Süddeutsche Zeitung

Kratzers Wortschatz:Mit Karacho in die Steilwand

Auf der Wiesn wurde den Besuchern so mancher Nervenkitzel geboten. Besonders im Motodrom, wo das Publikum "wuide Hunde" bestaunte

Wuider Hund

Die Wiesn hat ihrem Publikum allerhand Nervenkitzel geboten. Vor allem die Steilwandfahrer zeigten auf ihren alten Indian-Polizeimaschinen Kunststücke und Renn-Akrobatik, dass den Zuschauern der Atem stockte. Coole Typen heißen sie im heutigen Sprachgebrauch, aber einem Besucher des Motodroms auf der Oidn Wiesn ist ein Seufzer mit Lokalkolorit herausgerutscht: "Mei, des san wuide Hundt!" Diese Aussage war keineswegs abschätzig gemeint, sondern Ausdruck höchster Bewunderung, es war quasi die Steigerung des Hundlings. Jene für Nichtbayern befremdliche Art, Freundlichkeit durch Schimpfworte auszudrücken, hat schon Ludwig Thoma dokumentiert, etwa in der Komödie "Erster Klasse", in dem sich die Spezln Filser und Gsottmaier mit Lobesworten nur so überhäufen: "du plattata Mistgabelbaron, du Haderlump, du ganz miserabliger, du Bazi, du luftgselchter . . ." Bis heute drückt man seine Wertschätzung gerne aus, indem man zu einem Freund sagt: "du wuider Hund, du varreckter". Wuide Hunde soll man wegen ihrer Mutes durchaus bewundern, zumal sie das Risiko so kalkulieren, dass selbst riskanteste Steilwandfahrten meistens glücklich enden.

Ganterbursch

Die Berichterstattung über die Wiesn hat einen alten Volksfestbegriff in Erinnerung gerufen. In den Festzelten, in denen das Bier aus Fässern gezapft wird, braucht es eine gute Logistik. Dafür ist der Ganterbursch zuständig. Er hat die Aufgabe, die Fässer im Bierzelt so zu platzieren, dass die Schenkkellner optimal zapfen können. Der Ganterbursch Rudi Past sagte dem Bayerischen Rundfunk: "Das Wichtigste ist die Technik, und a bissl a Schmoiz und a Durchhaltewillen, weil sunst bist glei weg vom Fenster." Das ist leicht nachzuvollziehen, wenn man sich vor Augen hält, dass die Hirschen, also die Holzfässer, sauschwer sind. So ein Fass wiegt schon leer ungefähr achtzig Kilo, und dann kommen noch 220 Kilo Bier dazu, macht summa summarum 300 Kilo pro Fassl, die der Ganterbursch bewegen muss. Er sorgt nämlich für den Nachschub auf dem Ganter, das ist jener Tisch auf dem die Fässer stehen. Ein Ganterbursch muss schnell und kräftig sein, die Fässer richtig hinstellen und die Schenkkellner bei Laune halten. Auf der Wiesn bedeutet das 16 Tage Schwerstarbeit. Und doch hat diese Plage Suchtpotential. " Man muss schon wiesndamisch sein, um das zu machen", sagte Rudi Past und lachte zufrieden.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2676072
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 05.10.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.