Kratzers Wortschatz:Ein Schullehrer und 99 Bader

Auch wenn der Bader ein Allrounder war, wie man heute auf Neudeutsch sagt - getratzt wurde er dennoch gerne

Von Hans Kratzer

Bader

Die mittelfränkische Marktgemeinde Roßtal erhält für die Instandsetzung des spätbarocken Baderhauses 500 000 Euro aus dem Entschädigungsfonds des Freistaats Bayern. Das barocke Gebäude prägt mit seiner kunstvoll gearbeiteten Fachwerkfassade das Ortsbild von Roßtal. Das geschichtsträchtige Haus war einst eine Stätte der Heilung, handelt es sich doch um das Wohnhaus und die Praxis des letzten Roßtaler Baders. Früher war der Bader so etwas wie ein Landdoktor oder Wundarzt. Auf Neudeutsch gesagt war er ein Allrounder, er hat Blutegel gesetzt, Zähne gerissen und die Haare geschnitten. Heute nennt man nur noch den Friseur hin und wieder Bader, wobei oft die ironische Erweiterung Baderwaschl zu hören ist. Zum Einseifen benützt ein Friseur nämlich einen Waschl. Der Sprachwissenschaftler Anthony Rowley führt den Waschl hingegen auf den Namen Sebastian zurück. Baderwaschl werden, obwohl sie ein scharfes Messer in der Hand halten, gerne getratzt, was folgender Spruch belegt: "Baderwaschl hod koa Geld im Taschl!" Der Schriftsteller Eugen Oker (1919-2006) wollte niemals ein Bader werden. "Naa naa!" hat er gesagt, "a Schuilehrer und 99 Bader san 100 Narren."

Zuawaziager

Auf der Stil-Seite der SZ ging es am Wochenende unter anderem um die Qualität von Ferngläsern. Es wurden faszinierende Geräte vorgestellt, die bei der Beobachtung von Vögeln wertvolle Dienste leisten und ungeahnte Einblicke in die Natur ermöglichen. Eindrucksvoll ist auch, wie sich diese Erfindung in der Alltagssprache niedergeschlagen hat. Weil Ferngläser durch ihre Optik die Eigenschaft besitzen, Dinge näher ans Auge heranzuziehen, sie also zuara oder zuawa ziehen (zuher, nordbairisch: zouwa), nannte man die Geräte auf dem Land schlicht und einfach Zuawaziager (Zuaraziager). Auch die Variante Zuarazaara ist noch zu hören, in dem Sinne, dass das Gerät ein Bild heranzerrt. Manch alter Bauer sagt zum Fernglas dagegen Nowanziager, weil es eben das Bild näher (nowan) an ihn heranzieht. Gebräuchlicher ist aber die Form zuawa (zuara), die mehrdeutig verwendet wird. Über ein Kind, das fremdelt, sagt man: "Es traut sich ned zuawa!" Wenn man auf jemanden wartet und die Geduld schon strapaziert ist, wird der Ärger in folgende Frage gekleidet: "Warum kommt denn der ned zuawa?"

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