Süddeutsche Zeitung

Kratzers Wortschatz:Leni dradantum, procenta!

Die Bedeutung der Kirchweih sank gleichzeitig mit dem Niedergang der Landwirtschaft - sieht man mal vom kulinarischen Wert des Festes ab. Ob das allerdings eine Zipfebritschn interessaiert - fraglich

Anten

Bis vor wenigen Jahrzehnten war das Kirchweihfest (Kirta) eines der bedeutendsten Feste im Jahreslauf. Mit dem Niedergang der Landwirtschaft sank die Bedeutung der Kirchweih, die in der Regel am dritten Oktobersonntag gefeiert wird. Im Kirchenjahr nimmt sie zwar immer noch einen hohen Rang ein, die weltliche Tradition aber wird nur noch von der Gastronomie gepflegt. Als Leckerbissen wird die Kirchweihgans allgemein geschätzt, manchmal wird aber auch eine Ente aufgetischt, a Anten (a wird hell gesprochen), wie man in Südbayern sagt. Nach wie vor wird eine Anten nur zu besonderen Anlässen aufgetischt. So war es auch früher, wie den Erinnerungen der Autorin Magdalena Stoeckl zu entnehmen ist: "Nach jeder Kindstauf kreuzte mein Vater bei der Pfarrerköchin auf. Mit einer Anten, gut körndlgefüttert." Das Wort Anten ist schon deshalb interessant, weil darin noch das althochdeutsche Urwort anut durchscheint, im Mittelhochdeutschen wurde daraus der ant, ein Maskulinum. Später wurde daraus die feminine Ente. Die Anten ist auch in Ortsnamen erhalten geblieben: Antenbichl, Antenfressen, Antenfuß, Antenloh . . . Populär wurde die Anten durch die oft zitierte Mahnung eines genussfreudigen Pfarrers, der in einer Predigt seiner Köchin Leni in pseudolateinischen Worten auftrug: "Leni dradantum procenta!" (Leni dreh die Ente um, brate sie auch auf der anderen Seite!).

Zipfebritschn

Vergangene Woche ist an dieser Stelle das beliebte Schimpfwort Zipfeklatscher zur Sprache gekommen, mit dem gelegentlich ein Idiot oder ein einfältiger Mensch bedacht wird. Tatsächlich gibt es zu diesem Begriff ein weibliches Pendant, die Zipfebritschn, die wie der Zipfeklatscher aus dem erotischen Schmutzwörterkatalog entlehnt ist. Mit diesem Schimpfwort wird eine bösartige, klatschsüchtige Frau bedacht, wenn die Kommunikation auf der untersten Sprachebene geführt wird. Außer der Zipfebritschn wird auch der Name Dreckbritschn in den Ring geworfen. Beide Wörter sollen dem Begriff Britschn, der nach der Wende im Schimpfwort Ossi-Britschn eine Zeitlang Konjunktur hatte, noch mehr Wucht verleihen. Auch Prostituierte werden als Britschn bezeichnet.

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SZ vom 19.10.2015
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