Kratzers Wortschatz:Der Fußball leidet an Sprachverfall

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Früher war vieles besser, auf dem Rasen im Allgemeinen und im Fußballslang im Besonderen.

Outwachler

Die Österreicher pflegen eine ganz eigene Fußballsprache. Für den Eckball verwenden sie zum Beispiel den Begriff Corner. SZ-Leser Rudolf Ulrich hat zu diesem Thema mitgeteilt, Corner gehe auf die Zeit um 1892 zurück, als in Österreich arbeitende englische Ingenieure und Studenten sowie Iren den Fußball ins Land brachten. Die englischen Bezeichnungen Team (Mannschaft), Keeper (Torhüter), Center (Mittelstürmer), Half (Halbstürmer), Back (Verteidiger), Penalty (Elfer), Out (Aus) und Referee (Schiedsrichter) blieben lange Zeit erhalten. Sie überstanden sogar die von 1938 an praktizierte reichsdeutsche Sprachreinigung, sind aber heute bis auf den Corner durch die Veränderungen in der Spieltaktik kaum noch in Gebrauch. Auf den Begriff Outwachler trifft dies jedoch nicht zu. Das ist laut Ulrich eine dialektale Neuschöpfung. Im Grenzgebiet ist Outwachler manchmal auch in Bayern zu hören.

Erst neulich fiel dieses Wort im Zusammenhang mit jenem Linienrichter, der dem Straubinger Publikum in provokativer Absicht seine entblößte Vorderseite hingestreckt hatte. Das lustig klingende Kompositum Outwachler setzt sich aus dem englischen Wort out und dem Verb wacheln (mit einer Fahne winken) zusammen. Nicht nur bei diesem Wort spiegelt sich die österreichische Sportbegeisterung in einer bildhaften sprachlichen Manifestation des Geschehens wider. Vor allem der Skisport hat Begrifflichkeiten von zeitloser Würde hervorgebracht. Dem Abfahrts-Olympiasieger Franz Klammer attestierte dessen einstiger Lehrer, er sei schon "in da Grundschui a Blitzgneißer gwesn!", also ein aufgeweckter Bursche, der alles schnell kapiert.

Auch die österreichischen Fußballfrauen, die soeben sensationell ins EM-Halbfinale vorgestoßen sind, bereiteten dem Publikum rein sportlich eine große Freude. In sprachlicher Hinsicht klappte das nicht. Leider klangen ihre Sätze, als hätten sich diese Damen längst von den feinen österreichisch-bairischen Intonationen verabschiedet. Sie klangen in den Interviews allesamt, als stammten sie aus Hannover-Mitte. Vielleicht ist auch das eine Folgeerscheinung eines Sports, dessen Götze das Geld ist, der jegliche Individualität abtötet und seine Protagonisten auf ein pflegeleichtes Einheitsmaß trimmt. Diese Entwicklung gefährdet nun sogar die schillernde Fußballsprache in Österreich. In Deutschland ist das Elend schon weit fortgeschritten. Populäre Fußball-Reporter wie Bela Rethy formatieren bereits die Grammatik um: "Wasn Pass!" Solche Aussagen prägen seine Kommentare. Höchste Zeit, dass die Outwachler dieses üble Spiel abwinken.

© SZ vom 07.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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