Kratzers Wortschatz:Odel-Massn und Klauberweiberl

In der Münchner Großmarkthalle trennten einst Klauberweiberl die Ware in frisch und unverkäuflich. Aber oreidig war wohl das Wenigste

Von Hans Kratzer

oreidig

Kollegin F. hat erzählt, sie habe an einem Zehn-Kilometer-Volkslauf teilgenommen. Eine Freundin habe vor dem Start vor lauter Aufregung einen Druck auf der Blase verspürt und sich in einem Dixi-Klo Erleichterung verschafft. Damit löste sie eine Kettenreaktion aus. "Ihr könnts schon einigehen ins Klo", rief sie dem Laufvolk zu, "is hoid a weng oreidig!" Welch eine Nonchalance! Aber unter den Gegebenheiten von öffentlichen Klos ist die Aussage nicht überraschend. Oreidig könnte am ehesten übersetzt werden mit Adjektiven wie widerlich, schmutzig, eklig und ekelhaft. Über die Herkunft des Wortes gibt die Fachliteratur nur wenig preis. Die Kabarettistin Martina Schwarzmann sagte neulich, oreidig sei zurzeit ihr bairisches Lieblingswort, seitdem auch ihre Kinder eine auswärts vorgefundene Toilettensituation mit diesem Wort beurteilt hätten. Das Wort ist sogar in Franken populär. Beim Kirwa-Fest der Feuerwehr Oberweißenbach bei Selb konnten die Gäste vor wenigen Tagen sogar eine "oreidige Bar" (sie hieß tatsächlich so!) aufsuchen, an der stilgerecht eine Odel-Mass serviert wurde. Die Kabarettistin Monika Gruber erfreut ihr Publikum gerne mit dem erweiterten Schimpfwort "oreidige Schoaswiesn".

Klauberweiberl

Die Sendlinger Kulturschmiede zeigt demnächst eine Ausstellung, bei der es um Tafeln und den Straftatbestand "Containern" (weggeworfene Lebensmittel) gehen wird. In der Ankündigung heißt es: "Schlange stehen ums Essen: bei de Klauberweiberl vor 100 Jahr". Hier kommt ein vergessener Beruf wieder zu Ehren. Die Klauberweiberl trennten einst in der Großmarkthalle die gute Ware von der schlechten, sie klaubten also die Ausschussware heraus. Was noch essbar war, wurde von ambulanten Händlern günstig verkauft. Die Klauberweiberl verdienten so wenig, dass dieses System keine Zukunft hatte. Nun werden jene Lebensmittel, die nicht mehr verkäuflich, aber noch für den Verzehr geeignet sind, von der Tafel an Bedürftige verteilt.

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