Süddeutsche Zeitung

Kratzers Wortschatz:Ganshaxerl abfieseln und Bifflamott genießen

Beim Fieseln darf, nein, sollte Besteck getrost ignoriert werden. Anders ist's beim Bifflamott: Wer zu gierig (und ohne Gabel) isst, verbrennt sich die Finger

Kolumne von Hans Kratzer

fieseln

Das bildkräftige Verb fieseln leidet ebenfalls unter der Coronakrise. Da zurzeit keine Volksfeste, keine Fahnenweihen und keine Vereinsjubiläen gefeiert werden, gibt es auch nichts mehr zu fieseln oder abzufieseln, keinen Gickerl, keine Gans, keine Ripperl. Fieseln ist eine naturgegebene Esstechnik aus Zeiten, in denen es noch rustikal herging und der Trend zur gesunden Ernährung noch nicht so ausgeprägt war wie heute. Das belegt auch die soeben im Bayerischen Fernsehen wiederholte Serie "Der Millionenbauer". In der letzten Folge (Der Schmuh) sitzt die Familie Hartinger in einem Wirtshaus, es gibt Gans und Ente. Und alle greifen mit den Fingern nach den fettigen Haxerln. Rosa Hartinger (Veronika Fitz) sagt zufrieden zu ihrem Enkel: "Wir fieseln, gell Beppi!" Ihren Mann (Walter Sedlmayr) fragt sie sodann: "Warum isstn dein Fleisch ned auf? Daheim fieselst doch auch!" Die Tochter (Monika Baumgartner) wirft ein: "Fieseln is bei da Gans erlaubt, Babba!" Fieseln heißt: das Fleisch von den Knochen abnagen. Wenn die Finger fettig sind, ist dem Genuss keine Grenze mehr gesetzt. Fieseln heißt aber auch, etwas genau zu nehmen. Eine Fie- selarbeit verlangt penible Exaktheit, leider ist sie aber meistens wenig einträglich.

Bifflamott

Die französische Küche hat in Bayern viele Spuren hinterlassen. Das Böfflamott dürfte beispielsweise ein Gericht aus der Napoleonzeit sein, es wird heute noch serviert. Das Wort Böfflamott ist hergeleitet vom französischen bœuf à la mode (Rindfleisch nach der Mode). Oft wird dafür ein Stück Rindfleisch in eine Rotweinbeize eingelegt, scharf angebraten und einige Stunden im Kochtopf geschmort. Dazu werden Spätzle oder Semmelknödel gereicht. Im Bairischen ist statt Böfflamott auch Bifflamott zu hören. In der Serie "Monaco Franze" sagt Erni Singerl als grantelnde Haushälterin Irmgard durchgehend Bifflamott.

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Quelle:
SZ vom 08.02.2021
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