Einsperrhaus
Uli Hoeneß, der Präsident des FC Bayern, ist in die Kritik geraten, weil er bei einem Vortrag in Liechtenstein beklagt hatte, er sei der einzige Deutsche, der eine Selbstanzeige gemacht habe und trotzdem ins Gefängnis kam. Ob seine Rede nun klug war oder nicht, für diese Kolumne ist allein die semantische Komponente dieses Falls interessant. Hoeneß saß ja wegen Steuerhinterziehung eine Haftstrafe in der Justizvollzugsanstalt Landsberg ab. Das sperrige Wort Justizvollzugsanstalt hat die früheren Begriffe Gefängnis und Zuchthaus verdrängt. Sitzt aber ein Täter in einer Justizvollzugsanstalt ein, so sagt man immer noch wie einst in der Zuchthaus-Ära, er sei eingesperrt oder eingekastelt (eikastlt). In der Fernsehserie "Rosenheim Cops" klagte ein Verdächtiger: "Jetzt wollts mi wegen Mord eikasteln!" Ein weiterer Begriff für Justizvollzugsanstalt lautet Einsperrhaus. Er war in jener Zeit gebräuchlich, in der sich laut dem Bund Bairische Sprache folgende Episode zugetragen hat. Demnach wurde ein Bayerwäldler in einem Amt gefragt, aus welchem Bezirk er herstamme. Der Befragte verfügte nur über rudimentäre Geografie-Kenntnisse, weshalb er hilflos anmerkte: "Des woas i ned, owa eigsperrt wern ma z'Mitterfels!" Das Mitterfelser Einsperrhaus ist seit 1982 zum Heimatmuseum mit original Gefängniszellen umgewidmet. Das berühmteste Einsperrhaus aber ist jenes in Straubing, das sogar den Münchnern stets Respekt einflößte. Man höre sich nur einmal das Lied an, das einst der alte Kraudn Sepp darüber sang: "Denn die da drinnen sitzen, die schaun so traurig aus, das ist das teure, teure: Laßts mi aus!"
Greinmeicherl
Die Fürther Klamaukfiguren Waltraud und Mariechen, dargestellt von Martin Rassau und Volker Heißmann, pflegen auf der Bühne einen derben Humor. Kürzlich sind sie mit dem Bayerischen Dialektpreis ausgezeichnet worden. Solchermaßen motiviert, zitierte Waltraud neulich in einer Fernsehshow das schöne fränkische Wort Greinmeicherla. Darunter versteht man einen weinerlichen Menschen. Im Bairischen gibt es dafür den Begriff Trenzerbeidl. In Greinmeicherla ist das Verb greinen (weinen) versteckt. Dieses ist auch in Lena Christs Lausdirndlgeschichten von 1913 zu finden: "Großvata! Was greinst denn a so?" In Franken ist gelegentlich noch die ironische Aufforderung zu hören: "Etz grein halt a weng!" Ein Meicherla ist übrigens ein Kopftuch.
Eierpecken
Ein beliebter Osterbrauch ist das Eierpecken, das Oarbecka, wie viele Altbayern sagen. Der Volkskundler Franz Xaver von Schönwerth beschrieb dieses Spiel vor 120 Jahren so: "Zwei stoßen die Eyer aufeinander, zuerst Spitz auf Spitz, dann Spitz auf Arsch oder umgekehrt. Wessen Ey bricht, verliert es an den anderen." Ein Kombattant schlägt also mit der Spitze seines hart gekochtes Eis gegen das Ei seines Gegners. Sieger ist derjenige, dessen Ei zuletzt ohne Bruchstelle bleibt. In der Oberpfalz wird das Spiel "Oierhiartn" genannt. Natürlich ist bei diesem Wettbewerb, der auch in Österreich, im Rheinland und sogar in Russland populär ist, immer wieder getrickst worden. Besonders Schlaue haben ihre Gegner mit unzerbrechlichen Gips- oder Pecheiern getäuscht. Dass auch das Eierpecken dem Sprachwandel unterliegt, bewies in diesen Tagen der heimatliche Radiosender Bayern 1. Einer seiner Moderatoren stellte den Brauch als Eiertitschen vor. Dieses Wort war bisher überwiegend weit nördlich von Bayern gebräuchlich, aber nicht in jenen Regionen, in denen seit jeher von Oarbecka, Oierhiartn oder Oierstoußn (Oberpfalz) die Rede ist. Nur in einzelnen Gegenden in Österreich ist gelegentlich das Verb tuatschen zu hören.
Schnackler
Vor Wochen hat sich so manches Blatt über Sarah Connors jüngsten Sohn Gedanken gemacht, besser gesagt über seinen Vornamen, der einem gesteigerten Level der Absurdität und des Nicht-Aussprechen-Könnens zugeordnet wurde. Nach Tyler Marc, Summer Antonia Soraya und Delphine Malou nun also Jax Llewyn, hieß es. "Ein Name wie ein Schluckauf", resümierte eine Rezensentin. Dazu passt hervorragend die Entsprechung, die der Schluckauf in Bayern hat. Das Wort heißt Schnackler. Der Sprachforscher Anthony Rowley bezeichnet es als onomatopoetisch, weil es laut- oder klangnachahmend ist. Es versucht also lautmalerisch das Schnackeln nachzuahmen. Analog dazu sagte man einst zur Spielzeugpistole Schnacklbix und dem Klappmesser entsprach das Schnacklmesser. Früher hatten nur die Großbauern schwere Bulldogs, während für die Häusler und Kleinbauern ein Schnackler ausreichte, ein bescheidenes Gefährt mit dem typischen Klang des Zweitakters. Die Schwaben nennen den Schnackler Häcker oder Hesch, die Franken sagen Hätscher.
hock ei
Der 1935 geborene Anton Bartl aus Graseck bei Garmisch-Partenkirchen gilt als eine Legende der echten Volksmusik. Zusammen mit seinem mittlerweile gestorbenen Bruder Sepp prägte er viele Jahrzehnte lang die Volksmusikszene im Werdenfelser Land. In einem Film auf seiner Facebookseite erzählt Bartl eine lustige Geschichte aus der Nachkriegszeit. Sie lehrt uns, dass es im modernen Sprachengemisch leicht zu Missverständnissen kommt, wenn man nicht genau hinhört. Anton Bartl begegnete damals einem amerikanischen Besatzungssoldaten, der mit einem Jeep unterwegs war. Nachdem dieser den jungen Mann kontrolliert hatte, sagte der Soldat "Okay", um Bartl zu bedeuten, dass er nun gehen könne. Doch auf Partenkirchnerisch klinge Okay halt wie "hock ei", sagt Bartl, und so verstand er es damals auch. Die dem südbairischen Idiom entlehnte Aufforderung "hock ei" bedeutet in diesem Fall: Setz dich herein in meinen Wagen. "I ha ma denkt, jetz muas i eihockn", erzählt Bartl. "Und i bin eighockt." Das heute zum Allerweltswort gewordene Okay war damals in Bayern kaum bekannt. Der amerikanische Soldat aber schaute den Fahrgast missbilligend an. "Na bin i hoid wieder aussa!", erinnert sich Bartl. "I hob dacht, der fohrt mi etz hoam!" Eine Frau ergänzt diese Geschichte auf Bartls Facebookseite mit der Freistil-Übersetzung der Sentenz "Es is ma wurscht": "It's me sausages!"
Minga
Der Kabarettist Sigi Zimmerschied hat am Sonntag in München den Karl-Valentin-Preis erhalten. Neulich sagte der gebürtige Passauer in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung, er sage München und nicht Minga. "Minga ist für mich ein oberbayerischer Begriff", fuhr Zimmerschied fort. "Und wir Niederbayern sagen, wahrscheinlich aus einem Minderwertigkeitskomplex gegenüber Minga heraus, immer München." In Wirklichkeit aber sagen viele Niederbayern und Oberpfälzer nach wie vor Minga. Karl Krieg, Mitherausgeber der Passauer Literaturzeitschrift Pegasus, schätzt, dass die Hälfte der Passauer Minga sagen: "Minga ist schon noch recht gebräuchlich." Draußen auf dem Land (Untergriesbach, Wegscheid, Hauzenberg) sei Minga dominierend. Er selber sage eher München, erklärte Krieg. Als Jugendlicher habe auch er eher Minga gesagt. Entscheidend sei oft, in welchem Umfeld man rede: am Stammtisch oder in der Kommissionssitzung. Der Bund Bairische Sprache sieht im Falle München/Minga Parallelen zu San Francisco, wo die Menschen außerhalb der Stadt Frisco sagten, in der Stadt selber aber San Francisco. In München selber sagt kaum jemand Minga, im oberbayerischen Umland ist das Wort umso häufiger zu hören. Eine BR-Moderatorin erzählte, sie habe im Voralpenland eine Thailänderin getroffen. Diese habe ihr erklärt: "I muas auf Minga, an Ingwa kaffa."
Helf dir Gott!
Eine Kollegin hat neulich am Newsdesk der SZ mehrmals kräftig niesen müssen. Gerne wünscht man in einem solchen Fall Gesundheit. Der im Layout tätige Kollege Speedy reagierte mit dem in seiner Heimatstadt Landshut gebräuchlichen Wunsch: "Helfdagod!" (Helf dir Gott!). Die Kollegin schaute etwas ratlos, vermutlich hatte sie das noch nie gehört. Manchmal wird der Wunsch erweitert durch die Formel: "Helfdagod, dass wahr is!" Der Zusatz "dass wahr is" kann auch die Antwort des Niesenden sein. Ein interessanter Hinweis findet sich in Zehetners Lexikon "Bairisches Deutsch": Demnach galt das Niesen als ein Anzeichen, dass sich jemand mit der Pest angesteckt hatte. Man empfahl daher die niesende Person der besonderen Hilfe Gottes. Für das Verb niesen ist in manchen Regionen Altbayerns das Synonym reißen bekannt. Es ist bildkräftig, denn beim Niesen wird plötzlich und laut viel Luft aus der Nase ausgestoßen. Nach dem befreienden Hatschi heißt es dann: "Jetzt hods di aber sauber grissen!" Dies bestätigt auch die im Rottal beheimatete Steinbildhauerin Margit Orlogi: "Wenns uns reißt, dann sagen wir Gsundheit", hat sie uns als Reaktion auf die in dieser Kolumne vorgebrachten Erörterungen zum Ausruf "Helf da Gott!" mitgeteilt. Laut Orlogi beantworten alte Rottaler den Wunsch "helfgod" mit "senggod". Das bedeutet: Segne dich Gott! Mehrere Leser wiesen außerdem auf eine beliebte Erweiterung des Spruchs hin: "Hejf da God in Himme nauf, wannsd owa foist, kimmst nimma nauf!" Christian M. Köhler schrieb darüber hinaus, es greife zeitlich zu kurz, den Ursprung des Spruchs "Helf da Gott" in der Pestzeit zu vermuten. "Schon in der Antike waren die Griechen der Auffassung, dass, wenn etwa in einer Versammlung einer nieste, das als eine Bestätigung der Götter für das eben Gesagte anzusehen sei", schreibt Köhler.
Blunzn
Der rührige Verein zur Förderung des Ansehens der Blut- und Leberwürste hat seinen Mitgliedern kürzlich deftige Schlachtschüsseln serviert. Allein die Namen der dort verzehrten Schmankerl würden ein kleines Wörterbuch füllen. Die Blutwurst ist zum Beispiel auch unter den Namen Blunzn (Blunze) und Röselwurst bekannt. Vermutlich hängt das Wort Blunzn mit dem mittelhochdeutschen Verb blunsen (aufblähen) zusammen. In Österreich ist die Blunzn überaus populär. Sogar in Helmut Qualtingers berühmtem Theatermonolog "Der Herr Karl" (1961) wird sie zitiert: "Neilich hob i a Schlachtplatten gessen: Schweinsbraten, Blunzen, Bratwürstl, Leberwurst, Kraut, Knödl . . ." Umgangssprachlich hat die Blunzn auch viele andere Bedeutungen. Eine dicke, schwerfällige Person wird gerne als Blunzn beschimpft. Auch ein schlecht aufgepumpter, aus allen Nähten gehender Fußball hieß früher Blunzn oder Blodern. Also in jenen Zeiten, in denen die High-Tech-Bälle von heute eine Utopie waren und die Buben in ihrer Not mit Schweinsblasen (Blunzn) bolzten, die sie zuvor mit Wasser befüllt hatten.
schmeißen
Der österreichische Skirennläufer Klaus Kröll hat seit 15 Jahren keine Weltcup-Abfahrt verpasst. "Natürlich schmeißt es dich mal", hat er in einem Interview verraten. "Aber bis zum nächsten Rennen war ich wieder fit." Das von Kröll verwendete Verb schmeißen steht in keinem hohen Ansehen, hat aber eine interessante Geschichte. Schon im Mittelhochdeutschen gab es das Verb smizen, es bedeutete streichen, schmieren. Außerdem heißt schmeißen werfen, und zwar im aktiven wie im passiven Sinn. Man kann einen Ball schmeißen, es kann einen aber auch selber schmeißen. Zwei Beispiele: In der TV-Serie "Der Kaiser von Schexing" sagt der reizbare Kämmerer Nels (Gerd Anthoff) über eine Mutter, die in seinem Büro ein Baby stillte: "De schmeiß i jetza hochkant naus!" Die im Nationalpark Berchtesgaden tätige Rangerin Monika Lenz erklärt in einem Interview, sie habe bei Führungen stets ein Verbandszeug dabei, "wenns oan schmeißen daad!"
Valentin
Der Valentinstag (14. Februar) gilt als Tag der Liebenden, gerne werden Blumen verschenkt. Aber nicht nur Verliebte und Floristen neigen an diesem Tag zum Ausflippen, sondern auch die Moderatoren in den Fernseh- und Hörfunkstudios. Leider klingen deren Schwärmereien allzu schräg: Selbst beim Bayerischen Rundfunk und beim ORF wird der Name Valentin total vermurkst. In Bayern und in Österreich wird der Name Valentin traditionell mit F ausgesprochen: Falentin! Im Medienbetrieb hat sich nun aber die Aussprache Walentin (Walntin) durchgesetzt, was überhaupt nicht zu diesem Namen passt. Walntin ist eine Beleidigung für die Ohren. Es kommt noch schlimmer. Immer mehr Schulkindern ist der Name Valentin fremd. Erschreckend viele faselten heuer vom Walen-Dienstag. Gut, dass der Volkssänger Karl Valentin (1882-1948) dieses Elend nicht mehr erleben muss. Er hätte seinen Namen niemals mit W ausgesprochen. Man sage ja auch nicht Water für Vater oder Weilchen für Veilchen, sagte er. Im Volksglauben gilt der Valentinstag als ein Tag, an dem manches auf den Boden fällt: "Ich glaub, heut ist Fallentin!", heißt es dann, analog zur Lautgleichheit von fallen und Fallentin. Nicht umsonst ist der heilige Valentin der Patron gegen die Fallsucht respektive Wallsucht.
damisch
Am Sonntag stand München im Zeichen des Faschingszugs der Damischen Ritter. Dieses gedämpfte Schimpfwort ist unter anderem zu hören in dem Film "Die Jugendstreiche des Knaben Karl" aus dem Jahr 1977, in dem der Gerichtsvollzieher als damischer Ritter gescholten wird. Das Adjektiv damisch (das a wird dabei hell gesprochen) steht für dumm und dämlich oder auch für schwindlig. Liesl Karlstadt schrieb einst in ein Gästebuch unter den unleserlichen Eintrag von Karl Valentin: "Ich bin nicht ganz so damisch wie er, / drum schreib ich etwas deutlicher." In Bayern wird damisch oft verknüpft mit dem Schimpfwort Depp: "Depp, damischer!" Der Sprachwissenschaftler Hans Ulrich Schmid vermutet den Ursprung im mittelhochdeutschen Wort toum (Nebel, Rauch), auch wegen des typischen Wandels von ou zum bairischen a vor dem Konsonanten m. Die Urbedeutung von damisch ist demnach: benebelt.
Freibierlätschn
Weil die Paulaner Brauerei die insgesamt 40 Mitglieder des Wirtschafts- und Planungsausschusses der Stadt München nicht zum heurigen Starkbierspektakel auf den Nockherberg eingeladen hat, machte so mancher Stadtrat seinem Ärger über die Nichtberücksichtigung etwas zu laut Luft, jedenfalls nach dem Geschmack derer, die nicht zu den Großkopferten zählen. Im Münchner Merkur merkte ein Leserbriefschreiber an, er teile mit den armen Stadträten "dieses schwere Schicksal. Ich wurde auch nicht zur Verleihung des bayerischen Filmpreises eingeladen und wahrscheinlich werde ich auch zur Bambiverleihung wieder keine Einladung bekommen", schrieb er und hängte die Frage an: "Warum fällt mir in ihrem Fall das schöne alte bayerische Wort Freibierlätschn ein, ich weiß es nicht?" Er wusste es natürlich schon, denn Politiker stehen ja von Haus aus unter Freibierlätschn-Verdacht. Eine Freibierlätschn ist frei übersetzt so etwas wie ein Schnorrer, einer, der am liebsten dort auftaucht, wo es Freibier gibt. Das Wort Lätschn hängt mit dem Adjektiv lasch zusammen, das wiederum verwandt ist mit dem englischen lazy (faul, träg). Gerhard Polt lästerte einmal über den Frühsport im Fernsehen: "Wos de für a Lätschn ziang; a soichas Gfries. Des gibt's ja ned, dass Gsundheit so traurig macht."
Guggan
Kollegin A. hat am Wochenende einen Abstecher in ihre Heimat Oberpfalz gemacht, was für diese Kolumne ein Segen ist, weil sie daheim immer interessante Wörter aufschnappt. Diesmal war es der Begriff Guggan. Eine Guggan ist das, was im Bayerischen Wald eine Rogel ist und in Teilen Ober- und Niederbayerns die Stranitzn oder das Starizerl. Also eine Papiertüte, ein prima Gebrauchsartikel aus einer Zeit, in der die Ware im Kramerladen noch nicht in müffelnde Plastiktaschen, sondern in reißfeste braune Spitztüten eingepackt wurde.
Aufstreichen
Georg Maier, Chef der Münchner Iberl-Bühne, hat vor wenigen Tagen im Bayerischen Rundfunk erzählt, wie er als Bub einmal von seinem Vater eine Watschn bekommen hatte, obwohl dieser ein friedliebender Mensch war. Sie hätten sich zwar gut verstanden, sagte Maier, aber in seiner jugendlichen Rebellenzeit habe er vom Vater "zwoamoi oane aufgstricha kriagt". Das Partizip aufgstricha (aufgestrichen) bringt zum Ausdruck, dass er sich eine Watschn einfing, eine Ohrfeige. Maier gab zu, dass er sich diese Watschn redlich verdient hatte und dass sein Vater und er danach "gwoant" hätten, die Züchtigung hatte beiden wehgetan. Aufstreichen bedeutet eigentlich, Butter, Leberwurst oder Honig aufs Brot zu streichen. Im alten Münchner Stadtdialekt kann man überdies jemandem eine Watschn aufs Gesicht streichen. Er "kriagt dann oane aufgstricha", wie es Georg Maier ausdrückt. Manche kennen die Drohung: "Schleich di, sunst streich i dir oane auf!" Im Englischen gibt es eine ähnliche Wendung, nämlich "to slap someone's face". Sie bedeutet: jemandem eine Ohrfeige verpassen oder eben jemandem eine aufstreichen. Maier gebrauchte in dem Radiogespräch eine Reihe interessanter Wörter. Unter anderem erzählte er, sein Vater habe mit seinem Charme bei den Frauen stets ein Massl gehabt. Dieses aus dem Hebräischen stammende Wort steht für ein unerwartetes Glück. im Bild: Lukas Podolski streicht Michael Ballack bei einem Länderspiel gegen Wales 2009 eine auf
Eier pecken
In der vergangenen Woche ist an dieser Stelle das Wort "Pecker" verhandelt worden. Dazu haben sich mehrere Leser gemeldet, die erstens auf das schöne österreichische Pendant Klopfer hinwiesen, wunderbar verwendet von der Omama Mitzerl in der TV-Komödie "Single Bells" (1997), die ihre Familie schilt: "Es hobts ja olle an Klopfer!" (ungefähr: Ihr habt ja einen Dachschaden, ihr seid damisch!). Dann erreichte uns noch der Hinweis auf den Brauch des Eierpeckens. Dabei stoßen zwei Gegner die Spitzen ihrer Ostereier aneinander, bis eines bricht, also einen Pecker bekommt. Das Ei, das unbeschadet bleibt, gewinnt.
Pecker
Der ehemalige Skirennläufer Michael Veith hat sich vor wenigen Tagen bei einem Sturz auf der Piste eine schwere Wirbelverletzung zugezogen, eine Operation war unumgänglich. "Das Rückenmark hat einen ordentlichen Pecker abbekommen", teilte Veith vom Krankenbett aus mit. Der Dialektbegriff Pecker (Becker) hat nichts mit dem Beruf des Bäckers zu tun, vielmehr drückt er eine Verletzung, einen Defekt oder ein Gebrechen aus. Ein Pecker beim Menschen ist in der Regel vergleichbar mit einem Blechschaden beim Auto. Einen Pecker haben, das kann aber auch bedeuten, dass einer verrückt oder spinnert ist. Das Verb pecken wiederum bedeutet: mit dem Schnabel aufnehmen. Auf jemandem herumpecken heißt: auf jemandem herumhacken. Der Autor Ludwig Fichtlscherer erinnert sich diesbezüglich in seinem Buch "Lausbubengeschichten aus Regensburg" an das Schicksal einstiger Anstaltskinder. Auch er selber verbrachte in den 30er-Jahren einige Zeit in einer Erziehungsanstalt, weil die Mutter im Krankenhaus weilte. Andere Kinder waren dort jahrelang kaserniert. Viele haben nie Besuch bekommen, niemand hat sie gedrückt oder gelobt. "Do ham scho manche an Begga (Pecker) griagt", resümiert Fichtlscherer. im Bild: Broderick Thompson aus Kanada nach seinem Sturz vom Wochenende auf der Kandahar-Abfahrt in Garmisch-Partenkirchen
Beleidigte Leberwurst
Der Landtagsabgeordnete Alexander Muthmann (Freie Wähler) hat das Onlinemagazin Da Hog'n aus seinem Presseverteiler gestrichen. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Magazin aus dem Bayerischen Wald sei für Herrn Muthmann derzeit nicht möglich, teilte das Büro des Abgeordneten mit. Anlass war wohl ein Artikel, der ihm nicht gefallen hatte. "Daher weht also der Wind", schreibt der Hog'n: "Alexander Muthmann, die beleidigte Leberwurst, wie man in Bayern so schön sagt." Als beleidigte Leberwurst gilt ein Mensch, der sehr schnell gekränkt reagiert. Leberwurst wohl deshalb, weil der Leber allerlei Gemütsäußerungen wie Zorn, Wut und Gekränktsein zugeschrieben werden. "Was ist denn dir über die Leber gekrochen?", lautet eine typische Frage an einen schlecht gelaunten Mitbürger.
Kristeln
Am vergangenen Samstag haben sich in Kitzbühel wieder Dutzende Abfahrtsläufer die Streif hinuntergestürzt. Die Streif ist eine der gefährlichsten Skirennpisten der Welt. Selbst nach dem Zieleinlauf halten die Zuschauer den Atem an, müssen die Rennläufer doch mit einer Geschwindigkeit von 140 Kilometer schnellstmöglich zum Stehen kommen. Das geht nur mit harten Schwüngen, was mit zitternden Oberschenkeln schwierig genug ist. Früher, als die Kinder mit einfachen Holzbrettln den Dorfbuckel hinuntersausten, mussten sie ebenfalls gach abschwingen, man umschrieb dies mit dem Verb kristeln. Der Autor Valentin Reitmajer schildert diese Technik bildkräftig in seinem Buch "Kindheit in Niederbayern": "Wir sausten ohne Bögen zu fahren den Steilhang hinunter und beendeten unten die Höllenfahrt mit einem sogenannten Kristl. Der bestand darin, dass man durch einen einmaligen, kraftvollen Abschwung zum Stehen kam, wobei die Höhe des aufstiebenden Schnees den Grad der Fahrkunst und des Mutes des Fahrens signalisieren sollte." Das Wort hat eine interessante Herkunft. Ursprünglich war der Kristl ein Schwung, den man mit parallelen Skiern quer zum Hang ausführte. Zehetners Lexikon weist aus, dass diese Technik Christiana-Schwung hieß, nach dem früheren Namen der norwegischen Hauptstadt Oslo. Die Kurzform lautete Christl/Kristl. Die Sprache ändert sich aber so schnell wie die Skilauf-Technik. Außer dem Kristl ist auch das Wedeln ausgestorben, jener elegante Parallelschwung, der früher als der Inbegriff skifahrerischen Könnens galt.
Dullacke
Schnee, Reif und glatte Straßen führen zurzeit zu vielen Unfällen. Zum Glück überwiegen Blechschäden. Mit Blick auf die Dellen im Lack hat Kollege S. neulich das lautmalerische Wort Dullacke/Dullackn erwähnt, ein Synonym zu den Dialektbegriffen Dulln und Duin. Der Sprachwissenschaftler Anthony Rowley verweist dazu auf das althochdeutsche durla (Narbe, Beule, Vertiefung). Und es sei von der Wortwurzel her mit dem Wort Tal verwandt, jene Vertiefung, in der jede Skifahrt ihr Ende nimmt.
Die Rodel
Neulich haben wir der sportlichen Leserschaft eine Sonderseite zum Thema Rodeln gewidmet (die Online-Version finden Sie hier). Bei der Vorbereitung dieses Projekts merkte ein Kollege, dessen Wiege in Passau stand, kritisch an, das heiße nicht Rodeln, sondern Schlittenfahren. Sogleich entspann sich eine Grundsatzdebatte: Wird auf dem Schlittenberg gerodelt oder Schlitten gefahren? Das Spektrum der Meinungen war so bunt wie ein Regenbogen. Aus sprachwissenschaftlicher Sicht ist anzumerken, dass das Wort Rodel und das Verb rodeln auf lateinische Wörter wie rotulare (rollen, gleiten) und rota (Rad) zurückgehen dürften. In Österreich heißt es die Rodel (kleiner Schlitten), in Südbayern ist auch der Rodel geläufig, vermutlich eine Verkürzung des Kompositums der Rodelschlitten. Der Rodelsport auf Kunsteisbahnen ist mit Olympiasiegern wie Schorsch Hackl, Felix Loch und Natalie Geisenberger eine deutsche Domäne. Touristenregionen wie Tegernsee bewerben eifrig ihre Rodelpisten (Ski und Rodel gut) und Sommerrodelbahnen. Und doch gibt es in Südbayern Gegenden, in denen man, sprachlich betrachtet, am Schlittenberg nicht rodelt, sondern "nur" Schlitten fährt. Hier finden Sie eine Karte zu den schönsten Rodelbergen Münchens - auf denen man natürlich auch Schlittenfahren kann.
hoanzachtig
In der Redaktion gibt es einen lieben Kollegen, der im Schatten der Salzburger Hausberge aufgewachsen ist, also in einer Gegend, in der einst Holzknechte und Bräuburschen die Entwicklung der Jugend geprägt haben. Auch er legt davon Zeugnis ab, indem er älplerisch klingende Wörter von sich gibt. Nehmen wir nur das Adjektiv hoanzachtig, das außer K. niemand je gehört hat, was den Verdacht nährt, es sei ein Hirngespinst, wenngleich ein treffendes, weil universal verwendbar. Das Bairische ist eine der ausdrucksstärksten Sprachen überhaupt. Allein für das Verb stinken gibt es Aberdutzende Synonyme. Trotzdem ist es stets aufnahmebereit für Neologismen. In Marcus H. Rosenmüllers Film "Räuber Kneißl" ist das Wort brouheidig zu hören. Wie hoanzachtig taucht es in keinem Wörterbuch auf. Rosenmüller (im Bild) gab zu, den Begriff erfunden zu haben, weil er ihm so passend erschienen sei. "Und wenn in Zukunft gar nichts mehr an mich erinnern sollte, so hoffe ich, dass wenigstens das Wort brouheidig überleben möge", sagt Rosenmüller. Ähnliches gilt für unseren Kollegen: Hoanzachtig möge sein Vermächtnis sein!
Seitenstraßler
Eingefleischte Sechzger-Fans wie Florian Pollok jammern über den Verlust an Lebensqualität. Kürzlich verlieh Pollok seiner Enttäuschung über den TSV 1860 in einem Leserbrief kräftig Ausdruck. Die Wirkung seines Briefes steigerte er durch Verwendung origineller Münchner Wörter. "Wir Fans müssen uns hier vor Ort täglich anhören, was in unserem Kasperlverein wieder los ist", schrieb Pollok. Im Elfenbeinturm des Investors Ismaik in Dubai kämen solche Töne wohl nicht an. "Ebenso wenig, was es heißt, als Giasinga von den Seitenstraßlern gefrotzelt zu werden." Seitenstraßler ist ein herrliches Wort aus dem Altmünchner Milieu, das die Dauerrivalität zwischen den Anhängern des FC Bayern und der Sechzger kunstvoll verdichtet. Es könnte einem Bayerhammer-Tatort aus den Achtzigerjahren entnommen sein, wo das Münchnerische Idiom mit seelenwärmenden Begriffen wie Strizzi, Gandi und Vorstadtluggi noch so herrlich sprudelt. Im Milieu der Sechzger gelten die Anhänger des FC Bayern als "Seitenstraßler". Die Säbener Straße, Heimat der Bayern, ist aus Sicht der an der Grünwalder Straße residierenden "Löwen" nicht ernst zu nehmen, es ist nur eine Seitenstraße, ein Glasscherbenviertel. Seitenstraßler sind für sie lediglich Neureiche, die zwar stets auf der Sonnenseite des Ruhms stehen, aber vom Leiden und vom Leben keine Ahnung haben.
Bembara
Im Angesicht des Winters ruft Rosemarie Will, Herausgeberin des Berchtesgadener Heimatkalenders, das Wort Bembara (Pembara) in Erinnerung. Dabei handelt es sich um eine wurstartige Erhebung auf winterlichen Bergwegen. Fährt ein Schlitten drüber, macht er eine sprunghafte Bewegung, und dann bembert es. Früher, als viele Zufahrtswege zu den hoch gelegenen Gehöften noch als Schlittenbahnen genutzt wurden, waren die Bembara das Zuckerl einer Abfahrt. "Oft genug ist man von einem Bembara zum anderen gebembert in der Hoffnung, überhaupt auf dem Schlitten sitzen zu bleiben und nicht in einen Tannenbusch geschleudert zu werden", schreibt Frau Will.
Schandi
Viele Jahre lang hat der Freisinger Hartmut Binner an der Spitze des Protests gegen den Bau der dritten Startbahn am Münchner Flughafen gekämpft. Jetzt zwingen ihn gesundheitliche Gründe, als Sprecher des Aktionsbündnisses "Aufgemuckt" zurückzutreten. Überdies war Binner 42 Jahre lang Polizeibeamter. "Ich war Schandi mit Leib und Seele", bekennt der 78-Jährige, auf ein schönes altes Wort zurückgreifend. Früher wurden die Wörter Gendarm (Schandarm) und Schandi als Synonyme für Polizisten verwendet, das Kinderspiel Räuber und Schandi erinnert noch daran. Dass das französische Lehnwort Gendarm und seine Varietäten in Bayern heimisch wurden, ist dem Reformpolitiker Montgelas zu verdanken. Nach seinem Willen wurde die bayerische Gendarmerie 1812 als Sicherheitspolizei gegründet. In Frankreich hatte einst die königliche Leibgarde den Namen gens d'armes getragen, dem die lateinischen Bezeichnungen gens (Volk) und arma (Waffen) zugrundeliegen. Die bayerische Landpolizei hieß noch vor wenigen Jahrzehnten Gendarmerie, Anfang der 70er Jahre erfolgte das Aus für sie. Seitdem ist die Bayerische Polizei für die Sicherheit im Freistaat zuständig, während die Österreicher immer noch auf die Gendarmerie setzen.
Gumpe
Monika Sperling hat uns geschrieben, sie habe in Garmisch das Theaterstück "Räuber Kneissl" besucht und dort einen herrlichen Ausdruck gehört: "Ja du greaalgata Gumpmharing, du elendiga!" Mit diesen Worten beschimpfte der Kneissl einen Gendarm (Grünfrack) und bekam dafür drei Tage Gefängnis aufgebrummt. Das Adjektiv greaalgat bedeutet algengrün. Der Gumpnharing wiederum geht auf die Gumpe zurück, das ist ein tiefer Teich oder eine ausgewaschene Stelle eines Bachs. Gumpenforellen sind bekannt, einen Gumpenhering (Gumpmharing) wird man wohl nicht so leicht zu Gesicht bekommen, aber als Schimpfwort zeigt er durchaus Präsenz.