Süddeutsche Zeitung

Kratzers Wortschatz:"Das ist doch dengerst die Höhe!"

Lesezeit: 1 min

Über die Bedeutung der Ausdrücke "dengerst" und "Oraggi"

Von Hans Kratzer

dengerst

Ein Leser hat in der Redaktion der Süddeutschen Zeitung nachgefragt, was denn das von seiner verstorbenen Schwiegermutter verwendete Wort "dengerst" bedeute. Zunächst ist festzuhalten, dass das Wort auf dem Land immer noch zu hören ist. Als Arnold Schwarzenegger am Samstag verbotenerweise mit einem Radl durch die Bahnhofshalle in München fuhr, könnte der eine oder andere mit dem Regionalzug eintreffende Wiesnbesucher durchaus gesagt haben: "Das ist doch dengerst die Höhe!" Es gibt auch ernstere Anlässe, um auf dieses Wort zurückzugreifen. Eugen Oker ließ in seinem Roman "Zahlbar nach dem Endsieg" den künftigen Frontsoldaten Fritz Kagerer sagen: "Sie werden uns epper dennerst nicht gleich auf Polen tun!" Und Georg Lohmeier zitierte das Wort 1972 in der Geschichte "Ostergelächter und Pfingstochsen": "Es wird dengerst wieder amal regnen." Diese Beispiele zeigen, dass es mehrere Aussprachevarianten gibt: dengerst, dennerst, dennert. Die Tonalität und das Wesen der bairischen Sprache kommen in diesem Begriff intensiv zum Ausdruck. In der Standardsprache gibt es für dengerst keine exakte Entsprechung. Aus etymologischer Sicht ist es mit dem Adverb dennoch verwandt. In Zehetners Lexikon wird es als mundartliche Variante zu schließlich und denn doch erwähnt. Einerseits drückt es Hoffnung aus (es wird dengerst wieder mal regnen), andererseits betont es eine Aussage: Des gibt's ja dennerst ned, dass d'Wiesn schon vorbei ist. Sei es wie es sei: Die SZ-Redaktion hat sich dengerst bemüht, die Frage zu beantworten.

Oraggi

Elke Schroeter aus München hat uns eine Geschichte mitgeteilt, welche die Flexibilität von Sprache und Dialekt wunderbar belegt. Als ihre Familie während des Krieges auf einem Dorf in Oberbayern evakuiert war, beobachtete Frau Schroeter vor der Schule spielende Kinder. Sie sangen: "Oraggi pfui deifi". "Erst 50 Jahre später kam mir eine Erleuchtung", schreibt Frau Schroeter. Sie sangen einfach: "Orakel von Delphi". "Mit diesen gelehrten Worten konnten die Schüler allerdings nichts anfangen. Schön, gell?"

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Quelle:
SZ vom 04.10.2016
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