Kratzers Wortschatz:Stammtischschwätzer und Herrgottschmatzer

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Warum selbst Gschaftlhuber an Ostern auch mal Schuhe und Socken ausziehen könnten

von Hans Kratzer

Gschaftlhuber

Beim Sonntags-Stammtisch des Bayerischen Fernsehens hat Moderator Hans Werner Kilz neulich mit der Politik der Europäischen Kommission gehadert. "Man hört nix von ihr", sagte er und schob nach, wir lebten in einem Zeitalter, "wo große Europäer fehlen, es ist alles so gschaftlhuberisch von Land zu Land". Das Adjektiv gschaftlhuberisch passt wunderbar an einen Stammtisch, es hat Kraft und Würze und es sagt kurz und bündig mehr aus als manch gestelztes Grundsatzreferat. Dem Wort liegt das Hauptwort Gschaftlhuber zugrunde, in dem der Familienname Huber verallgemeinernd mit dem Verbum gschafteln verknüpft ist. Ein Gschaftlhuber ist ein Besserwisser, ein Wichtigtuer, der sich überall einmischt. Den Dichter Harald Grill haben solche Typen schon in der Schule genervt, was er in seinem Roman "gehen lernen" so beschreibt: "Zusammen mit den Gscheiterln und Gschaftlhubern sitzen sie alle ganz vorne beim Fräulein." Dort können sie halt prima gschafteln. Auch die hohe Politik ist gegen das Gschaftlhuber-Virus wenig gefeit.

strumpfsockert

Der Chamer Kreisheimatpfleger Hans Wrba hat das alte Osterbrauchtum als Kind noch in vollem Umfang miterlebt. Vieles ist seitdem in Vergessenheit geraten, die Zeit ist darüber hinweggegangen. In Wrbas Kindheit war es noch üblich, dass die Ministranten und der Pfarrer die Karfreitagsliturgie des ernsten Anlasses wegen ohne Schuhe absolvierten. Sie betraten den Altarraum strumpfsockert, wie sich Wrba erinnert. "Unsere größte Sorge war damals, dass kein Loch im Strumpf war." Der Pfarrer legte sich vor dem Altar sogar noch gestreckterlängs auf den Boden. Eigentümlich wirkte auch das Herrgottschmatzen bei der Kreuzverehrung in der Karfreitagsliturgie. Dabei gingen die Gläubigen nach vorne zu dem im Altarraum abgelegten Kreuz, um dann hintereinander die Wundmale Christi zu küssen. In Coronazeiten ist diese fromme Praxis undenkbar.

© SZ vom 11.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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