Kratzers Wortschatz:Alles Wurst

Alles andere als dahingewurschtelt: Der Sieg von Conchita Wurst beim Eurovision Song Contest ist ein Sieg der Toleranz. Der Name der österreichischen Kunstfigur passt dabei bestens ins Schema.

SZ-Autor Hans Kratzer erklärt Begriffe der bairischen Sprache.

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59th Eurovision Song Contest

Quelle: dpa

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Alles andere als dahingewurschtelt: Der Sieg von Conchita Wurst beim Eurovision Song Contest ist ein Sieg der Toleranz. Und der Name der österreichischen Kunstfigur passt dabei bestens ins Schema.

Wurscht

Der Sieg der bärtigen österreichischen Kunstfigur Conchita Wurst beim Eurovision Song Contest in Kopenhagen war berührend, weil die kuriose Dame den europäischen Grundgedanken der Toleranz mit Leben erfüllt hat. Der Name Wurst passt gut ins Schema, denn dieses Wort atmet im bayerisch-österreichischen Sprachkosmos eine geradezu universelle Weite, die weit über das Großreich der Würste hinausstrahlt.

Als prädikatives Adjektiv ist wurst/wurscht von großer Bildhaftigkeit. "Des is mir wurscht!" heißt: Das ist mir egal! Die Verben wursteln und dahinwursteln bringen zum Ausdruck, dass einer planlos und schlampig arbeitet. Conchita Wurst hat auf ihrem Weg nach Kopenhagen alles andere als dahingewurschtelt. Im Gegensatz zu jenen politischen Akteuren, die beim Vollzug der Energiewende umso leidenschaftlicher vor sich hinwurschteln.

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Quelle: Claus Schunk

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Neidappt

Obwohl er Vorsitzender des Landesdenkmalrats ist, scheint Thomas Goppel (CSU) kein lupenreiner Denkmalschützer zu sein. Wie hätte er sonst in einer internen E-Mail seine Kollegen im Landesdenkmalrat als Denkmalfreaks bezeichnet können, die es zu überlisten gelte. Sein Fauxpas hat Staub aufgewirbelt. Goppel befürwortet den geplanten Teilabriss des Fürstenfeldbrucker Lichtspielhauses - viele Denkmalschützer sind anderer Meinung. "Wir werden uns sputen müssen, weil im Landesdenkmalrat die Denkmalfreaks aus dem ganzen Freistaat versammelt sind", schrieb Goppel dem Fürstenfeldbrucker Bürgermeister. Damit ist er im klassischen Sinne neidappt, wie man in Bayern sagt, er hat gleichsam in den Dreck getappt, denn die Mail machte versehentlich die Runde. Die CSU hat das Wort neidappt selber populär gemacht, nämlich mit dem Slogan "Einmal neidappt langt" im Bundestagswahlkampf 1972, mit dem sie - vergeblich - eine weitere Periode der sozialliberalen Koalition von SPD und FDP verhindern wollte.

Du gfreist mi!

Mancher Denkmalschützer wird jetzt zu Goppel sagen: "Ja du freust mich!" oder im Dialekt: "Du gfreist mi!" Der Spruch drückt echte bayerische Dialektik aus: Zu einem, der einen geärgert hat, sagt man ungeniert, er erfreue einen. Vor allem die Niederbayern lieben diesen Ausruf, wenn ihnen jemand eine unangenehme Überraschung bereitet. Und das ist keinesfalls ein neumodischer Spruch, vielmehr hat er eine grandiose Vergangenheit hinter sich. "Du freyst mych!" war bereits der Leibspruch des Herzogs Ludwig des Reichen (1450-1479), eines der berühmten Reichen Herzöge von Landshut. Er war der Vater von Georg, dem Bräutigam der Landshuter Hochzeit von 1475. Die Devise "Du freyst mych" unterstrich das Image des freigebigen Fürsten und ist somit ein Sprachdenkmal, das man durch eifrigen Gebrauch vor dem Untergang bewahren sollte.

Shakespeare Geburtstag

Quelle: oh

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Lewenddig oda gschdoama

Wenn Hamlet auf der Bühne über das menschliche Elend sinniert ("to be or not to be - that is the question"), berührt dies auch den Wutbürger in der ersten Reihe. Gerade ihn quält ja die Frage, ob er Windräder und sonstige Zumutungen erdulden oder ihnen entfliehen solle. "Zefix!" würde er am liebsten fluchen, wenn's nicht gar so deppert klänge im Vergleich zur Sprachkunst des Hamlet: "Ob's edler im Gemüt, die Pfeil' und Schleudern des wütenden Geschicks zu erdulden oder, sich waffnend gegen eine See von Plagen, durch Widerstand sie zu enden . . ."

Trotzdem wurde in Eichstätt kürzlich erörtert, was ein bayerischer Hamlet an dieser Stelle sagen würde. Das Ergebnis: Es würde temperamentvoller hergehen, so gradraus, wie Ludwig Merkle einst das "to be or not to be" übersetzt hat: "Lewenddig oda gschdoama, ja, dees fragd si: Wia hasd as gmiaddlicha, wannsd schee geduidig sagst: Nua hear auf me, oda wannsd oafach zuadrahsd, Schluss aus Ebbfi amen."

Leider ist bei den jüngsten Elogen zu Shakespeares 450. Geburtstag zu kurz gekommen, dass der Schwung seiner Dramen tatsächlich erst im Dialekt zu ermessen ist. Etwa, wenn der Falstaff plötzlich dick wie ein "auseinandgfallener Semmelknödl" geschildert wird. Gewiss, Shakespeare-Verehrer werden jetzt aufjaulen, sie sehen den Dichter allein neben Goethe und Schiller. Und doch streiften seit jeher englische Komödianten durchs Kurfürstentum Bayern, damit sich das Volk an derben Versionen "Vonn Romeo unndt Julitha" ergötzte. Im 19. Jahrhundert war Shakespeare dann ein Klassiker des bayerischen Bauerntheaters, sagt der Germanist Wolfgang Weiß, der den riesigen Kosmos des bayerischen Shakespeare-Theaters ans Licht gebracht hat. Zu seinen Forschungen hatte ihn einst eine Hamletaufführung in Seebruck ermuntert, bei der ein Bauer die maliziöse Seite der Obrigkeit ergreifend kommentiert hatte: "Bazen hans scho gwen, de Firschtn!" (das heißt ungefähr: Fürst ist gleich Bazi). Wie die Farbigkeit der Shakespeare-Stücke im Dialekt zur Blüte gelangt, zeigt ganz wunderbar Hanns Vogels Version des "All the World's a Stage"-Monologes: . . .

As Butzerl, dees im Wagerl kraht,

Is froh, dass mas net abtriebn hat.

JVA Landsberg

Quelle: dpa

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Zeiserlwagen

Die durch die Causa Hoeneß motivierte Gefängnisshow in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Landsberg war ein Schmarrn. Es profitierte nur der Voyeurismus, untertänigst serviert von Politik, Presse und JVA. Die Blamage wäre freilich noch zu steigern, wenn man den verurteilten Steuerhinterzieher Hoeneß öffentlich im Zeiserlwagen zum Haftantritt in die JVA Landsberg kutschieren würde. Das war früher, als den Delinquenten noch das Schafott und das dunkle Verlies drohten, durchaus üblich.

Die Häftlinge wurden damals in offenen Polizeifahrzeugen transportiert, die im Volksmund Zeiserlwagen hießen, analog zur Grünen Minna in Berlin. Es ist ein merkwürdig lustig klingender Name für eine so ernste Angelegenheit. Sofort kommt einem das Zeiserl in den Sinn, wie es im Kinderlied besungen wird: "Stieglitz, Stieglitz, 's Zeiserl is krank . . ." Das Wort Zeiserl ist ein Synonym für den Singvogel Zeisig. Laut dem Sprachforscher Ludwig Zehetner besteht aber kein direkter Zusammenhang zwischen Zeiserl und Zeiserlwagen. Denn das Polizeigefährt hieß ursprünglich Zeiselwagen. In diesem Substantiv steckt das alte Verb "zeiseln" (eilen). Den Zeisler definiert Zehetner als eine eilige Person, die unkonzentriert und ineffektiv arbeitet, er ist also ein Umstandskramer. In seinem "Bayerischen Wörterbuch" aus dem 19. Jahrhundert beschreibt Schmeller den Zeiselwagen als "Eilwagen der wohlfeilsten Art, meist ein ganz gewöhnlicher Leiterwagen mit Querbrettern zum Sitzen".

Als das Verb zeiseln aus der Mode kam, wich das Bestimmungswort Zeisel- dem Vogelnamen Zeiserl. Zehetner nennt dies eine volksetymologische Umdeutung. Im Wien der k.u.k.-Ära verkehrten die Zeiserlwagen als ein preisgünstiges Massenverkehrsmittel. Sogar heute kann man in einigen Wiener Stadtbezirken noch einen Zeiserlwagen für eine Rundfahrt bestellen, gleichsam als XXL-Version des Fiakers.

Rindfleisch aus Weidehaltung

Quelle: dpa

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Mirznkaiwi

Viele Bairischsprecher pflegen eine unverwechselbare Klangvirtuosität, die sich meistens aus uralten Vokalverschiebungsregeln speist. Aus diesem Grund heißt beispielsweise der März in traditionsgebundenen Gegenden seit altersher Mirz. Dementsprechend gibt es traditionelle Wortverbindungen wie Mirznsunn (Märzensonne), Mirznbleame (Frühlingsblumen) und vor allem das Mirznkaiwi oder Mirzenkaibl (Märzenkalb). In manchen Gegenden Südbayerns und Österreichs, etwa im Voralpenland und in der Wachau, leistet das Mirznkaiwi bei der Erziehung der Jugend willkommene Dienste. Als die Kinder mehrheitlich noch nicht so verweichlicht waren wie heute und ihnen vor allem die freie Natur als Spielplatz diente, da tobten sie, beschirmt von den ersten Sonnenstrahlen im März, stundenlang im Freien herum. Im Eifer des Gefechts kam es immer wieder vor, dass ihre Kleidung für die Jahreszeit allzu luftig war. In solchen Fällen riefen dann die Mutter und die Großmutter warnend: "Schau, dass dich das Mirznkaiwi nicht beißt!" Das heißt: Pass auf, zieh deine Jacke an, damit du dich nicht erkältest! Hat sich ein Mensch im März erkältet oder sich gar eine Lungenentzündung eingefangen, so sagen mitfühlende Menschen gerne: "Den hat 's Mirznkaiwi bissn!"

Felix Neureuther After Car Crash

Quelle: Bongarts/Getty Images

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dawei lassen

Im Bairischen gibt es Begriffe, die sehr russisch klingen. Zu ihnen gehört das Wörtlein dawei. Dawei haben heißt Zeit haben. Lass dir dawei! bedeutet: Lass dir Zeit! Felix Neureuther hat sich auf dem Weg ins russische Sotschi nicht dawei lassen und einen Unfall gebaut. Und mancher Bayer sagte während der Olympiaübertragungen aus Sotschi zu seinen Freunden: "I hob jetzt ned dawei!" - "Ich hab keine Zeit!"

Startbahn-Prozess München

Quelle: dpa

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Muhackl

Erwin Allesch, Vorsitzender Richter des achten Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, hat alle Klagen gegen die geplante dritte Startbahn des Münchner Flughafens abgeschmettert. Nach dem Urteil kam es im Sitzungssaal zu lauten Protesten. Enttäuschte Zuhörer stimmten die Bayernhymne an. Daraufhin ließ der Richter den Saal räumen. Einige Startbahngegner schleuderten ihm nicht nur Protestworte wie Sauerei und Unverschämtheit entgegen, sondern auch sprachhistorische Begriffe wie das Wörtlein Muhackl.

Es ist schwer zu übersetzen, Wörterbuch-Erklärungen wie gscherter Lackl und grobes Mannsbild treffen den Kern nicht ganz. Der Sprachforscher Josef Ilmberger leitete das Wort einst vom Muh eines Stieres her, und den Hackl interpretierte er als einen geistigen Haken. Richter Allesch, der aus dem Bayerischen Wald stammt, hat diese Aufwallung wohl auch deshalb auf sich gezogen, weil er durch väterlich wirkende Zuwendung bei den Petenten immer wieder Hoffnungen weckt, dann aber aus Sicht von natursensiblen Bürgern verstörend gnadenlose Urteile fällt. Umstrittene staatliche Planungen wie Isentalautobahn, Kramertunnel, B 15 neu und dritte Startbahn hat er so rigoros durchgewunken, dass sich das klagende Volk so hilflos vorkam wie der kleine Mann in einem Kafka-Roman. Das Ziel der Kläger rückte, obwohl es greifbar nahe zu sein schien, in unerreichbare Ferne.

Der Muhackl, den einige Prozessbeobachter hervorgezaubert haben, ist somit Ausdruck einer Ohnmacht, wie sie die Bayern auch bei der Reichsgründung anno 1871 verspürt haben, als sie ihre Souveränität verloren und sich dem Erzfeind Preußen unterwerfen mussten. "Alle Preußen san Muhackl!", schimpften die Bayern nach 1871 noch viele Jahrzehnte lang.

Franz Beckenbauer

Quelle: Tobias Hase/dpa

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Oide Krauterer

Im Zeitalter des Jugendwahns schaut der Mensch selbst in der Blüte des Lebens bisweilen ziemlich alt aus. Recht extrem ist diese Haltung im Reich des Sports. Wenn ein Athlet das 30. Lebensjahr überschritten hat, zählt er bereits zum alten Eisen. Die Olympischen Spiele in Sotschi aber setzen diese Regel eindrucksvoll außer Kraft. Noch nie hat man so viele 40-jährige Supersportler gesehen, die Medaillen gewinnen - wie soeben der Biathlet Ole Einar Björndalen (40), die Rodler Albert Michailowitsch Demtschenko (42) und Armin Zöggeler (40) sowie der Skispringer Noriaki Kasai (41). Nicht zu vergessen die Eishockeystars Jaromir Jagr (42) und Teemu Selänne (43), Curling-Spieler John Jahr (48) und die Eisschnellläuferin Claudia Pechstein (41).

Die Zeiten, in denen angegraute Sportler auf gut bairisch als oide Krauterer belächelt wurden, sind also vorbei. Als alte Krauterer galten bislang Männer mit morschen Knochen, die von diversen Gebrechen geplagt werden und das Wasser nicht mehr halten können. Im Sport schaut es nun so aus, als seien alle oidn Krauterer in einen Jungbrunnen gefallen.

Der FC Bayern sollte durchaus darüber nachdenken, den (rein sportlich betrachtet) oidn Krauterer Franz Beckenbauer als Abwehrchef zu reaktivieren. Alt genug wäre er.

Sotschi 2014: Skispringen Männer

Quelle: action press

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Stockerl

Österreich hadert. Leider hat es am Wochenende weder beim Skispringen noch beim Super-G-Rennen in Sotschi ein Landsmann aufs Stockerl geschafft. Umso heftiger klagen die Blätter im Nachbarland, die ihre Athleten so gerne mit dem Lieblingswort des österreichischen Sportjournalismus schmücken.

Das Stockerl steht in Österreich für das höchste Sportlerglück, also für das Siegerpodest. Aber auch in den Sportteilen der bayerischen Zeitungen erfreut sich dieser Austriazismus zunehmender Beliebtheit. Bei den Olympischen Spielen wird ein dreistufiges Podest für die Siegerehrung hervorgezaubert. Die mittlere Stufe ragt am höchsten auf und ist dem Sieger vorbehalten. "Rauf aufs Treppchen!", sagen die ARD-Reporter, "rauf aufs Stockerl!", jubeln die Kollegen vom ORF.

Schokomund

Quelle: Julian Stratenschulte/dpa

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Riassl

Eine Pizzeria im Münchner Umland war vor kurzem Schauplatz einer herrlichen Unterhaltung. Zwei junge Mütter und drei kleine Mädchen im Grundschul- und Kindergartenalter saßen vor ihren Pizzen und schnatterten. Alle fünf waren frisch frisiert und fein herausgeputzt mit Schleiferln und Rüscherln. Kein Mensch hätte erwartet, dass sie des Dialekts mächtig sind.

Plötzlich kündigte eines der Mädchen im schönsten Bairisch an, sie wolle sich eine Stoffserviette auf den Schoß legen. "Ich mechad jetz a feine Dame sein!", sagte die Kleine kokett. Da antwortete die Mama: "Do miassma aber erst an Riassl obwischn!" "An Riassl?" "Ja, an Riassl!" Dieser Dialog zeigt die feinen Abstufungen des Dialekts.

Im Gegensatz zum ganzen Gesicht definiert der Begriff Riassl (Rüssel) die Mundpartie, wenn sie schon länger keinen Waschlappen mehr gesehen hat. In diesem Fall klebten Pizzabrösel mit Tomatensoss' um den Mund des Mädchens, also um den Riassl, der uns im Mittelhochdeutschen als rüezel begegnet. Früher nannte man einen Mann mit schmutzigem Gesicht einen Schmiedriassl. Zu einem neugierigen Menschen sagt man: "Muaßt du überall dein Riassl neistecka?"

Plenarsitzung Bayerischer Landtag

Quelle: dpa

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Herrgottsa

Die Energiewende strapaziert das Nervenkostüm von CSU-Chef Horst Seehofer, der mit dem Versuch, es allen recht zu machen, viele gegen sich aufgebracht hat. Am Mittwoch wäre dem Ministerpräsidenten im Landtag beinahe ein Kraftausdruck herausgerutscht, den er aber zu einem "Herrgottsa" abmilderte.

Der Herrgott spielt im bayerischen Sprachgebrauch eine große Rolle, siehe den Herrgottswinkel. Auch im Schimpfwortkanon ist er gut vertreten, etwa beim Fluch Herrgottsakrament. Herrgottsa ist die Kurzform und somit ein verschleierter Fluch, also eine stark abgemilderte Form.

Auch bei jungen Leuten ist dieser Ausdruck wieder beliebt. Im Internet kursiert die Form Hakozar, um die eine oder andere Aussage auf diese Weise zu verstärken. "Hakozar, so ein schönes Fest!"

RTL-Dschungelcamp 2014

Quelle: dpa

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Goaß

Zwei junge Damen aus dem RTL-Dschungelcamp haben das Fernsehpublikum in den vergangenen 14 Tagen emotional erregt. Freilich, die siegreiche Sächsin Melanie und vor allem die österreichische Bohnenstange Larissa bündig zu charakterisieren, ist so gut wie unmöglich. Melanie zertrümmerte das Klischee der Wasserstoffblondine aus dem Osten komplett, und für die zwischen Tollpatschigkeit und Genialität changierende Larissa muss man auf das Schatzkästlein des Dialekts ausweichen, um eine für sie zutreffende Beschreibung zu finden. Larissa erwies sich nämlich als eine Goaß in Reinkultur (bairisch Geiß, schwäbisch Goiß, oberfränkisch Gaaß). Eine Goaß gilt im Dialekt als eine Kreuzung aus Luder, Ziefern, blöder Kuh und Krampfhenne, welche aber zudem die liebenswerten Züge einer Bixn, eines Botscherls und einer Heigeign trägt. Ihr Charakter ist also so trüb wie eine Goaßmaß, die aus Cola, dunklem Weißbier sowie einem Stamperl Kirschlikör oder Cognac zusammengeschüttet wird. Saufrunden lieben die Goaßmaß auch mit Ei, womit wir wieder bei den Würgereiz erzeugenden Gerichten und Getränken angelangt sind, wie sie im Dschungelcamp serviert werden.

Hosentürlwetzer

Vor kurzem ist die bayerisch-österreichische Band Baff in Bad Kötzting aufgetreten, und die nützte die Gelegenheit, um die Konzertankündigung mit der plakativen Überschrift "Headbanging und Hosentürlwetzen" zu schmücken. Laut Vorbericht zelebriert Baff den Schnult, also eine "Mischung aus Schnulze und Kult oder aus Headbanging und Hosentürlwetzen." Dieser Begriff ist nicht so anrüchig, wie er klingt. Ein schnulziger Schieber, also ein Tanz mit engem Körperkontakt heißt in Bayern seit jeher Hosentürlwetzer und wurde selbst in moralisch strengen Zeiten nicht aus der Welt geschafft.

Josefa Schmid

Quelle: oh

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migert

Die durch ihre Sangeskunst ("weusd a Herz hast wie a Bergwerk") weit und breit bekannte Kollnburger Bürgermeisterin Josefa Schmid ist der Einladung zum Neujahrsempfang des Ministerpräsidenten gerne gefolgt. Wie die Lokalzeitung anschließend berichtet hat, begrüßte Horst Seehofer seine Kollegin mit einem politischen Scherz: "Wann greifen Sie mich denn wieder an, Frau Schmid?" Das war als eine Anspielung auf deren verzwickte CSU-Vergangenheit zu verstehen. Die keineswegs an einem Minderwertigkeitskomplex leidende Frau Schmid konterte lächelnd, sie werde sich dauerhaft um Besserung bemühen. Seehofer reagierte auf Schmids Anwesenheit jedenfalls viel gelassener als die vom Testosteron geplagte Bayerwald-CSU, die an einem Schmid-Komplex leidet. Seehofer hält diese Frau, wie man in Niederbayern sagt, trotzdem für migert (mögert), denn er legte sogar seinen Arm um die blonde Josefa.

Das tut man nur bei Menschen, die man mag. Seehofer könnte sich damit aber den Zorn des Landwirtschaftsministers und CSU-Kreisvorsitzenden im Landkreis Regen, Helmut Brunner, zugezogen haben, der ja ein Kontaktverbot zum "Schmid-Sefferl" verhängt hat. Der Grund: 2008 ging sie bei der Bürgermeisterwahl in Kollnburg als CSU-Mitglied für die Freien Wähler ins Rennen und gewann souverän. Brunner betrachtet Schmid keineswegs als migert und drängte sie zum Parteiaustritt, bis sie Zuflucht bei der FDP suchte. Die aber gilt bei vielen Wählern auch nicht mehr als migert.

Kuh

Quelle: Sven Hoppe/dpa

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Rucksackstier

Die Bayerwald-Buckel zwischen Straubing und Cham sind noch mit vielen Bauernhöfen gesprenkelt, deren Viehhaltung auch die Problematik der tierischen Fortpflanzung aufwirft. Als sich die Tierärzte auf diesem Felde überfordert fühlten, begann die große Zeit der Besamungstechniker, die sich in Verbünden organisierten.

Einer heißt Niederbayerische Besamungsgenossenschaft, was auf ihren Dienstwägen abzulesen ist. Weil die Besamer das tierische Sperma im Rucksack transportieren, hat der Volksmund im Bayerwald diesem Berufsstand einen schönen Beinamen verpasst. Deshalb werden Besamungstechniker dort Rucksackstier genannt.

Die Schwester eines solchen Rucksackstiers hatte 1961 nach Amerika geheiratet. Bei einem Heimatbesuch las sie auf dessen Auto die Aufschrift Besamungsgenossenschaft. Ob denn seine Frau das mitmache, fragte sie ihren Bruder entsetzt. In Amerika sind Rucksackstiere eine unbekannte Größe.

(mehr zum Thema im nächsten Bild)

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Quelle: Christian Endt, Fotografie & Lic

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Bummerl

Mehrere Leser haben zum Begriff Rucksackstier (voriges Bild) angemerkt, die Besamungstechniker seien auch unter dem Begriff Rucksackbummerl bekannt. Bummerl ist ein kräftiges und einprägsames Synonym für den Stier. Als Bummerl werden auch Mannsbilder bezeichnet, die in Duktus und Gestus an einen Stier erinnern. Kommt noch Sturheit dazu, wird die Steigerungsform Moosbummerl gebraucht. Überdies sind Bummerl große, rundliche Steine, wie sie früher beim Bau von Bauernhäusern verwendet wurden.

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Quelle: Stephan Rumpf

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Ripperl

Vor wenigen Tagen war in der SZ ein Foto abgebildet, das auf der Zugspitze aufgenommen wurde. Dort war auf einer Tafel zu lesen: "Grüß Gott, Welcome, T-Bone-Steak mit Ofenkartoffel." Dann stand da noch etwas Kyrillisches. Bayerische Kost wird in dem Gasthaus wohl nicht serviert, denn sonst hätte auch noch ein Ripperl draufstehen müssen.

Das Ripperl, ein Schweinefleisch aus dem Rippenbereich, ist aus der Mode gekommen, vermutlich weil man es abfieseln muss. "A Ripperl und a Bier, des hob i ja bei mir", heißt es in der populären Brotzeit-Polka aus den 60er Jahren. Früher gab es auch noch das Zehnerlripperl, das der Kramer verkauft hat. Das war eine Schokolade und eine harte Währung. Es kostete immer nur ein Zehnerl, obwohl der Schoklad immer teurer wurde.

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Quelle: AFP

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Watschn

"Watschn für Seehofer", hat die SZ vergangene Woche getitelt. Da ging es um die Ministrantenjahre des Ministerpräsidenten, in denen er vom Pfarrer die eine oder andere Watschn kassiert hat. Eine Schlagzeile der Bildzeitung vom Tag zuvor lautete dagegen: "Seehofer watscht Ilse Aigner ab", was natürlich sinnbildlich zu verstehen war. Trotzdem wird hier evident, dass die Watschn in Seehofers Leben seit jeher eine dominierende Rolle spielt, in passiver wie in aktiver Form.

Allerdings hat sich der Status der Watschn im Laufe der Jahre gewandelt. Ohrfeigen und Watschn sind heute als Erziehungsmittel verpönt. Früher betrachteten Erwachsene das Recht, Watschn auszuteilen, als selbstverständlich.

Der Erdinger Pädagoge Valentin Reitmajer schreibt in seinem Buch "Kindheit in Niederbayern": "Pfarrer, Lehrer und auch der Mesner hatten in unserem Dorf von den Eltern ausgesprochen oder unausgesprochen das Recht, den ihnen anvertrauten Sprösslingen zur rechten Zeit, wenn es angemessen schien, eine Kopfnuss oder eine Watsche zu geben, um sie wieder auf den rechten Weg zu bringen."

Bekannte Synonyme für die Watschn heißen Schelln und Fotzn, sie unterscheiden sich nur durch den Intensitätsgrad des Zuschlagens.

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Quelle: Bauersachs

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Gschroameier

Weil die Sternsinger ihn nicht besucht hatten, schrie ein Mann im Landkreis Straubing laut herum und drohte den Buben den Kopf abzuschneiden. Seine Drohung untermauerte er durch eine Handbewegung, die als "Kopf kürzer" interpretiert wurde, weshalb die Polizei gerufen wurde. Der Mann ist das Paradebeispiel eines Gschroameiers, also eines Schreihalses, der wirres Zeug redet.

Wie beim Gschaftlhuber wird auch beim Gschroameier das Nennwort Gschroa (von schreien) mit einem geläufigen Namen verknüpft und personalisiert. "Dir schneid i glei an Kopf ab!" ist eine populäre Sentenz aus jenen Tagen, als die Watschn noch als anerkanntes Erziehungsmittel galt. Heute ist eine solche Aussage justiziabel. Einst nahm aber niemand die Drohung eines Gschroameiers ernst.

In Niederbayern gab es einmal einen Gschroameier, der zahlte Schulbuben zehn Pfennig, damit sie vor seinen Augen raufen sollten. Es war leicht verdientes Geld, denn gerauft und gerangelt wurde immer und überall. Der Gschroameier befriedigte auf diese Weise seine Lust an der Anarchie und am Unfrieden, ohne selber zuschlagen zu müssen.

Weitaus gefährlicher waren die stillen Wüteriche, deren Sadismus schmerzhafter war als jener der Gschroameier. Sie beließen es nicht bei der Drohung: "Glei fällt der Watschnbaam um!"

Nachtrag

Luise Maier aus Puchheim und mehrere andere Leser haben dazu angemerkt, dass sie das Wort nur in der Form Gschroamai (Schreimaul) kennen. Tatsächlich ist dies das gängige Schimpfwort gewesen. Gleichwohl hat sich in manchen Gegenden die Hybridform Gschroameier herausgebildet, was der Wortschatz-Autor aus eigenem Hören bestätigen kann

Was macht eigentlich ´Bernd das Brot" an Weihnachten?

Quelle: Soeren Stache/dpa

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zwider

Weihnachten und Jahreswechsel haben uns viele Feiertage und Bratengerichte beschert. Aber selbst Müßiggang und Völlerei werden mit der Zeit anstrengend, weshalb so mancher Weihnachtsurlauber im Schoße der Familie zwider geworden ist.

Zwider ist ein Wort, für das es in der Standardsprache keine hundertprozentige Entsprechung gibt. Am ehesten treffen die Adjektive, lästig, übellaunig und grantig zu, zwider ist eine Mischung aus all diesen Zuständen. Der Kriminalgeschichtenerfinder Robert Hültner hat das Gefühl des Zwiderseins in seinem jüngsten Roman "Am Ende des Tages" recht treffend platziert: "Und überhaupt musst nicht allweil so zwider sein" lässt er eine frustrierte Mutter zu ihrem Sohn sagen.

Die Musiker Schorsch Hampel und Arthur Dittlmann (bekannt als Rundfunksprecher bei Bayern 2) haben soeben die hörenswerte CD "Permanente Bluesmaschin" herausgebracht, auf der 16 Mundart-Bluesstückln zu hören sind. Ein Lied trägt den Titel "Zwida". Es könnte all jenen zugedacht sein, die an diesem Dienstag nach verdauter Weihnachtsgans wieder am Arbeitsplatz vorstellig werden müssen. Hampel singt: "I mog heid ned aufsteh, i mog aa ned liengbleim, i mog in koan Bus steing, i kon koane Leit seng, wei heid bin i zwida, und zwida mog i bleim ..."

Aber nicht nur der Mensch kann zwider sein, was folgender Satz des Autors Wugg Retzer aus den 60er Jahren belegt: "Es ist eine nasskalte, zwidere Nacht gewesen, stockfinster und mit einem Geschmack nach Schnee." Zwider sagt man auch, wenn einem etwas peinlich und unangenehm ist: "Mei, is mir des jetzt zwider."

Zwiderwurzn

Das zu zwider passende Substantiv ist das Wort Zwiderwurzn, das geschlechtsneutral ist, aber meistens auf weibliche Wesen übertragen wird. Man versteht darunter eine Frau, die sich selbst nicht mag, mürrisch und griesgrämig ist. Ihr Wesen ist so saudumm verdreht wie eine Wurzn, welche der Sprachforscher Josef Ilmberger einst als recht verkrüppelten, ineinander verflochtenen Wurzelstock definiert hat.

Lästig, übellaunig und grantig sind im ürbrigen auch Adjektive die perfekt auf diese Figur passen: Bernd das Brot (Bild).

Silvester auf der Reichenbachbrücke, 2009

Quelle: Stephan Rumpf

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Guten Rutsch!

Im deutschen Sprachraum ist es mittlerweile üblich, sich bis Silvester einen guten Rutsch ins neue Jahr zu wünschen. Das klingt dann so: "Schönen Gruß noch und einen guten Rutsch!" In Süddeutschland und in Österreich ist dieser Brauch vermutlich noch jung. Das schließt die germanistische Fakultät der Universität Augsburg aus folgender Notiz in der österreichischen Zeitung Die Presse (1993): "Du liebe Zeit, habe ich gegeifert, als vor Jahren der Gute Rutsch Mode wurde und das gute alte Glückwünschen zum Jahreswechsel abkam. Ist ja auch wirklich nicht gerade geistvoll; sehr salopp, flapsig, um nicht zu sagen schnoddrig."

Die Augsburger Germanisten vermuten, dass der gute Rutsch als Silvesterwunsch auf die Verwendung des Wortes Rutsch im Sinne von "kurze Reise" zurückgeht. Eine Ableitung aus dem hebräischen Rosch ha-Schana (jüdisches Neujahrsfest) halten die Wissenschaftler für unwahrscheinlich. Der Neujahrswunsch "guten Rutsch!" hat sich im frühen 20. Jahrhundert vermutlich durch eine Glückwunschpostkarte verbreitet. Im Übrigen fragte man in Altbayern einst nicht, was man an Silvester vorhabe, sondern: "Was duasdn im oidn Jahr?"

Gutes Neues!

Nach dem Silvesterfeuerwerk ist der gute Rutsch hoffentlich vollzogen. Nun wünscht man sich in der Regel ein gutes neues Jahr, wobei dieser Wunsch regional unterschiedlich formuliert wird, wie dem "Atlas zur deutschen Alltagssprache" zu entnehmen ist. Die Norddeutschen sagen demnach "frohes neues Jahr!" Es gibt jedoch Gebiete, in denen "Prost Neujahr" dominiert, was auch für Unterfranken gilt. Die Variante "Prosit Neujahr" ist nach den Erhebungen der Sprachforscher vor allem im östlichen Österreich gebräuchlich. In Mittel- und Oberfranken wünscht man sich ein "gesundes neues Jahr", was oft zu "gesundes Neues" verkürzt wird. In Altbayern wird der übliche Wunsch "Gutes neues Jahr" neuerdings von der Kurzform "gutes Neues" verdrängt. Im Dialekt hört sich das dann so an: "I wünsch dir a guats Neis!"

Gabriel und Slomka

Quelle: dpa

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abkasperln und zerhackeln

Am vergangenen Donnerstag haben sich ZDF-Moderatorin Marietta Slomka und SPD-Parteichef Sigmar Gabriel zur Freude des Fernsehpublikums ein Wortgefecht geliefert. Das Interview, das die Haltung der SPD-Mitglieder zum Koalitionsvertrag erhellen sollte, entwickelte eine hitzige Dynamik, da sich beide Parteien herzhaft angifteten, etwa nach der Art: "Frau Slomka, das stimmt nicht, was Sie sagen!" "Doch, das können Sie nachlesen!" "Tun Sie mir einen Gefallen, und lassen Sie uns diesen Quatsch beenden!"

So zog sich die Unterhaltung recht kurzweilig dahin. Im Bairischen ist diese Variante der kommunikativen Nächstenliebe, also das Sticheln, nur zu gut bekannt.

Slomka und Gabriel haben sich aus der Warte des südhochdeutschen Sprachgebrauchs nach allen Regeln der Kunst abgekasperlt. Man könnte sogar behaupten, sie haben sich zerhackelt (zhagglt), ja sogar zerkriegt (zkriagt). Strenge Mütter drohen ihren Kindern: "Wennst du net folgst, dann zerkriang mir uns!"

Goschn

Frau Slomka präsentierte während der angespannten Gefechtslage ihr allerstrengstes Gschau und verhielt sich gegenüber Gabriel zunehmend goschert (frech, respektlos) und bollisch (widerspenstig).

Der SPD-Chef sah nach den anstrengenden Koalitionsverhandlungen mitgenommen aus, fast wie dem Tod von Altötting (Doud vo Eding) sein Handlungsreisender, und er war dementsprechend motzert und fad. Sicher wird er sich gedacht haben: "Hoit endlich dei Goschn!" (halt die Schnauze, Slomka!).

Um die Form zu wahren, grantelte er in der Art eines Wolpertingers lediglich vor sich hin, ohne das Feuerschwert des Erzengels Gabriel zu zücken. Aber er hängte der lieben Frau Slomka die Goschn an (nachmaulen).

Die Gosche (Goschn) bezeichnet ein loses Mundwerk, die artverwandte Bappn auch ein mürrisches Gesicht (a Bappn ziang).

(FILE) Dieter Hildebrandt dies aged 86

Quelle: Getty Images

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Bockl

Anlässlich des Todes des Kabarettisten Dieter Hildebrandt hat uns sein Schulkamerad Karl Unterstein daran erinnert, dass Hildebrandt einst die Oberrealschule in Weiden/Oberpfalz besucht und dort 1947 das Abitur abgelegt habe. Hildebrandts Schulweg führte via Zug aus der Tirschenreuther Gegend nach Weiden. Dieser Zug wurde, wie viele weitere Regionalbahnen, Bockl genannt, in Südbayern hießen sie Bockerlbahnen. Unter einem Bockerl verstand man eine kleine Dampflokomotive oder einen Kurzzug, wie er meistens auf Nebenstrecken fuhr, die später zu Radwegen umfunktioniert wurden. Deshalb sind diese Bahntrassen-Radwege häufig nach einem Bockl benannt, etwa der Bockl-Radweg im Oberpfälzer Wald.

Doch zurück zum Bocklbahnfahrer Hildebrandt. 2003 stellten die Schüler des Weidener Abiturjahrgangs 1950 ein Büchlein mit Erinnerungen zusammen, in dem zu lesen ist: "Die Bockl-Fahrten waren oft sehr beschwerlich, Kälte und Schneeverwehungen hielten uns oft auf. Wenn nicht, mussten wir uns bis zum Stundenbeginn im Auswärtigenzimmer aufhalten." Auch Dieter Hildebrandt, genannt Hadubrand, bereitete sich dort auf den Unterricht vor.

Laut Unterstein hat Hildebrandt einmal in einer Deutschstunde seinen Aufsatz vorlesen müssen. "Stehend blätterte er während seines Referats in seiner mehrseitigen Niederschrift von Seite zu Seite. Der Lehrer war begeistert, wollte aber eine Passage nachlesen, die er nicht verstanden hatte: Die Blätter waren jedoch alle leer." Tatsächlich hatte Hildebrandt, ohne etwas aufgeschrieben zu haben, so gekonnt über das Thema referiert, dass er trotz seines Täuschungsmanövers einen Einser bekam.

Germany's Hackl pauses as he addresses news conference after final in men's singles luge event at the Torino Winter Olympic Games

Quelle: REUTERS

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Geldscheißer

Im Stern-Interview hat Ex-Rennrodler Georg Hackl auf die Frage, was er in seiner Freizeit mache, geantwortet, er verbringe fast jede freie Minute auf der Baustelle seines Hauses. "Ich mache viel selbst, da ich keinen Geldscheißer habe." Derb und prägnant heißt das: Nur ein Bauherr mit einem Geldscheißer hat soviel Diridari, dass er andere für sich werkeln lassen kann.

Jahreshauptversammlung FC Bayern München

Quelle: dpa

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trenzen

Bei der Jahresversammlung des FC Bayern hat der wegen einer Steuerhinterziehungsaffäre unter Druck stehende Vereinspräsident Uli Hoeneß seinen Tränen freien Lauf gelassen. Er hat so hemmungslos (krawottisch) geweint, dass viele Mitleid mit ihm bekamen. Ein Bayer sagt in solchen Fällen: Ja mei, hod des Mannsbild trenzt!, oder: Der hod fei sauba dreascht! Trenzen und dreaschen/dreanschen sind dialektale Synonyme für die Verbfamilie weinen, flennen, heulen, schluchzen. Drea(n)schen bringt mehr das hemmungslose, aber auch das beleidigte Weinen zum Ausdruck, trenzen beinhaltet eine wertende Tendenz. Denn ein Mann sollte eigentlich nicht trenzen. Manchmal aber überwältigen ihn die Gefühle dermaßen, dass er sogar drea(n)scht.

Das Bairische gebraucht das Verb trenzen auch für Notfälle des Kleckerns und Sabberns. Er hat sich vollgekleckert! hieße dann: Er hod se voidrenzt! Trenzen (drenzn) kommt nämlich vom mittelhochdeutschen trahen, was nicht nur die Träne, sondern auch den Tropfen im Allgemeinen benennt. Ein weinerlicher Mensch wird auch Trenzerbeidl (Trenzbeutel) genannt. Uli Hoeneß ist ein Gelegenheits-Trenzerbeidl, Ex-Profi Andi Möller galt als notorische Heulsuse.

Prozess Karlheinz Schreiber - Urteil

Quelle: dpa

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Stricherlmacher

Das Landgericht Augsburg hat den früheren Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber (im Bild) wegen Steuerhinterziehung zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt. Ins Gefängnis einrücken muss er wegen seiner angegriffenen Gesundheit aber nicht. Einst besaß der Unternehmer eine Straßenmarkierungsfirma. Die große Zeit dieser Branche brach in den 60er-Jahren an. Arbeiterkolonnen versahen damals die vielen neu asphaltierten Straßen mit Markierungen. Auf dem Land hießen diese Männer aber keineswegs Straßenmarkierer, sondern Stricherlmacher. Es war ein neuer, gut dotierter Beruf, weshalb die Bedienungen im Wirtshaus auf den Bierfilzln der Stricherlmacher ebenfalls viele Stricherl machen konnten. Schreiber aber stieg in die große Politik und ins Waffengeschäft ein - bis ihm die Justiz einen Strich durch die Rechnung machte.

Paris Hilton in München

Quelle: Eventpress/ Heuberger

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Britschn

In der Diskussion über die kürzlich deklarierten Huren-Hauptstädte (u.a. Augsburg, München, Nürnberg) ist auch der Begriff Britschn gefallen, der als Schimpfwort für ein liederliches weibliches Wesen zu deuten ist - weil das Wort unter anderem von der weiblichen Scham hergeleitet wird. Aman definiert die Britschn in seinem Schimpfwörterbuch dementsprechend als "leichtlebige, unsittliche Frau" sowie als "freche, unangenehme bösartige Frau". Etymologen bringen auch das mittelhochdeutsche "britze" ins Spiel, ein Wort, das eine einfache Liegestatt (Pritsche) benennt. Bekannt ist der Pritschenwagen, heute meistens Pick-up genannt, ein Transportauto mit einer offenen Ladefläche.

Diesbezüglich hat sich einst im Bayerwald eine Geschichte zugetragen, die diesen Begriffen einen augenfälligen Inhalt verleiht. Damals sollte ein liebesbedürftiger Kraftfahrer mit seinem Pritschenwagen ein altes Kanapee beim Sperrmüll entsorgen. Stattdessen aber fuhr er dieses Objekt wochenlang umanand, wie man in Niederbayern sagt. Was die meisten nicht ahnten: Er steuerte damit in lauen Nächten ein Straubinger Nachtlokal an, wo er Tussis auflud und mit ihnen in die lauschige Natur hinausfuhr. Dort leistete das Kanapee auf dem Pritschenwagen nützliche Dienste. Liebend gerne transportierte der gute Mann also Britschna (Plural von Britschn) auf dem Pritschenwagen. Zu seinem Glück begegnete er keinem Pritschhaferl, das sein Treiben hätte auffliegen lassen. Verpritschen heißt: etwas verraten, jemanden hinhängen.

Drudschn

Stammesverwandt zur Britschn (i kurz gesprochen) ist die Drudschn (u lang gesprochen). Besser bekannt ist die Verkleinerungsform Drudscherl für ein einfältiges Kind. Auch im Liebesgeturtel hat das Wort seinen festen Platz: "Ja du Drudscherl du!", sagt der Verliebte zum Gspusi. Manchmal wird aus dem Drudscherl später eine Drudschn, also eine einfältige, schwerfällige Frau (Symbolfoto: Zwei Drudschn auf der Wiesn)

Erlebnisführung "Gruseliges München", 2007

Quelle: CATH

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Boandlkramer

Es hat schon seinen Grund, dass die alte Geschichte vom Brandner Kaspar, der den Boandlkramer ausschmiert, so beliebt ist. Viele Grabinschriften künden davon, dass die Bayern einst dem Tod gerne mit einer Prise Humor begegneten.

Ein wunderbares Zeugnis solcher Volkspoesie ist folgende Grabinschrift: "Ich warte hier auf meinen Mann, Notburga Steger, 3. Mai 1825." Darunter steht in frischerer Gravur: "Da bin ich schon, Franz Xaver Steger, 10. August 1885."

Die bairische Sprache hat einen ungeheuren Reichtum rund um das Thema Tod und Sterben entwickelt. Der Tod trägt im Volksmund viele Namen: Ripperlhans, Abräumer, Witwenschmied, Fegfeuerhausl, Wurmkönig, Boandlmo. Der populärste aber ist der Boandlkramer.

Boandl ist die Dialektform des Wortes Bein (Knochen). "Der ist ja bloß noch Haut und Boana" (Boandl) sagt man zu einem ausgezehrten Kranken, den der Boandlkramer bald holen wird. Der Kramer ist das alte Wort für einen Händler. Der Boandlkramer ist also streng genommen ein Knochenhändler.

A woman displays the new comic book 'Asterix chez les Pictes' in a bookstore in Paris

Quelle: REUTERS

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Rossbiss

Auch im neuen Asterix-Band (Asterix bei den Pikten) verleiht ein Zaubertrank den Helden aus dem gallischen Dorf überirdische Kräfte, weshalb sie vor Schlägertypen keine Angst haben müssen. Man kann sich aber auch ohne Zaubertrank vor Gewalt schützen. Neuerdings wird bei Selbstverteidigungskursen wieder der gute alte Rossbiss gelehrt, mit dessen Hilfe sich ein Opfer aus dem "Schwitzkasten" und ähnlichen Bedrängnissen befreien kann. Die angegriffene Person muss dazu nur den Oberschenkel des Feindes fest zwicken, und zwar in der empfindlichen Innenseite. Ein Rossbiss schmerzt, als ob ein Pferd ins Bein gebissen hätte. Der Aggressor wird sein Opfer sofort in Ruhe lassen.

Büchsenmacherei Niedermeier in München, 2011

Quelle: Alessandra Schellnegger

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Beißzang

Ein Rossbiss fühlt sich an wie ein Zwicken mit der Beißzange. Eine Beißzange ist ein solides Werkzeug, es kann aber auch ein böses, zänkisches Weib gemeint sein. Eine Beißzang ist so was Ähnliches wie eine Bissgurrn. Das ist eine herrische Frau, die Haare auf den Zähnen hat. Sowohl Beißzang als auch Bissgurrn gelten als stutenbissig. Tatsächlich hießen die Stuten im Mittelalter Gurren.

Miley Cyrus performs on NBC's 'Today' show in New York

Quelle: REUTERS

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Bankert

Schon als Kind ist die 1992 geborene US-Göre Miley Cyrus ein Star gewesen. In der US-Fernsehserie "Hannah Montana" spielte sie eine Schülerin, die ein Doppelleben als Sängerin führt. Mittlerweile ist das Fräulein Cyrus aber vom lieben Mädchen zum hüftwackelnden Luder mutiert. In ihrem neuen Videoclip posiert sie als nackerter Hungerhaken auf einer Abrissbirne. Ihr neues Album, das auf Platz 1 der US-Charts gestürmt ist, trägt den vieldeutigen Titel "Bangerz", der auch im unmoralischen Sinne ausgelegt werden kann (das z ist als Plural-s zu verstehen). In der Subkultur des Hip-Hop gilt der Banger als das Gegenteil eines keuschen Jünglings.

Frappierend ist die Ähnlichkeit mit dem bayerischen Begriff Bankert, dem ebenfalls ein zweifelhafter Ruf anhaftet. Heute versteht man unter einem Bankert ein unartiges Kind, ursprünglich aber war es ein unehelicher Abkömmling. Das mittelhochdeutsche Grundwort banchart besagt, dass das Kind auf der Schlafbank der Magd und nicht im Ehebett gezeugt wurde.

Es hat bis in unsere Zeit hinein gedauert, bis die Stigmatisierung unehelicher Kinder und lediger Mütter überwunden war. Im Vilstal, wo die Umgangsformen herzlich-rau sind, wurden sogar ehelich gezeugte Mädchen Bangard gerufen. Die Kinder glaubten, das sei ein Vorname, ähnlich wie Luitgard oder Irmgard.

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Quelle: Hartmut Pöstges

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soda

SZ-Leser Werner Dreher bietet als Variante zu sodala (siehe unten) das Wort soda an. Er schickte dazu folgende Geschichte: "Soda - das a wird hell und lang gesprochen - sagte unsere Kramerin jedesmal, wenn sie eine Tüte Äpfel oder Sauerkraut abgewogen hatte und mit dem ,soda' ihre Bereitschaft signalisierte, weitere Kundenwünsche entgegenzunehmen.

Seine Blütezeit hatte der Kramerladen der Maria Spießl in den 1960er-Jahren in der Thalkirchner Straße 55 in München. Als einmal der Herr Finke, ein aus Berlin stammender Kunde, bei der Spießlin einkaufte und ihr 'soda' vernahm, lehnte er dankend ab: "Nee, Soda hab ick noch!"

Das Bild zeigt einen Krämerladen im Heimatmuseum Wolfratshausen.

Authors And Celebrities At Frankfurt Book Fair 2013

Quelle: Getty Images

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Gwamperter Uhu

Unser lieber Landsmann Boris "Bobbele" Becker hat zuletzt auf der Frankfurter Buchmesse einen seltsam fülligen Eindruck hinterlassen. Es soll nicht despektierlich klingen, aber sein Belli wirkte aufgebläht wie eine Dampfnudel. Becker ist, wie viele ehemalige Sportskanonen, auf dem besten Wege, ein gwamperter (wamperter) Uhu zu werden.

Das ist keineswegs boshaft gemeint, denn in Bayern ist der Ausdruck gwamperter Uhu primär eine Zustandsbeschreibung. Wollte ein Dialektsprecher jemanden beleidigen, würde er gwamperte Sau sagen. Das Adjektiv (g)wampert kommt von der Wampe, die als wamba schon im Althochdeutschen zu finden ist und den Bauch eines Tieres benannte. Später wurde daraus der menschliche Bier- und Schmerbauch. Der Besitzer eines solchen ist ein gwamperter Uhu.

SZ-Leser Gerhard Röhrl hat uns, animiert durch die kürzlich an dieser Stelle erörterte Kurzform Blähublä (bläder Hund, bläder), eine Anekdote aus der Nazizeit mitgeteilt, die einst sein Deutschlehrer zum Besten gegeben hatte. Reichsmarschall Hermann Göring ist demnach durch München spaziert, als er einen Buben neben einem Plakat stehen sah, das für das Winterhilfswerk warb. Göring sprach den Buben an: "Na, Junge, weißt du, was die drei Buchstaben WHW bedeuten?" "Ja, scho." "Dann kannst du mir's sicher verraten." "I trau mi ned." "Jetzt komm, kriegst auch 'n Markstück von mir." Der Bub hielt die Hand auf, nahm das Markstück und rief: "Wamperter Hund, wamperter!" Und rannte so schnell wie er konnte davon.

Dass Göring das Paradeexemplar einer wamperten Sau war, hatte auch der Mallersdorfer Franz Höferer (Jahrgang 1893) früh erkannt, was ihm aber nicht gut bekam. Denn der Zollinspektor musste unter den Nazis den Dienst quittieren und Repressalien erleiden, weil er Göring schon vor Kriegsbeginn jedwede Feldherrnqualität abgesprochen und ihn immer nur "a gwamperte Sau" genannt hatte.

Seehofer stellt neues Kabinett vor

Quelle: dpa

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sodala

Nach seinem Triumph bei der Landtagswahl stand Ministerpräsident Horst Seehofer den Journalisten vor der CSU-Zentrale freudig Rede und Antwort. Am Schluss rundete er seine Stellungnahme mit einem herzhaften "Alright!" ab. Das ist Globalisierungsdeutsch.

Früher hätte ein bayerischer Politiker bei solchen Anlässen sodala gesagt (beide a werden hell und kurz gesprochen). "Sodala, genug geredet, jetzt regieren wir wieder!"

Maastricht-Defizitquote

Quelle: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

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Notnickl

Kollege M. hat neulich in einem Artikel anstelle des Standardworts Geizkragen die interessante Dialektvariante Notnickl verwendet. Möge dieser bildhafte Begriff ruhig noch eine Zeitlang unsere Alltagssprache bereichern. Der Nickl galt im Bairischen ursprünglich als ein kleiner boshafter Mann. Meistens wird das Wort jedoch als Nachsilbe verwendet, und dann kommt zum Beispiel der Notnickl heraus (gesprochen: Noudnigl).

Ein Notnickl kann tatsächlich notleidend sein, in den meisten Fällen aber tut er nur notig (noude), er ist also geizig. Deshalb ist er einerseits ein armer Teufel, andererseits ein Hungerleider und Geizhals.

Die Herkunft des Nickl wird unterschiedlich gedeutet. Naheliegend scheint die Ableitung vom Nikolaus zu sein, der freilich genau das Gegenteil eines Notnickl darstellt. In diesem Zusammenhang sind die Niklbrüder in der Stadt Dorfen (Landkreis Erding) zu erwähnen. So heißen die Mitglieder der örtlichen Nikolaibruderschaft, die vor mehr als 600 Jahren zu Ehren des heiligen Nikolaus gegründet wurde. Sie besitzt einen 105 Hektar großen Wald, das "Niklholz", als Stiftungsvermögen und verteilt die Erlöse aus der Forstwirtschaft an Bedürftige.

Die Niklbrüder sind also Gutnickl, während die Comicfigur Dagobert Duck aus Entenhausen der berühmteste Notnickl der Weltgeschichte ist, dicht gefolgt von Mister Ebenezer Scrooge, dem hartherzigen Geizhals aus der Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens aus dem Jahre 1843.

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Quelle: Toni Heigl

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Schwanzlgeld

Vor etlichen Tagen lief im Bayerischen Fernsehen eine Reportage über das Leben eines Landarztes im Bayerischen Wald. In einer Szene spielt der Herr Doktor im Wirtshaus mit ein paar Spezln Schafkopf, und einer der Kartler erwähnt dabei das feine Wort Schwanzlgeld. Er meinte damit eine kleine Summe Erspartes, das der Besitzer guten Gewissens verprassen darf. Wer ein bisserl Schwanzlgeld in der Tasche hat, dem tut ein verlorenes Kartenspiel nur halb so weh.

Man sagt auch Schmugeld zu dieser stillen Geldreserve, die sich eine Bäuerin etwa durch den Verkauf von Eiern beiseite gelegt hatte, um sich ein paar Kleinigkeiten leisten zu können. Die Bäuerin investierte ihr Schmugeld in nützliche Dinge, während der Bauer sein Schwanzlgeld im Wirtshaus verjubelte.

Oktoberfest 2011

Quelle: dpa

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Wiesnbesen

Nach dem Anzapfen auf dem Oktoberfest hat für die Wiesnbesen (sprich: Wiesnbäsn) die schönste Jahreszeit begonnen. Wiesnbesen sind weibliche Wesen, die das Gegenteil der frommen Schwestern aus dem Schweigekloster darstellen. Hinter dem lustigen Namen verbergen sich Feierbiester, für die Veranstaltungen wie die Wiesn mit ihrem rauschhaften Trubel das Paradies auf Erden sind. Grundsätzlich laufen sie auf jeder Partymeile zu großer Form auf und begegnen der Ernsthaftigkeit des Lebens mit Ausgelassenheit und Leichtsinn. Wenn eine Frau als Besen bezeichnet wird, soll damit entweder ihre Kratzbürstigkeit hervorgehoben werden oder umgekehrt auch ihr Liebreiz. Manche Männer haben an solchen Frauen einen Besen oder einen Narren gefressen. Die Besenlitze wiederum ist ein Fachbegriff aus der Damenschneiderei. So hieß einst die an den Saum eines Dirndls hingenähte Spitzenzier. Mit ihrer Hilfe sollte der Stoff bei Bodenberührung geschont werden.

Im Bild: Model Gina-Lisa Lohfink 2011 im Käfer-Zelt.

CSU Vorstandssitzung

Quelle: dpa

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Seppl-Monarchie

Im ZDF-Talk von Maybritt Illner hat eine Runde von Großjournalisten wenige Tage vor der Bundestagswahl kreuzwichtig argumentiert und diskutiert. Der Berliner Kolumnist Hajo Schumacher gab das Ober-Gscheidhaferl, das die Bayern mit nasaler Intonation quasi als Deppen hinstellte, vermutlich wegen ihrer leidenschaftlichen Zuneigung zur CSU bei der Landtagswahl. Dieses nördlich der Mainlinie beliebte Sticheln gegen die Brüder und Schwestern aus dem Süden rundete Schumacher ab, indem er das Wort Seppl-Monarchie in die Runde warf. Er holte damit einen Kampfbegriff aus Kaiser Wilhelms Zeiten aus der Mottenkiste, als die gegenseitige Abneigung zwischen Bayern und Preußen ihren Höhepunkt erreicht hatte. Der bayerische Seppl galt den Preußen als Inbegriff der Rückständigkeit und der Dummheit. So betrachtet, hat es die Seppl-Monarchie erstaunlich weit gebracht.

Im Bild: Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU)

Pferd mit Zebrastreifen

Quelle: dpa

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Brem

Die Mücken und Bremsen sind in diesem Sommer eine arge Plage. Das weidende Vieh wird vor allem von den großen Rossbremsen drangsaliert. Im Bairischen werden sie Brem genannt, manchmal auch Brembeißer, weil sie so schmerzhaft zubeißen. Früher mussten Bauernkinder in den Ferien die Ochsen und Rösser mit einem Steckerl schützen, sie mussten gleichsam "die Brema daschlong" (erschlagen). Wenn es gar zu arg wurde, half nur das Bremöl. Hans Niedermayer erinnert sich in seiner Autobiografie "Kind in einer anderen Welt": "Der Ochse roch bei der Feldarbeit im Sommer immer nach Bremsenöl. Er wurde beim Einspannen zum Schutz gegen Bremsen und Fliegen mit diesem Öl bestrichen."

(Bild: In Niedersachsen versucht man, mit aufgemalten Zebrastreifen aus einer Wasser-Mehl-Mischung dem Problem Herr zu werden.)

GIRAFFE

Quelle: DPA/DPAWEB

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Bläschel

Jüngst haben wir eine numinose Größe namens Er vorgestellt, die in Südbayern untrennbar mit dem Wetter verbandelt ist. "Er hat schlechtes Wetter vorhergesagt", ist hier eine Standardaussage, ebenso wie die Frage: "Hat er wieder Regen angesagt?" Kollege F. hat nun dieses sprachliche Phänomen um eine Beobachtung aus dem Raum Dingolfing ergänzt, wo der Wetteransager (also Er) gelegentlich auch Bläschel genannt wird.

"Der Bläschel hod schlecht ogsagt" bedeutet also: Das Wetter wird schlecht. Dieser Zusammenhang erschließt sich aber nicht auf Anhieb, denn der Bläschel hat im Bairischen eine Bedeutung, die mit dem Wetter zunächst wenig zu tun hat. Der Bläschel ist normalerweise die Zunge von Mensch und Tier. Wenn einer den Bläschel rausstreckt, hegt er provokative Absichten. Solchem Übermut begegnet man am besten mit einem verbalen Konter: "Dua dein Bläschel nei, sonst weada da koid." Die Gstanzlsänger beherrschen diese Retourkutschen besonders gut: "Do hod oana gsunga, des hod se ned greimt, drum wead eahm da Bläschl an Orsch hintre gleimt." Amans Schimpfwörterbuch kennt den Bläschel als einen Mann, der Dinge, die ihm anvertraut werden, gleich weitererzählt - ähnlich wie das Ratschweib und der Wetteransager.

Gewitter über München

Quelle: dpa

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Er

Als ein aus dem Dialekt schöpfender Mensch hat Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger die Feier des 80. Geburtstags von Franz Herzog von Bayern auf Schloss Schleißheim mit einer landestypischen Anmerkung zur Sommerhitze bereichert: "Aber heit hod er wieder eighoazt!", tat Aiwanger einem Teil der Festgemeinde kund und lenkte damit die Aufmerksamkeit auf eine Eigentümlichkeit des Wetters, wie sie nur in Bayern zu beobachten ist.

"Er hat eingeheizt", ist ein auf dem Land gebräuchliches Bild für eine große Sommerhitze. Im Grunde genommen wird dort das ganze Wetter von diesem mysteriösen ER geregelt. "Für morgen hat er Regen angesagt", sagt der Bauer, der vorsorglich noch schnell aufs Feld hinausfährt. ER kann auch zu DER werden: "Mei, der sagt ja so ein schlechtes Wetter voraus," antworten manche auf die Frage: "Was sagt er denn, wie wird denn 's Wetter?"

In Wahrheit steht hinter dem ER in den meisten Fällen der Wetterbericht im Radio oder im Fernsehen. "ER hat gleichzeitig den Beiklang einer numinosen Instanz, von der man den Eindruck haben kann, dass sie das Wetter nicht nur ansagt, sondern auch macht", schreibt Renate Just im 2. Band ihres Reisebuchs "Krumme Touren", der dieses Phänomen ebenfalls aufgefallen ist. Bei Aiwangers Er (also der, der eighoazt hat) dürfte es sich eher um den Wettergott handeln.

Mit der zunehmenden Vielfalt an Medien muss der Dialektsprecher aber stärker differenzieren. Deshalb sagt er: "Der Radio hod scheeweda ogsogt" (schönes Wetter angesagt). Neuerdings aber berufen sich selbst Senioren auf eine neue Wetterinstanz: "'s Internet hat gsagt, dass es schön wird." Mal schauen, ob ER sich auch gegen diese mächtige Konkurrenz behaupten kann.

Ein Mann und zwei Frauen kühlen sich im Wasser ab.

Quelle: Robert Haas

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Blutshitzn

Das Wochenende hat uns Temperaturen bis 38 Grad beschert. Eine extreme Hitze wird im Dialekt zur Blutshitze (Bluatshitzn). Blut wird hier als negativ konnotiertes Präfix gebraucht, wohl um die eigene Machtlosigkeit wenigstens seelisch zu bewältigen: Blutssauerei, Blutswetter, Blutssakra.

Laut Zehetner ist Blut ein altes Tabuwort (Blut Christi). Insofern stehen, so sagt der Dialektprofessor, emotionale Wendungen mit Blut und blutig solchen mit Scheiß- einerseits und Kreuz- andererseits nahe.

EIS AM STIEL

Quelle: DPA/DPAWEB

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Steckerleis

Der Sommer präsentiert sich gerade in froher Laune, und in den Eisdielen floriert das Geschäft. Ihr Angebot an verführerischen Erfrischungen ist schier unüberschaubar. Vor einigen Jahrzehnten war das Eis-Sortiment noch weitaus knapper. Höchstens am Sonntag gab es für die Kinder ein Eis, das durften sie sich dann im Kramerladen holen. Schon die Namen der wenigen Eissorten klangen wie eine Verheißung: Capri, Dolomiti, Kilimandscharo . . . Sie entfachten die Sehnsucht nach fernen Welten, von denen die Kinder in fernseh-, computer- und urlaubslosen Zeiten keine Ahnung hatten. Aber welches Kind konnte sich schon ein Schleck-Eis leisten?

Nur an hohen Feiertagen gab es einen kleinen Langnese-Erdbeerbecher, der noch dazu mit den Geschwistern geteilt werden musste. Es war also nur ein Mongdratzerl im Vergleich zu den heutigen Eisbomben. Oder es gab ein Steckerleis für 20 Pfennige, das war von Jopa und hatte entweder Erdbeer-, Vanille- oder Schokogeschmack. Schon in den 30er Jahren hatten die Brüder Theo und Karl Schöller in Nürnberg Steckerleis produziert. In Berlin hatten sie beobachtet, wie gut diese Ware lief, weshalb sie Jopa-Eis in Lizenz herstellten.

Wenn die Dorfkramerin im Frühjahr das Fähnlein mit der Aufschrift Jopa-Eis hisste, wuchsen die Sehnsüchte der Dorfkinder ins Unermessliche. Nie mehr hat ein Eis so gut geschmeckt wie dieses einfache Steckerleis, dessen Name von dem Holzstäbchen abgeleitet ist, an dem das Eis klebt. Das Steckerl ist der Diminutiv zum Wort Stecken (Stock). Die Supermärkte haben das Steckerleis weiterhin im Angebot, jetzt heißt es freilich Eis am Stiel. Der alte Name lebt noch in den beliebten Steckerleis-Partys auf dem Lande fort.

Geblieben sind auch die Erinnerungen an originelle Ladenbesitzer wie den 1969 verstorbenen Sandner-Hias, Viktualienhändler aus Eichstätt, der sein Steckerleis stets weithin schallend anpries: "Jopa aus Europa, wer einmal schleckt, der weiß, wie's schmeckt." Im Gegensatz zum Steckerleis ist der Steckerlfisch in der bayerischen Sprachwelt nach wie vor präsent. Der Fisch am Stiel bleibt uns vorläufig noch erspart. 

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Quelle: EBE

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Zaggrament 

Der Dialekt werde so schnell nicht aussterben, sagt der Sprachforscher Anthony Rowley, der seine These in erster Linie auf die bayerischen Flüche stützt. "Sprüche, die man beim Schafkopf sagt, funktionieren auf Hochdeutsch einfach nicht so gut", argumentiert Rowley.

Das Schimpfen kommt tatsächlich tief aus der Seele, und deshalb haben Elementarbegriffe des bayerischen Fluchwortschatzes wie Kruzifix und Sakrament einen religiösen Bezug. Die Frage ist, ob es überhaupt erstrebenswert ist, solch grobschlächtiges und gotteslästerliches Fluchen zu erhalten, da es doch so viele feine Begriffe gäbe, denen man das Überleben viel lieber wünschen möchte.

Um die Wirkung zu verstärken, kombiniert der Schimpfende die Flüche in beachtlicher Virtuosität: Kruzefixzaggrament, Kreizkruzefixzaggrament, Himmeherrgottkreizkruzefix und so weiter. Durch Aneinanderreihung der Flüche wird die Tobsucht immer mehr gesteigert.

Sanfter wirkt ein Fluch durch das Anhängen der alttestamentarischen Lobpreisung Alleluja, was die Kraftsprüche Zefixalleluja oder Fixluja ergibt. Gerne wird das Arsenal der Fluchbausteine durch Anleihen aus dem Bauerngarten erweitert, wie bei dem Schimpfbegriff Kreizbirnbaumhollerstauern. Zur Verschleierung eines Fluchs weichen brave Menschen auf Kunstformen wie Kruzitürken und Sacklzement aus. 

Urlauber auf Miettraktor

Quelle: dpa

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Reibndeuter

Rowley verweist auch auf neue Wortschöpfungen im Dialekt wie etwa den "Reimdeiter" für den Blinker am Auto. Dieses Wort war aber schon in den fünfziger Jahren gebräuchlich. Reibn ist das Dialektwort für Biegung, Kurve. Wer sich in die Kurve legt, der will die Reibn kriegen.

Beim Reibndeuter (Reimdeiter) handelt sich um den Vorläufer des Blinkers, der auch Winker genannt und mechanisch betrieben wurde. Die ersten Winker stammen aus den 20er Jahren. 1963 wurden dann Blinkleuchten für Kraftfahrzeuge vorgeschrieben. Die Ära der Winker war zu Ende, nur im Dialekt lebt der Reimdeiter als Synonym für den Blinker weiter.

Bei dem Traktor auf dem Bild handelt es sich offenbar um ein modernes Exemplar - der Winker muss nicht mehr mechanisch betätigt werden.

Venezuela, Nicaragua offer Snowden asylum

Quelle: AFP

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Verklaghaferl

Der US-Bürger und Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden hat verraten, dass die Amerikaner nicht nur die halbe Welt, sondern sogar ihre besten Freunde abhören. Die Medien nennen Snowden einen Whistleblower, was den Kabarettisten Christian Springer zu der ergänzenden Anmerkung inspiriert hat, dass es für den Whistleblower auch ein bairisches Wort gebe, nämlich das Verklaghaferl.

In Teilen des Landes ist das Verklaghaferl auch als Pritschhaferl geläufig. Es handelt sich dabei um Menschen, die gerne Geheimnisse ausplaudern. In der Kindheit durchschreitet fast jeder Mensch eine Verklaghaferl-Phase. Der dadurch provozierte Spott der Mitmenschen bringt den einen zur Besinnung, den anderen nicht.

Unbelehrbare Verklaghaferl werden klatschsüchtig und böse. Handelt es sich dabei um Frauen, nennt man sie auch Pritschn (Mehrzahl Pritschna). Die männliche Form lautet Pritscher.

In totalitären Staaten sollte man den Umgang mit Verklaghaferln und Pritschn meiden, denn sie könnten einen in Lebensgefahr bringen. Freiheitlich gesinnte Staaten aber haben auch ihre Not mit Pritschlern wie Snowden, die aber nicht zu verwechseln sind mit den Wasserpritschlern, die ganz harmlos Wasser verschütten. Für Kinder ist das Wasserpritscheln ein Hochgenuss. Nur blöd, dass man dabei pritschnass wird.

Schlamm-Tag in den USA

Quelle: dpa/dpaweb

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sternvolldreck

Kürzlich haben 20 bayerische Künstler die Single "Weida mitanand" aufgenommen, deren Erlös den Flutopfern zugute kommt. Hannes Ringlstetter singt dabei in seiner Sequenz des Liedes: "I wach auf, bin stermvoidreeg ...". Das ist höchste bayerische Sprachvirtuosität, jeder versteht es, obwohl kaum einer weiß, woher dieser Ausdruck kommt. 

Wenn jemand stermvoidreeg ist, dann starrt er vor Dreck (Symbolbild). So wie jene Männer, die soeben in Schottland den Weltcup der Schlamm-Fußballer ausgefochten haben. Sie waren am Ende sternvolldreck.

Das Präfix stern verstärkt den Dreck ähnlich wie bei sternhagelvoll den Rausch. Mit dem Sterben (sterm) hat das also nichts zu tun, auch wenn es im Dialekt stermvoidreeg heißt. 

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Quelle: bauersachs

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Stangerlheilige

Noch vor wenigen Jahrzehnten haben die Heiligen in katholischen Bauerndörfern eine allumfassende Rolle gespielt. Ihrer irdischen Mühsal eingedenk, erhofften sich die Menschen von den himmlischen Mächten Trost und Beistand. Auch den Autor dieser Zeilen begleiten die Heiligen quasi seit seiner Geburt, und sei es als Exekutive eines von Erwachsenen angedrohten Strafgerichts.

Größten Respekt hatten die Dorfkinder vor dem heiligen Georg, denn der war ja der Drachentöter. Auch vor dem heiligen Florian kuschten sie, denn der konnte sogar eine Feuersbrunst bändigen. Fast standen Heilige dieses Schlags auf einer Ebene mit den damaligen Comic-Helden Sigurd, Falk und Tibor.

Ikonografisch wird der Florian überall mit einem Wasserschaffl abgebildet, was aber nicht verhindert hat, dass im "Wortschatz" der vergangenen Woche der heilige Georg anfangs als Schaffl-Heiliger präsentiert wurde. Dieser gedankliche Aussetzer ist einem Teil der Leserschaft nicht verborgen geblieben. Die entsprechenden Hinweise und Mitleidsbekundungen waren angesichts des Malheurs erstaunlich freundlich intoniert.

Zum Dank sei an dieser Stelle eine weniger bekannte Seite der Heiligen nachgereicht. Georg und Florian zählen nämlich zur Riege der Stangerl- oder Stangerlsitzerheiligen, die das Privileg besitzen, Prozessions- und Zunftstangen zu krönen. Letztere wurden an Fronleichnam und bei Beerdigungen mitgetragen, und obenauf prangte eine Kerze oder eben ein Stangerlheiliger wie St. Florian, den so mancher Pilger in seinen geheimsten Gedanken angefleht haben wird: "Verschon mein Haus, zünd 's andere an!"

Büffel auf der Farm des Mozzarella-Herstellers Fierro

Quelle: REUTERS

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Büffel

Ein Landshuter Stadtrat habe sie im Hochwassereinsatz durch Übereifer und Gschaftlhuberei massiv behindert, klagen die dortigen Rettungskräfte. Nach der Lektüre des entsprechenden Zeitungsartikels hat sich vergangene Woche eine Bürgerin in einem Wartezimmer empört Luft verschafft: "Warum hat der da mitgschaftln müssen, der Biffe?"

Der Biffe (Büffel) ist ein gepfeffertes Schimpfwort für ein rücksichtsloses, stures und vierschrötiges Mannsbild. Verhalten und emotionale Intelligenz stehen beim Biffe in einem Missverhältnis.

Einst hatten auch eigensinnige Frauen Büffelqualitäten. Jedenfalls ist im Nachlass des Paulus Behaim aus Nürnberg eine Notiz über die Kindsmagd Margrett zu lesen, die 1565 bei Behaim gedient hatte. Der wenig schmeichelhafte Eintrag lautet: "hat sy mein weib faren lassen, umb sy ein gar grober Püffel gewest ist."

Standkonzert auf dem Münchner Oktoberfest, 2009

Quelle: Alessandra Schellnegger

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dorert

In der Unterhaltungsserie "Dahoam is Dahoam" serviert das Bayerische Fernsehen Geschichten aus dem fiktiven Dorf Lansing. Dort wird ein Kraut-und-Rübenidiom gesprochen, das Mundartpuristen depressiv macht, insgesamt aber die heutige Sprachwirklichkeit auf dem Land widerspiegelt, wo ein Mischmasch aus Fernsehbrei, Dialekt und schrägem Hochdeutsch ineinanderfließt.

Umso mehr horcht man auf, wenn tatsächlich ein alter Dialektausdruck zu hören ist, wie vergangene Woche, als die Wirts-Oma einem Musiker drohte, seine Band solle ja nicht beim Wirt auftreten: "Da spuits aber erst, wenn i ganz dorert bin!"

Der Begriff dorert (dorat, dosohrert), in dem das Grundwort Ohr schlummert, bedeutet in diesem Fall taub. "Da wirst ja dorert", sagen lärmempfindliche Menschen. Selbst Begriffsstutzige müssen sich manchmal die Frage gefallen lassen, ob sie dorert seien. Der Musiker in Lansing hat das Wort natürlich nicht verstanden. Er war zwar nicht dorert, aber ein Preiß.

Fußgänger im Regen

Quelle: dpa

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Schaffel

An Bildhaftigkeit sind uns die Österreicher weit voraus. Nach einem Starkregen schrieben die Oberösterreichischen Nachrichten kürzlich: "Eine Gewitterfront überquerte von Sonntagnachmittag bis gestern Vormittag Oberösterreich. Es schüttete wie aus Schaffeln." Anschaulicher kann man ein solches Naturereignis kaum schildern.

Das Schaff oder Schaffel ist ein zuberartiges Holzgefäß. Der heilige Florian wird gerne dargestellt, wie er aus einem Schaffel Wasser auf ein brennendes Haus schüttet. Schaffel werden von Schäfflern gemacht, jener alten Zunft, die alle sieben Jahre den Schäfflertanz aufführt. 

Ministerpräsident Horst Seehofer besucht Erlanger Bergkirchweih

Quelle: dpa

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fei

"Unsere Abgeordneten, des san fei richtige Hundlinge", philosophierte kürzlich eine Reisende in der S-Bahn, die sich über die im Landtag gepflogene Praxis ausließ, auf Staatskosten Verwandte zu beschäftigen. Aus sprachlicher Sicht sticht in ihrer Aussage das Wort Hundling hervor, das einen Spitzbuben umschreibt, der sich mit einer Portion Abgebrühtheit eine Verfehlung geleistet hat.

Noch interessanter aber klingt das unscheinbare Wörtlein fei, das vor einigen Jahren in einer Umfrage zum beliebtesten bayerischen Wort gewählt wurde. Obwohl es schon im 12. Jahrhundert als Universalwort auftaucht, kommt es heute nur noch im Dialekt vor, in dem es aber ein starkes Gewürz bildet.

Sprachforscher der Universität Würzburg fanden heraus, dass fei von fein kommt und eine Art Flickwort bildet, mit dem der Sprecher seinem Satz eine bestimmte Verwendungsbedingung hinzufügt. Er verstärkt damit also seine Aussage, vor allem wenn sie eine Steigerung (wie bei der oben zitierten Dame), eine Drohung ("i sags fei dem Seehofer!") oder eine Bitte ("fahrts fei vorsichtig!") beinhaltet. Mit Hilfe des Umstandswortes fei kann der Sprecher einen Gedanken empfindsamer und nachhaltiger ausdrücken. 

Der oder die Landtagspräsident(in) hätte die Kollegen, die Verwandte eingestellt hatten, frühzeitig warnen sollen: "Des is fei a Schmarrn!" Höflich und bestimmt wären sie damit auf ihr moralisch bedenkliches Handeln aufmerksam gemacht worden.

Cafe Deli in München, 2011

Quelle: Catherina Hess

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Wasser

Die aktuelle Flutkatastrophe führt uns auf beklemmende Weise die Urgewalt des Elements Wasser vor Augen. Betrachtet man, ganz nebenbei, die Geschehnisse aus der sprachlichen Warte, so fällt auf, dass die bayerischen Mundarten keine eigenen Begriffe für Wasser kennen. Johann Andreas Schmeller handelt in seinem berühmten Bayerischen Wörterbuch aus dem 19. Jahrhundert das Wort Wasser lediglich in einer dürren Zeile ab und vermerkt lapidar: "wie hochdeutsch."

"Er hat also nichts besonderes gefunden", schlussfolgert daraus Josef Denz von der Redaktion des neuen Bayerischen Wörterbuchs. Denz hat sich deshalb selber auf Spurensuche begeben und nachgeprüft, wie die Mundarten das Wort Wasser gebrauchen.

Als Ergebnis führt er unter anderem die Flüssigkeit Wasser im allgemeinen Sinn an ("'s Wasser is eam net des Liaba gwen"), dann das Wasser als Name für ein Gewässer ("i geh schnoi zum Wasser obi"), schließlich die wässrige Flüssigkeit, die der Körper absondert ("er hod Wasser in de Fiaß") und nicht zuletzt die wässrigen Flüssigkeiten, die der Bayer als schmeckerts Wasser (Parfüm) oder als hupferts Wasser (Limonade, Sekt) bezeichnet.

Überdies zeigt Denz, dass man oft bereits an der Aussprache des Wortes Wasser, besonders des a, merkt, aus welchem Teil Bayerns der Sprecher herstammt. Die Intonation reicht von Wassa mit offenem a (wie bei Kaas) bis zu Wossa.

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Quelle: SZ

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Ache und Au

Interessant sind im Zusammenhang mit dem Wasser zwei alte Begriffe, die in den ersten Band des neuen Bayerischen Wörterbuchs Eingang gefunden haben. Der eine ist die Ache, ein Wort, das urverwandt ist mit dem lateinischen aqua (Wasser) und noch heute im Dialekt sowie in Fluss- und Gewässernamen aufscheint.

Das zweite Wort ist die Au, sie bezeichnet bis heute ein feuchtes Gelände an Bächen und Flüssen, eine feuchte Wiese und auch einen Auwald. Auch Au kommt nach wie vor in Flur- und Siedlungsnamen vor, ein Paradebeispiel ist der idyllisch gelegene Ort Au am Inn. Würde man den Flüssen mehr Auen vergönnen, so könnte so manches Hochwasser leichter gebändigt werden.

Handgefertigte Schuhe von Schuhmacher Bertl Kreca in München, 2011

Quelle: Stephan Rumpf

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Schusterbuben

Früher gab's in jedem Dorf einen Schuster, manchmal sogar mehrere, und es war eine Tradition seit alters her, dass deren Häuser den Hausnamen Schuster führten. Trotzdem hört es ein Schuhmacher heutzutage nicht gerne, wenn er als Schuster tituliert wird, denn der Schuhmacher klingt nicht nur eleganter, sondern er ist auch die offizielle Handwerksbezeichnung.

Vielleicht hängt die Abwertung des Wortes Schuster damit zusammen, dass es im Dialekt auch für den Pfuscher und den Stümper steht. Früher umschrieb die Mundart auch die weibliche Monatsregel als Schuster, was Zehetner und Ringseis mit dem Argument erklären, dass Mädchen an solchen Tagen nicht barfuß gehen sollten.

Schusterbuben sind einst dem Schuhmacher als Lehrlinge zur Hand gegangen, aber heute eher als ein Teiggebäck bekannt. Schusterbuben spielen auch beim momentanen Sauwetter eine Rolle. "Heut regnet's wieder Schusterbuben", jammert zurzeit so mancher Landwirt und kleidet die deprimierenden Regengüsse wenigstens in ein heiteres Sprachbild.

Auf dem Land sagt man bei einem Starkregen auch: "Es schifft wia d' Sau", wobei das Verb schiffen normalerweise für das Urinieren steht. Im Bayerischen Fernsehen sind gelegentlich die Gaudiburschen Günter Grünwald und Willy Astor zu sehen, wie sie in einem WC gemeinsam schiffen und prollige Sprüche klopfen.

Kaffeepreise werden gesenkt

Quelle: dpa

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raß

Vor einiger Zeit fragte die SZ eine Lehrerin, die sich mit fair gehandelten Waren beschäftigt, ob sie sich an ihre erste Tasse mit fairem Kaffee erinnere. "Oh ja", antwortete sie, "der war sehr raß". Es war ein Indio-Kaffee, der ein bisschen verbrannt geschmeckt hatte.

Raß ist ein bairisches Universalwort aus dem Reich des Geschmacks. Als raß gilt eine scharf gewürzte Speise, die auf der Zunge brennt. Ein Radi ist ein wunderbares Biergartengericht, aber wehe er ist raß.

Wenn eine Dame raß ist, dann tritt sie unfreundlich, barsch und hantig auf. Schon der alte Schmeller kannte Mädchen mit scharfer Zunge und verletzendem Mundwerk: "rassi Godl , hantichi Godl", nannte er sie. 

© Süddeutsche.de/infu
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