Kratzers Wortschatz:Was hat das Kaffeehaus denn getan?

Oder warum verbinden es manche im Ausruf mit einem kräftigen "Varreck"? Des Weiteren: Gruamzinsler, Huisnblasi oder duddade Dirn - eine Auswahl aus der bairischen Sprache.

Von Hans Kratzer

15 Bilder

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Quelle: Stephan Rumpf

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Varreck Kaffeehaus

Ergänzend zu dem vorige Woche erörterten Ausruf "ums Varrecka" ist Peter Kühn der Sportreporter Günther Wolfbauer (1926-2009) eingefallen, dem oft ein "Varreck Kaffeehaus" entfleuchte, wenn etwas geschehen war, mit dem er nicht gerechnet hatte. Die Herkunft des Spruchs ist schwer zu ergründen. Kaffeehaus sagte man früher zum Café. Im Bairischen wird das Wort Kafää hinten betont, was gemütlicher klingt als das harte, vorne betonte Kaffe, aus dem eine degenerierte Lebensart herausklingt, die bloß noch den hektischen Genuss eines Coffee to go erlaubt.

Inchenhofen: Thema SCHÜTZENLISL / alias Coletta Möritz

Quelle: Johannes Simon

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A duddade Dirn

Das Seifenkistlrennen, das der Motorsportclub Meidendorf neulich auf der Kreuzbergstraße vor dem Kloster Windberg (Landkreis Straubing-Bogen) veranstaltet hat, nahm nicht nur aus sportlicher Sicht einen bemerkenswerten Verlauf. Unerwartet kam ein erotischer Aspekt ins Spiel, und das direkt vor dem Prämonstratenserkloster. Schnellstes Seifenkistl war nämlich jenes, auf dessen Karosserie ein Mädchen mit kurzem Dirndlgwand, Strapsen und üppiger Oberweite abgebildet war. (In unserem Bild ist die Schützenliesl zu sehen - die üppig war und nach Moralvorstellungen von einst übrigens auch freizügig.)

Der Name des vom Trachtenverein Windberg ins Rennen geschickten Fahrzeugs lautete folgerichtig: De duddade Dirn. Frei übersetzt heißt das: das dralle Mädchen. Beschriebe man es genauer, bewegte man sich nach heutiger Auslegung hart an der Grenze zum Sexismus. Aber das war auch früher schon so. Georg Queri hat die derbe Volkssprache in mehreren Büchern dokumentiert (Bauernerotik in Oberbayern, 1911, und Kraftbayrisch, 1912).

Er erwähnte darin auch das Wort Dutten für die weibliche Brust, das schon im Mittelhochdeutschen belegt ist (Tutte). De duddade Dirn entspringt also einem kracherten volkstümlichen Humor. Zu ergänzen ist, dass Jünglinge, denen kein Bart wächst, einst Dutterer genannt wurden (Bürscherl, die noch an der mütterlichen Brust hängen).

Tenorhörner als Urinale

Quelle: dpa

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Gruamzinsler

Es ist immer wieder erfrischend, wenn Leser dieser Kolumne in Zeiten der sprachlichen Einebnung und Gleichmacherei auf spezielle, ungewöhnliche und vergessene Wörter aufmerksam machen. Johann W. Heiß hat uns diesbezüglich eine Liste mit Regionalwörtern aus der südostbayerischen Gegend um Ainring zugeschickt. Dort heißt der Schulranzen zum Beispiel Kalier. Unter einem Gfinkal versteht man in jener Region ein unsauberes Kind, während ein Quartlmoasta als ein halbgebildeter Mensch gilt.

Ein Zapfnluada wiederum ist eine Schankkellnerin, die dem Gast nicht behagt, ein Duinbimpfara ist ein einfältiger, dumpfer Mensch. Der schönste Begriff aber ist der Gruamzinsler, ein alter Mann mit Prostataproblemen. In diesem Wort steckt die Grube (Gruam), ein auch für das Grab gebräuchlicher Begriff, sowie das alte Verb zinseln. Wer zinselt, der uriniert oder bieselt prostatabedingt nur noch mit dünnem Strahl.

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Quelle: Stephan Rumpf

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wààr

Ab und zu ist im Bayerischen Fernsehen einwandfreies Münchnerisch zu hören, an dem formal nichts auszusetzen ist. In der Serie "Spezlwirtschaft" sagte neulich der Ladeninhaber Heinzi Liebl nach einer kurzen Abwesenheit zu seiner Vertretung: "I wààr dann do!" (das a wird hier so hell wie möglich gesprochen, es klingt so ähnlich wie bei Alarm). In der Serie "München 7" sagte der einen Polizisten mimende Schmidt Max: "Oiso, i wààr jetzt do!" Und auch der Bulle von Tölz, der von Ottfried Fischer gespielte Kriminaler Benno Berghammer, sagte, nachdem sich ihm ein potenzielles Gspusi namens Beatrice vorgestellt hatte: "Und i wààr da Benno!"

All diese Aussagen wurden im astreinen Konjunktiv getätigt, also in der Möglichkeitsform, die im Deutschen nicht sehr beliebt ist und langsam ins sprachliche Abseits gedrängt wird. Aus dem Bairischen ist der Konjunktiv freilich nicht wegzudenken, denn hier drückt er Höflichkeit und Noblesse aus, also Tugenden, die konträr zu jener Krachlustigkeit stehen, die den Bayern gerne nachgesagt wird. "I wààr da Benno!" Das ist der Konjunktiv der Höflichkeit in Reinform und heißt: "Ich wär der Benno, und ich würde mich freuen, wenn wir uns ein bisserl unterhalten. Ich dränge mich aber nicht auf." Es ist eine Art der Höflichkeit, sich im Konjunktiv vorzustellen statt im Indikativ. Doch die Zeiten ändern sich. Heute zählen Ego und Ellbogen, sie haben diesen sympathischen Konjunktiv weitgehend verdrängt.

Rudi Cerne spielt bei den 'Rosenheim-Cops'

Quelle: dpa

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wààrad

Eine interessante Erweiterung zum obigen Thema war in der ZDF-Serie "Rosenheim Cops" zu vernehmen. "Der Herr Deisner wààr jetzt da!", sagte eine Sekretärin. Der Kommissar aber erwiderte: "Wenn sein Alibi so stichhaltig wààrad . . ." Er erweiterte also den Konjunktiv wààr um das Suffix -ad. Die im Deutschen gebräuchliche Konjunktivbildung mit "würde" kennt das Bairische nicht. Es bildet zu fast allen Verben eine Form mit der Erweiterung -ad: Ich würde zeigen - i zoagat; ich würde schießen - i schiassad; ich würde meinen - i moanad. Wenn für diese Kolumne mehr Platz zur Verfügung stünde, waarad das nicht schlecht, es daadad noch viele weitere Konjunktive geben, und ihre Aufzählung gangad noch ganz lange weiter.

Regen in Berlin

Quelle: dpa

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Barasolflickersbankert

Der Regensburger Lohrbär Verlag hat ein herausragendes Hörspiel produziert. Als Vorlage diente Lena Christs 1916 erschienener Roman "Die Rumplhanni". Es geht darin um die Dienstmagd Johanna Rumpl, die unbedingt Bäuerin werden will. Ein solcher Aufstieg war damals für ein uneheliches Kind niederer Herkunft fast unmöglich: "A Barasolflickersbankert", so nennt sie der Staudenschneider Girgl, ein Bauernsohn.

Gewaltige Wörter wie dieses prägen den Roman und das Hörspiel. Ein nichtbayerischer Zuhörer mag bei Wörtern wie Barasolflickersbankert an seine Verständnisgrenzen stoßen. Dabei ist die Auflösung gar nicht schwer: Barasol (Parasol) ist ein Schirm oder Regenschirm, es geht also um einen Schirmflicker und seinen Bankert (uneheliches Kind). Barasolflickersbankert ist ein grobes Schimpfwort, mit dem der Staudenschneider der Rumplhanni die Aussichtslosigkeit ihrer Lage unter die Nase reibt. Sein Ärger ist begründet: Als Bauernsohn hatte er um die Dienstmagd Hanni geworben, und die hatte die Schneid, ihn trotz ihrer Ambitionen zurückzuweisen.

(Lena Christ: Die Rumplhanni. Hörspiel. Lohrbär Verlag, Regensburg 2014. 3 CDs)

Brezen beim Bäcker

Quelle: Tobias Hase/dpa

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Breznsoizer

Müssen wir uns die Weißwurst künftig ohne Brezn einverleiben? Ein schrecklicher Gedanke. Die Brezn soll nämlich zuviel Aluminium enthalten. Bisher hat eher das Salz auf der Brezn als ungesund gegolten. Breznsoizer (Brezensalzer) ist folglich keine Berufsbezeichnung, sondern ein Schimpfwort. Als Breznsoizer gilt einer, der sich ungeschickt anstellt, ein Nichtsnutz also. Ein alter Spruch lautet: "Reg di ned auf über den damischen Breznsoizer!" Populär war auch der Ruf "Bin i denn am Gandi sein Breznsoizer!" Nicht der Brezn-soizer vom Gandi zu sein, das hieß: "Mach doch deinen Schmarrn selber, lass mich in Ruh!" Das Dialektwort Gandi bedeutet so etwas Ähnliches wie Bazi. Ob damit der indische Pazifist Mahatma Gandhi gemeint war, ist deshalb fraglich. Naheliegender ist ein Zusammenhang mit den Vagandi. So hießen einst die Studenten, die ja durchaus vom Leichtsinn geplagt waren.

Bonbon Museum

Quelle: dpa

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Huastnguatlausfahrer

Neulich ging es an dieser Stelle um die Wendung "I bin doch ned dem Gandi sein Breznsoizer". Sie bedeutet: "Mach doch deinen Schmarrn selber!" Dass es dazu interessante Weiterungen gibt, darauf hat uns eine Leserin hingewiesen. Sie kennt aus ihrer familiären Vergangenheit den Begriff "dem Gandi sein Huastnguatlausfahrer". Das lautmalerisch herrliche Wort Huastnguatl benennt ein Hustenbonbon. "Dem Gandi sein Huastnguatlausfahrer ist ein ganz schlanker Mensch oder besser ein dürres Gerippe von einem Zeitgenossen", schreibt die Leserin.

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Quelle: Stephan Rumpf

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Huisnblasi

Ein Stenz ist nach klassischer Definition ein Weiberheld. Als ein Stenz in Reinkultur gilt der Monaco Franze aus der gleichnamigen Münchner Fernsehserie. Aber auch auf dem Land treibt sich so mancher Stenz herum. Nur werden solche Typen dort anders genannt: Sie hören auf das lustig klingende Wort Huisnblasi, das die Kabarettistin Martina Schwarzmann übrigens in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift MUH erwähnt hat (übersetzt: Hülsenblasius).

Huisnblasi hat aber mehrere Bedeutungen. Der Hofer Franzi aus Starzell nennt seinen kleinen Buben manchmal ebenfalls Huisnblasi, aber nur im liebevoll tadelnden Sinne: "Ja, du Schlawiner, was hastn scho wieder angestellt!"

Auch dem großen Münchner Autor Sigi Sommer war das Wort geläufig. In der Abendzeitung schrieb er im September 1968, Huisnblasi sei die lustige Bezeichnung für einen unbeholfenen Menschen. Jahrzehnte später brachte der Garmischer Autor Jörg Maurer den Huisnblasi in seinem Kriminalroman "Föhnlage" ins Spiel: "Der Mirgl, . . ., ein richtiges Mannsbild war das - und nicht so ein Lätschenbeni wie dieser Jennerwein, dieser sogenannte Kommissar, dieser Huisnblasi, bei dem gar nichts weiterging, . . ."

Zur Herkunft des Begriffs liefert vielleicht Ludwig Ganghofers 1883 erschienener Roman "Der Jäger von Fall" eine Antwort. Dort tritt auch ein Blasi auf, der Sohn des Huisn Bauern. Nach bayerischem Sprachgebrauch wird er aber nicht Blasi Huisn genannt, sondern Huisn Blasi. Wer eine treffendere Erklärung kennt, ist herzlich aufgerufen, diese der Redaktion, Abteilung Wortschatz, mitzuteilen.

Kuh

Quelle: Sven Hoppe/dpa

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bläde Huisn

Die weibliche Entsprechung zum männlichen Huisnblasi ist das Schimpfwort bläde Huisn (blöde Hülse). Alternativ könnte man auch bläde Kuah (blöde Kuh) sagen. Manchmal benennt bläde Huisn auch ein einfältiges Weibsbild. Dieses Schimpfwort wird einer Frau nur im Zustand größter Zornesaufwallung entgegengeschleudert: "So eine bläde Huisn!" Die Betroffene hat sich eine solche Beschimpfung in der Regel hart verdient, indem sie sich so richtig daneben benommen hat. Das Synonym bläde Huisn ist um eine Nuance schneidender als bläde Kuah.

Der Sprachforscher Michael Kollmer führt in seinem Buch "Die schöne Waldlersprach" neben der Huisn zwei gleich lautende Verben auf: huisn und nohuisn. Sie bedeuten: jemandem nachtrauern.

Oktoberfest 2013 - Final Weekend

Quelle: Getty Images

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Wischkästla

Im Nordosten des Freistaats Bayern begegnen sich mehrere Dialektregionen, etwa das Nordbairische, das Ostfränkische und das Thüringische. Die Gegend ist ein Paradies für Liebhaber der Sprachvielfalt. Umso interessanter, dass der Bezirk Oberfranken kürzlich die Bevölkerung aufgerufen hat, das oberfränkische Wort des Jahres zu küren.

Als Sieger ging das neue Wort Wischkästla hervor, es ist eine Übersetzung des gängigen Begriffs Smartphone. Das Wort klingt witzig und steht für den ehrenwerten Versuch, den Dialekt im 21. Jahrhundert innovativ weiterzuentwickeln. Auf den weiteren Rängen landeten die Wörter Herrgottsmuggala (Marienkäfer) und etzatla (jetzt).

Kinderkrippe

Quelle: dpa

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Luthrischer Zipfe

Kriegerische und verbale Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Protestanten begleiten nicht nur durch die deutsche Geschichte, sondern auch die Fortentwicklung des deutschen Sprachraums. Der Autor Johann Rottmeier zitiert in seinem Redensarten-Buch "A Hund bist fei schon" (Volk Verlag) einen interessanten Reim aus dem frühen 20. Jahrhundert, den die katholische Obrigkeit in jener Zeit den braven Kindern eingeimpft hat, um andersgläubige Spiel- und Schulkameraden bei günstiger Gelegenheit angemessen zu verspotten: "Luthrischer Zipfe, steig auffe an Gipfe, foist owe in d'Hoi, bist an Deife sei Gsoi!"

G7-Gipfel - Aufräumarbeiten

Quelle: dpa

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Blochantrenzer

Der Wortreichtum des bairischen Idioms ist schier unerschöpflich. Immer wieder kommen Wörter zum Vorschein, die selbst Muttersprachler noch nie gehört haben. Und trotzdem haben sie in diesem Sprachkosmos einen festen Platz. Der Blochantrenzer gehört zum festen Wortschatz der Münchner Iberl-Bühne. Das Verb trenzen ist ein Synonym für weinen. Ein Trenzer ist einer, der weint. Unter dem Wort Blochan ist laut Erklärung der Iberl-Bühne eine Plane, eine grobe Leinwand, ein Tuch zu verstehen.

Der Blochantrenzer ist im übertragenen Sinne einer, der an Inkontinenz leidet und das Wasser nicht halten kann.

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Quelle: Stephan Rumpf

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Ganterbursch

Die Berichterstattung über die Wiesn hat einen alten Volksfestbegriff in Erinnerung gerufen. In den Festzelten, in denen das Bier aus Fässern gezapft wird, braucht es eine gute Logistik. Dafür ist der Ganterbursch zuständig. Er hat die Aufgabe, die Fässer im Bierzelt so zu platzieren, dass die Schenkkellner optimal zapfen können. Der Ganterbursch Rudi Past sagte dem Bayerischen Rundfunk: "Das Wichtigste ist die Technik, und a bissl a Schmoiz und a Durchhaltewillen, weil sunst bist glei weg vom Fenster." Das ist leicht nachzuvollziehen, wenn man sich vor Augen hält, dass die Hirschen, also die Holzfässer, sauschwer sind.

So ein Fass wiegt schon leer ungefähr achtzig Kilo, und dann kommen noch 220 Kilo Bier dazu, macht summa summarum 300 Kilo pro Fassl, die der Ganterbursch bewegen muss. Er sorgt nämlich für den Nachschub auf dem Ganter, das ist jener Tisch auf dem die Fässer stehen. Ein Ganterbursch muss schnell und kräftig sein, die Fässer richtig hinstellen und die Schenkkellner bei Laune halten. Auf der Wiesn bedeutet das 16 Tage Schwerstarbeit. Und doch hat diese Plage Suchtpotential. " Man muss schon wiesndamisch sein, um das zu machen", sagte Rudi Past und lachte zufrieden.

Videoüberwachung

Quelle: Patrick Pleul/dpa

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Pfiat Eahna

Pfiat Eahna ist eine Nebenform des Abschiedsgrußes Pfiat di God (Behüt dich Gott). Zu einem Menschen, den man siezt, sagt man Pfiat Eahna God (Behüte Sie Gott). Wird der Zusatz Gott weggelassen, dann heißen die Formen Pfiat di, Pfiat eich (euch) und Pfiat Eahna.

Ähnliches gilt für das Begrüßungsritual, nur dass die Formen dann Griaß di, Griaß eich und Griaß Eahna heißen. Das pf von Pfiat di kommt von der Assimilation der im Bairischen ungewöhnlichen Lautfolge ph (bh), die nach dem Ausfall des e entstand: Aus behüte wurde im Dialekt bhiat und schließlich pfiat.

© SZ.de/bica/bhi
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