Süddeutsche Zeitung

Kratzers Wortschatz:Gemeinderäte, Knaukerer und knickerte Hunde

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Politische Harmonie ist in kommunalen Gremien gar nicht so selten. Was aber nicht heißt, dass alles zum Besten steht

Kolumne von Hans Kratzer

Knaukerer

Nach der Kommunalwahl müssen sich die Stadt- und Gemeinderäte je nach dem Wahlergebnis wieder neu sortieren. Es herrscht ja insgesamt eine große Flexibilität, was den Arbeitsstil dieser Gremien betrifft. Es gibt Gemeinderäte, in denen ständig um die bestmögliche Lösung gestritten wird. Am leidenschaftlichsten oft dann, wenn es um die Beschaffung einer Schaufel für den Bauhof geht, weil sich das so mancher Rat besser vorstellen kann als die Finanzierung eines abstrakten Millionenprojekts. Es gibt aber auch Gremien, die permanent Eintracht und Harmonie verströmen. Dort erfolgen über alle Parteigrenzen hinweg fast alle Abstimmungen einstimmig. In solchen Gemeinderäten sitzen sogenannte Gnaupperer, wie man im Bayerischen Wald willige Ja-Sager nennt, die den Vorstellungen ihres Bürgermeisters widerstandslos folgen. In Zehetners Lexikon "Bairisches Deutsch" ist das Wort als Knaukerer vermerkt. Gnaupperer und Knaukerer sind Menschen, die knauggan, die also nicht nur zum Gruß mit dem Kopf nicken, sondern zu allem zustimmend nicken. Haben die Knaukerer die Mehrheit im Gemeinderat, herrscht dort zwar Ruhe, was aber einer Gemeinde nicht unbedingt immer zum Vorteil gereicht.

knickert

So mancher Knaukerer ist auch knickert. Knickerte Menschen sind knausrig, kleinlich und geizig. In der BR-Serie "Dahoam is Dahoam" sagte die Wirts-Oma Brunner über einen Gast, der einen Seniorenteller bezahlt, aber dann einen kostenlosen Nachschlag gefordert hatte: "Hobs do glei gwusst, dass uns der knickerte Hund bloß bscheißn wui!" Gerne wird das Adjektiv knickert mit einem Schimpfwort erweitert. Der knickerte Hund ist beliebt, aber bestimmt keine Auszeichnung. Ein Universalurteil fällte einst der Autor Ludwig Fichtlscherer über seine Heimatstadt: "Da Rengschburger is vo Natur aus gniggad", schrieb er. Knickert zu sein, kann böse enden. Ein Kollege spekulierte über einen Mann, der durch einen Treppensturz ums Leben kam: "Vielleicht, weil er knickert war und 's Liacht ned eingschalten hat."

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SZ vom 10.03.2020
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