Kriminalfall Ursula Herrmann:Verdächtiger nannte Tod "Betriebsunfall"

Abgehörte Telefonate sollen die Tatverwicklung des möglichen Entführers und seiner Frau beweisen.

Stefan Mayr

Die Staatsanwaltschaft will dem verdächtigen Werner M. und seiner Frau Gabriele anhand von mitgehörten Telefongesprächen nachweisen, dass sie in die Entführung und den Tod der zehnjährigen Ursula Herrmann vor 27 Jahren verwickelt waren.

Kriminalfall Ursula Herrmann: In dieser Holzkiste, die in einem Waldstück bei Eching am Ammersee vergraben war, wurde die elfjährige Ursula Herrmann tot aufgefunden.

In dieser Holzkiste, die in einem Waldstück bei Eching am Ammersee vergraben war, wurde die elfjährige Ursula Herrmann tot aufgefunden.

(Foto: Foto: dpa)

Die Anklage stützt sich vor allem auf abgehörte Telefongespräche aus den Jahren 2007 und 2008 sowie auf ein Tonbandgerät, das im Oktober 2007 bei einer Durchsuchung der gemeinsamen Wohnung des Ehepaars in Kappeln in Schleswig-Holstein beschlagnahmt wurde.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung unterhielt sich das Ehepaar teilweise in Wir-Form über den Fall des Mädchens, das im September 1981 zwischen Eching und Schondorf entführt und später erstickt in einer Kiste gefunden wurde. In einem Telefonat habe Werner M. gesagt, der Tod des Mädchens sei "kein Mord" gewesen, sondern "ein Betriebsunfall", sagte ein Ermittler.

Außerdem erörterte das Paar mit einem möglichen Mitwisser die Verjährungsfristen für erpresserischen Menschenraub mit Todesfolge. Genau dies ist der Vorwurf, der dem Ehepaar in der Anklage gemacht wird. Allerdings fehlt trotz der neuen Indizien nach wie vor ein stichhaltiger Beweis, der das verdächtige Paar zweifelsfrei überführen könnte.

Ein zentrales Indiz der Anklage ist offenbar das Grundig-Tonbandgerät TK 248. Die Staatsanwaltschaft und eine Gutachterin gehen davon aus, dass bei den Erpresseranrufen von diesem Gerät die Bayern-3-Melodie abgespielt wurde, die der Entführer als Erkennungszeichen benutzte.

Nach Angaben aus Ermittlerkreisen wurde Ms. Behauptung, er habe das beschlagnahmte Gerät im Oktober 2007 viele Jahre nach der Tat auf einem Flohmarkt gekauft, widerlegt. Zu diesem Zweck führte die Polizei umfangreiche Recherchen auf dem betreffenden Flohmarkt in dem Ort Beverungen durch.

Auf der Suche nach dem Tonbandgerät

Dabei wurden 38 Personen befragt, die dort regelmäßig Handel treiben. Einige davon waren selbst auf der Suche nach einem Tonbandgerät - und sollen sich restlos sicher sein, dass an diesem Tag kein Tonbandgerät auf dem relativ kleinen Markt angeboten oder verkauft wurde. Offenbar wird der Flohmarkt meist von Stammverkäufern besucht, die einander bekannt sind. Einige von ihnen sollen Detailangaben des Angeklagten zu seinem vermeintlichen Kauf widerlegt haben.

Außerdem liegt offenbar ein technisches Gutachten vor, wonach die akustischen Gemeinsamkeiten zwischen den Bayern-3-Aufnahmen aus den Erpresseranrufen und dem Tonbandgerät kein Zufall sein können, sondern durch mehrere individuelle Defekte des Geräts begründet sind.

Ein weiteres abgehörtes Gespräch zwischen den Eheleuten M. im Auto auf der Heimfahrt nach einer Vernehmung im Jahr 2007 legt den Schluss nahe, dass sie bei der Befragung bewusst die Unwahrheit gesagt haben.

Ursula Herrmann wurde am 15. September 1981 entführt und in einer Kiste versteckt, die im Waldboden vergraben war. Dort erstickte sie bereits nach wenigen Stunden, ihre Leiche wurde 19 Tage später gefunden.

Werner M., 58, galt schon damals als Hauptverdächtiger, konnte aufgrund eines Alibis aber nicht überführt werden. Die Ermittler gehen inzwischen davon aus, dass das Alibi von M. in Gesprächen mit dem Freund und Mitarbeiter Armin W. sowie einem weiteren Bekannten konstruiert wurde.

Das Ehepaar M. zog 1982 aus Ursula Herrmanns Heimatort Eching am Ammersee fort, inzwischen wohnt es in Kappeln. Beide sind vorbestraft, er wurde wegen Betrugs und Urkundenfälschung, sie wegen falscher uneidlicher Aussage jeweils zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Die Staatsanwaltschaft Augsburg wirft Werner M. nun erpresserischen Menschenraub mit Todesfolge vor.

Seine Frau Gabriele M., 62, wird der Beihilfe bezichtigt: Sie soll die Erpresserbriefe hergestellt, die Buchstaben dafür aus der Bild-Zeitung ausgeschnitten und als Mitwisserin die Tat vertuscht haben.

Als Motiv gelten die hohen Schulden des Angeklagten Werner M.: Ihm wurde ein Jahr vor Ursula Herrmanns Entführung ein Kredit gekündigt, daraufhin verkaufte er seine Fernseh-Reparaturwerkstatt. Am Ende zweigte M. damals sogar illegal Strom von seiner Vermieterin ab, um Geld zu sparen.

Außerdem widersprachen die Eheleute M. offenbar in den jüngsten Vernehmungen ihren Angaben aus den Achtzigern - zum Beispiel bezüglich der Erpresserbriefe, die mit ausgeschnittenen Buchstaben aus der Bild-Zeitung angefertigt wurden.

Unmittelbar nach Ursula Herrmanns Tod betonte das Ehepaar, nie die Bild-Zeitung zu lesen. 2008 räumte Gabriele M. dagegen ein, ihr Mann habe damals regelmäßig die Bild gekauft.

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