planen deshalb mit dieser Quote.

Stadt-Land-Gefälle

Stadt-Land-Gefälle

Die 35 Prozent reichen in vielen Städten aber längst nicht mehr aus. Im Ballungsraum München wollen inzwischen mehr als die Hälfte der Eltern ihre ein- bis dreijährigen Kinder in eine Krippe geben. Olching (Kreis Fürstenfeldbruck) muss sogar für 70 Prozent der Kleinkinder Krippenplätze schaffen, um nicht mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten.

Auch Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) hat das Problem erkannt. Die Kommunen in den Ballungsräumen müssten mehr aufs Tempo drücken, fordert sie. Städtetags-Chef Maly beteuert, dass die Städte ihre Pflicht erfüllen wollen. "Aber wir werden das nicht bis 2013 leisten können", sagt er. "Wir brauchen ein Moratorium für den Rechtsanspruch, damit wir nicht mit Schadensersatz-Forderungen überzogen werden."

Anders sieht die Lage in Teilen Unterfrankens und der Oberpfalz aus, wo immer weniger Kinder geboren werden. Dort lässt sich der Bedarf an Krippenplätzen oft schon dadurch erfüllen, dass die Kindergärten das Eintrittsalter senken.

Betreuer

Betreuer

Ein halbes Jahr haben sie in Haar im Osten von München nach einer Kindergärtnerin gesucht, ein halbes Jahr fand sich niemand, der die Stelle antreten wollte. Sorgen wie in Haar gibt es überall in Bayern.

Durch den massiven Krippenplatzausbau werden mehr Kindergärtner gebraucht. "Viele wollen nicht mehr nach München pendeln und suchen sich lieber einen Arbeitsplatz in der Nähe ihres Wohnorts. Freie Stellen gibt es ja genug", sagt Jörg Obermaier. Er ist Kämmerer in Zangberg im Landkreis Mühldorf und kümmert sich um den Krippenausbau vor Ort.

Die kleine Gemeinde wird bis September 2012 elf neue Krippenplätze schaffen. "Wir wollen zwei Kinderpflegerinnen einstellen." Wie lange die Suche dauern wird, weiß er nicht.

Geldsorgen

Geldsorgen

Als Ursula von der Leyen (CDU) 2007 auf dem Krippengipfel den Betreuungsanspruch aushandelte, versprach der Bund den Kommunen finanzielle Unterstützung. Mit 4,2 Milliarden Euro fördert Berlin den Krippenausbau. 340 Millionen Euro davon flossen nach Bayern. Der Freistaat legte noch einmal 360 Millionen Euro drauf.

Allerdings müssen die Mittel bis Ende 2012 abgerufen werden. "Die Frist für die Schlussrechnung ist sehr sportlich", sagt Michael Keneder, Sozialdezernent in Rosenheim. Derzeit baut die Stadt für 22 Millionen Euro neue Krippenplätze. "Wenn wir die Frist verpassen, dann bekommen wir kein Geld dafür." Außerdem fordern die Kommunen zusätzliches Geld für den Bau weiterer Krippen.

Sehr viel mehr drücken die Städte und Gemeinden freilich die Betriebskosten für die Einrichtungen - also das Geld, das Personal, Miete oder Grundstückspacht, Heizung und Reinigung verschlingen. "Hier lässt uns der Freistaat völlig im Regen stehen", sagt Städtetags-Chef Maly. "Schon nach jetziger Rechnung beläuft sich unser Minus auf wenigstens 300 Millionen Euro - im Jahr."

Die Kommunen fordern seit langem, dass sich Bund, Länder und Kommunen diese Kosten dritteln. "Sonst", so Maly, "kommen wir auf keinen Fall hin."

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