Süddeutsche Zeitung

Kratzers Wortschatz:Freud und Leid mit Synonymen

Warum ein Zahnarzt für einen alten Dialekt-Ausdruck kritisiert wird und ein Schlagersänger für ein falsch verwendetes Wort viel Sympathie bekommt

Kolumne von Hans Kratzer

Fotznspanglerei

In Garmisch-Partenkirchen hat eine Zahnarztpraxis eröffnet, die den ungewöhnlichen Namen Fotznspanglerei führt. Dieser Dialektbegriff ist ein Synonym für den Zahnarzt oder den Kieferorthopäden, ausgehend von dem Begriff Fotzn, der das Gesicht, den Mund und die Ohrfeige benennt. Außerhalb von Bayern wird das Wort als Bezeichnung für das weibliche Geschlechtsteil verwendet, das führt dann oft zu Missverständnissen. Die Betreiber der Garmischer Praxis beziehen das Wort laut ihrer Homepage auf ihre zahnärztliche Arbeit, die ja stark handwerklich geprägt ist (Spengler, Spangler=Blechschmied, Installateur). Analog dazu kennt man in Berlin den Zahnklempner. In Garmisch erheben Sprachsensible bereits ihre Stimme gegen den "vulgären" Begriff Fotznspanglerei. Niklas Hilber (Bund Bairische Sprache) sagt, hinter dieser Kritik stecke der Wunsch nach einer Sagrotanwelt, in der die "Miasmen des Lebens" (Fleischverzehr, Alkohol, Sex, Nacktheit, Heiterkeit usw.), nicht mehr vorkommen, auch sprachlich nicht. Wohin diese Kritik strebe, da sei "das Ende, das Eis, die Reinheit und das Nichts" (Thomas Mann, Beim Propheten).

Niedrigbayern

Bayern hat sieben Regierungsbezirke, fast zu viele, um sie stets parat zu haben. Zum einen gibt es den altbayerischen Block mit Oberbayern, Niederbayern und der Oberpfalz, dann Schwaben und schließlich die fränkischen Bezirke Ober-, Unter- und Mittelfranken. Am wenigsten trägt man es einem Engländer nach, wenn er da etwas durcheinanderbringt. Der britische Schlagersänger Graham Bonney, der es in den 70er-Jahren mit Hits wie "Supergirl" und "Papa Joe" zu einigem Ruhm brachte, ist vergangene Woche bei der Schlagernacht im niederbayerischen Velden aufgetreten und hat das Publikum mit seiner Sangeskunst in Wallung gebracht. Aber auch den sprachlich Interessierten servierte Bonney ein Schmankerl, als er nämlich kundtat, er freue sich sehr, in Niedrigbayern auftreten zu dürfen. Dieser Satz war fast anrührender als seine Songs, es stimmt ja auch: Die Arbeitslosenzahl in Niederbayern ist niedrig, auch die Berge sind niedrig, und die Verzagtheit sowieso. Graham Bonney hat seine Sache gut gemacht, die Veldener freuen sich schon auf sein nächstes Gastspiel in Niedrigbayern.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4488030
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 17.06.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.