Kratzers Wortschatz:Für jeden Semmelkopf ein Brötchen

Wie man in einer bayerischen Bäckerei eine ordentliche Bestellung aufgibt und warum eine Politikerin kürzlich bockbeinig war

Kolumne von Hans Kratzer

Semmel

Der Münchner Merkur hat am Mittwoch in einer Art Alarm-Meldung verbreitet, Ministerpräsident Markus Söder habe sich in einem aktuellen Interview mit einer Illustrierten einen Sprachfehler (Fauxpas) geleistet. In dem nämlichen Gespräch hatte er verraten, was zu Hause sein Aufgabenbereich ist: Brötchen holen! Da trägt er in der Tat eine große Verantwortung, nicht zuletzt in sprachlicher Hinsicht. Wie kommt der Ministerpräsident dazu, in Bayern nach "Brötchen" zu fragen? Vielleicht habe er durch seine häufigen Besuche in Berlin vergessen, wie man in einer bayerischen Bäckerei eine Bestellung abgibt, spekuliert der Merkur und merkt an, im Freistaat sei es üblich ist, Semmeln zu holen oder auch Weggla, wie sie in Söders Heimat Nürnberg genannt werden. Semmel ist ein urbayerisches Wort, das auf die alten Römer zurückgeht. Diese brachten einst den Weizen in die Gegend des heutigen Bayern und mahlten daraus feines Mehl, das sie simila nannten. Im Althochdeutschen wurde daraus semela, weißes Brot, während es nördlich des Limes nur roggernes dunkles Brot gab. Die CSU vergisst diese Tradition gerne, auf den Parteitagen wurden schon Currywurst und Schrippen kredenzt. Dabei hat die Semmel - im Gegensatz zur Schrippe und zum Brötchen - sogar den Sprung in die Schriftsprache geschafft. Wie sagte Goethe zu den Prinzen von Gotha: "Nun, ihr Semmelköpfe, was macht ihr?"

Bocken

Kollege O. hat neulich recht gejammert, weil ihn eine Politikerin, die ihm dringend eine Frage beantworten sollte, partout nicht zurückrief. In die allgemeine Ratlosigkeit, warum sie sich nicht rührte, fiel dann die Frage, ob sie vielleicht bocke, also bockig oder eingeschnappt sei. Ist jemand widerspenstig, sagt man auch, er oder sie seien störrisch wie ein Bock und bockbeinig. Attraktiv klingt auch das Adjektiv bockstarrig (bockstarrad), das ebenfalls ein Synonym für störrisch ist, aber auch für stocksteif. Wenn alte Männer nach längerer Pause Fußball spielen, stehen sie in der Regel bockstarrig auf dem Platz.

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