Kratzers  Wortschatz:Wie aus dem Gott des Weines ein Bachl wurde

Die alten Griechen verehrten den Bacchus einst als göttliche Figur. Die Schwaben machten aus dem Bacchus einen Bachl, der nun als Schimpfwort herhalten muss

Von Hans Kratzer

Bachl

Kollege R. hat neulich in einer sehr lustigen Glosse im Bayernteil der SZ die Tücken des schwäbischen Dialekts und deren Auswirkungen auf die Beziehung zwischen Stadtverwaltung und Bürgern erörtert. In dieser Abhandlung kam unter anderem das Wort Bachl zur Sprache, dessen Auflösung der Kollege allerdings schuldig blieb. Vielmehr gab er dem Leser als Aufgabe mit, selber herauszufinden, was der Begriff Bachl bedeute. Um Hilfestellung zu leisten, seien hier einige Lösungsversuche angeboten, die sich im Wesentlichen auf das von Brigitte Schwarz verfasste Dialektwörterbuch von Bayerisch-Schwaben stützen. Demnach versteht man unter einem Bachl (Bachel) in Städten wie Nördlingen, Memmingen, Kempten und Oberstdorf einen einfältigen, geistig zurückgebliebenen Menschen. Im Westallgäu gilt zudem eine rundliche, kleine Person als Bachl, während in Pelzheim ein grobschlächtiger, unbeholfener Mensch so bezeichnet wird. In Entringen wiederum ist eine hausbackene, altmodische Frau ein Bachl: "Si ischt wool a weng a Bachala, aaber sooscht ganz rät!". In Obergünzburg und Altusried gilt Selbiges für ein dickes, pausbäckiges Kind: " Dös ischt a Bachele!" Schwarz stellt einen Bezug zur Figur des Bacchus her, dem griechischen Gott des Weines. Auch der wurde ja häufig als eine beleibte, plumpe Gestalt dargestellt.

die Schneid

Ein frisches Lob gebührt der Autorin Petra Herrmann, die in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift MUH ein Porträt der Darstellerin Ilse Neubauer verfasst hat. Aufmerksamkeit verdient vor allem ihr Urteil, Neubauer sei eine Frau, "die sich nicht die Schneid abkaufen lässt." Dass Angehörige der schreibenden Zunft davon Abstand nehmen, "der Schneid" zu schreiben, ist selten geworden. Bei aller Sprachsensibilität, die der moderne Journalismus mahnend vor sich herträgt, geht er in diesem Fall dennoch wie eh und je dem alten preußischen Militarismus auf den Leim, nur will das fast niemand wahrhaben. So wird regelmäßig "der Schneid" ins Spiel gebracht, wenn Tugenden wie Mut, Tatkraft und forsches Auftreten zum Ausdruck kommen sollen. Trotzdem ist der Ausgangspunkt des Begriffs immer noch die Schneide des Messers oder der blanken Waffe, es muss deshalb "die Schneid" heißen. Die maskuline Form, die sich im Standarddeutschen durchgesetzt hat, ist falsch. Doch hat sich das Standarddeutsche auch hier gegen das Südhochdeutsche durchgesetzt. Preußische Truppen hatten wohl im Krieg von 1870/71 zum ersten Mal gehört, sie sollten sich nicht die Schneid abkaufen lassen. Dass trotzdem alle der Schneid sagen, ist dem alten Bismarck zu verdanken, der eine Kriegsführung "mit vollem Schneid" gefordert hatte.

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