Sie sehen die Türken als überlegene Rasse an, kämpfen für ein türkisches Großreich. Wer kein Türke sei, der solle lernen zu gehorchen. So heißt es in der rechtsextrem-nationalistischen Ideologie der Ülkücü-Bewegung, auch Graue Wölfe genannt. In Bayern gibt es sie schon länger. Bis jetzt organisierte sich die Bewegung in Kulturvereinen, verschleierte ihre radikalen Ansichten durch harmlos wirkende Folkloreveranstaltungen. Mittlerweile aber zeigen sich die türkischen Nationalisten martialischer: als Rockergangs.
Die Banden heißen Turan e.V. oder Turkos MC. Ihre Mitglieder tragen schwarze Lederkutten mit Aufnähern auf dem Rücken, darauf drei ineinandergreifende Sichelmonde und Sterne. Die Haare kurz, die Oberarme breit, auf der Brust die türkische Flagge. Die Sterne auf den Kutten symbolisieren ihren Rang in der Gang von Soldier über Secretary bis zum World President. Auch wenn Motorräder nicht unbedingt eine Rolle spielen müssen, gleichen sie Motorradgangs wie den Hells Angels oder den Bandidos.
Deutsch-türkische Kolumne "Die Isartürkin":Blond wie Atatürk
Der Gründer der modernen Türkei war blond, genau wie unsere deutsch-türkische Autorin. Wegen Erdoğan wünscht sie sich den "Vater der Türken" zurück. Dabei hatte Papa auch seine Fehler. Folge 1 der Kolumne "Die Isartürkin".
Sie haben eine ähnlich strikte Hierarchie, folgen ihren eigenen Regeln und schotten sich als Gruppe ab, wie es in einer Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage der Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze heißt. Rockergangs und die Ideologie der Grauen Wölfe passten durchaus zusammen, sagt Alia Sembol von der Fachinformation Rechtsextremismus München (Firm). Beide seien vom Bild des starken Mannes und der Nähe zum Militarismus geprägt. Gerade für jüngere Leute scheint die Ülkücü-Bewegung so wieder attraktiver zu werden.
Die Nähe zu den Grauen Wölfen erkennt man bei den Turan schon im Namen. Turan heißt das fiktive Land, in dem alle Türkvölker vereint leben sollen. Der Verein sei fast ausschließlich in München aktiv, heißt es in dem Schreiben des Innenministeriums. Ihre örtliche Gruppe sei sehr klein. Seit Anfang 2016 werden die Turan vom Verfassungsschutz beobachtet. Sie pflegten enge Kontakte zu einem Kulturverein, der zur rechtsextremen Ülkücü-Bewegung gehöre. Politisch motivierte Straftaten sind dem Innenministerium zufolge nicht bekannt.
Das gelte auch für die Turkos, deren 46 Mitglieder vor allem in München, Dachau, Neu-Ulm und am Tegernsee aktiv sind. Sie fielen vor allem durch "Gewaltdelikte gegen die körperliche Unversehrtheit" auf. Was das bedeutet, wurde kürzlich in einem Gerichtssaal in München deutlich. Angeklagt waren zwei vermutliche Turkos-Mitglieder, die einen Mann vor ihrem Vereinsheim in Dachau brutal zusammen geschlagen haben sollen. Von erheblichen Schmerzen und Hörstörungen auf einem Ohr war die Rede.
Verbindungen zur organisierten Kriminalität?
Dann aber relativierte das Opfer auf einmal seine Aussage. Die Faustschläge auf den Kopf, den Rücken, das Gesicht - es konnte sich nicht mehr daran erinnern. Zeugen, die die Tat bestätigen sollten, erschienen nicht. Einer, weil er angeblich an diesem Tag gestorben sei. Am Ende kamen die Angeklagten frei. Verbindungen zur Organisierten Kriminalität sehe der Verfassungsschutz bei Turkos nicht, heißt es in der Antwort des Ministeriums.
"Etwas zurückhaltend" sei diese Einschätzung, sagt Alia Sembol von Firm und verweist auf die "Verbrüderung" von Turkos und der Rockergang Osmanen Germania Ende 2016, die durchaus in Verbindung mit Organisierter Kriminalität gebracht werde. Auch das Innenministerium bestätigt das Treffen der zwei Organisationen. Die etwa 14 in Bayern aktiven Mitglieder des Boxklubs Osmanen Germania kämen vor allem aus Günzburg.
Auch sie seien türkisch-national eingestellt, aber nicht so radikal wie die Ülkücü-Bewegung. Seit 2016 berichte der Verfassungsschutz über die Gang im Kontext der Organisierten Kriminalität (OK). Teilweise betrieben Mitglieder Betäubungsmittelhandel, der zu den klassischen Bereichen der OK gehöre. Verbindungen zur typischen OK etwa nach Russland oder Italien bestünden laut Innenministerium aber nicht.
Musikvideo der Turkos gegen Kurden
Auch die Aussage der Behörden, dass es keine politisch motivierten Straftaten oder Verbindungen zur islamistischen Szene geben solle, sieht Sembol etwas anders. So demonstrierten die Turkos zusammen mit islamistischen Vereinen. Ein Musikvideo von ihnen richte sich eindeutig gegen Kurden. Auch traten sie zum ersten Mal bei einer anti-kurdischen Demonstration 2014 in Erscheinung. Die enge Verbindung der Turan zu einem Kulturverein der Ülkücü-Bewegung sei dem Verfassungsschutz ja bekannt.
Sembol sagt, sie habe durchaus den Eindruck, dass es auch über persönliche Bekanntschaften hinaus eine Verbindung gebe. Aus der Sicht von Grünen-Politikerin Schulze müssten die Sicherheitsbehörden ein stärkeres Augenmerk auf die Aktivitäten der Gangs legen. Vor allem die Verbindungen zur Organisierten Kriminalität erforderten "besondere Beachtung".