Kratzers Wortschatz:"Zeen blietschen" fürs Wahlplakat

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Politiker sind ja eine besondere Spezies. Und da kann es sein, dass sich zum Beispiel Merkel und Seehofer verhaltensoriginell in Szene setzen und damit extrig sind. Oder andere Volksvertreter einfach nur besonders gut aussehen wollen

extrig sein

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Innenminister Horst Seehofer (CSU) bekämpfen sich im aktuellen Asylstreit bis aufs Messer. Die führenden Kräfte der Unionsparteien werden als herausragende Dickschädel in die Geschichte eingehen. Im Bairischen gibt es für Menschen, die sich vernünftigen Vorschlägen trotzig widersetzen, die Formel setzig sein. Über ein Kleinkind, das sich vor lauter Trotz auf den Boden wirft, sagt man: "Mei, is der Bua heut wieder setzig!" Bei Mitgliedern der Bundesregierung ist davon auszugehen, dass sie das frühkindliche Stadium des Setzigseins bereits durchmessen haben und dass ihr Wesen durch diese Transformation gereift ist. Wenn sich Politiker trotzdem verhaltensoriginell in Szene setzen - etwa wie ein schlecht erzogener Fußballer oder eine schrille Filmtussi -, dann gelten sie im Volksmund aber nicht als setzig, sondern als extrig. Heißt es von einer Frau, sie sei eine Extrige, dann verkörpert sie das Gegenteil einer allerliebsten Person. Deutschland erlebt gerade einen Zwist von zwei extremen Extrigen, ein bisserl extrig aber sind wir doch eigentlich alle.

blietschen

Eine umtriebige Dame, die für den Einzug in den Landtag kandidieren will, gab neulich kund, sie habe gerade gar keine Zeit, sie müsse nämlich zum Zahnarzt, um sich die "Zeen blietschen" zu lassen. Zu deutsch: Sie wolle sich, um auf dem Wahlplakat vorteilhaft auszusehen, die Zähne bleachen lassen. Bleachen kommt vom englischen Verb to bleach und bedeutet: bleichen, weiß machen. Ähnlich wie manch anderer englische Begriff (cool, funny) klingt bleachen fast wie ein bairisches Wort. Ein hiesiger Ursprung ist gar nicht so abwegig. Immerhin gab es früher den Bleichanger, eine Wiese, auf der die Wäsche getrocknet und gebleicht wurde. Mithilfe von Bleichmitteln wurden Verfärbungen und Vergilbungen beseitigt. In der Straubinger Gegend existiert noch der Hausname Bleichschneider. Als die aus dem Anwesen stammenden Menschen einst ihrem Handwerk nachgingen, ahnte aber noch niemand, dass sich spätere Generationen statt der Wäsche lieber die "Zeen blietschen lassen".

© SZ vom 18.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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