Süddeutsche Zeitung

Kratzers Wortschatz:Bunt und onomatopoetisch

Während mancher Ausdruck in Vergessenheit gerät, darf in Krisenzeiten der Humor nicht vergessen werden

Kolumne von Hans Kratzer

Fleckerlteppich

Vor der Sanierung der viel befahrenen Wittstraße in Landshut schrieb die Landshuter Zeitung sehr treffend: "Sie gleicht einem Fleckerlteppich, hat unzählige Risse im Asphalt und Spurrinnen." Die Straße ähnelte also in ihrer Scheckigkeit dem besagten Fleckerlteppich. Das ist ein Teppich aus zusammengenähten und unterschiedlich farbigen Stoffstreifen. Darin steckt das Verb flicken (Fleck aufsetzen). Der Flecken hat auch eine geografische Bedeutung, etwa im Begriff Marktflecken. Es kommt nicht mehr häufig vor, dass eine Zeitung das Wort Fleckerlteppich verwendet. Auch in Bayern dominiert jetzt der standardsprachliche Begriff Flickenteppich. Sogar die im Rosenheimer Idiom verhaftete Landtagspräsidentin Ilse Aigner sagte neulich in einem Beitrag zur Föderalismus-Diskussion in der Corona-Krise: "Wer jetzt von einem Flickenteppich spricht, macht sinnvolle, regional angepasste Lösungen verächtlich." Eigentlich hätte Aigner unbedingt Fleckerlteppich sagen müssen, denn nahe ihrer Heimat, im Chiemgau, hat die Fertigung der Fleckerlteppiche eine ähnlich lange Tradition wie im Mühlviertel. In Österreich hat sich der Flickenteppich noch nicht durchgesetzt. Dort hält man am angestammten Wort fest, wie der Sänger Peter Cornelius in seinem Lied "Fleckerlteppich": "Ah, weil i a Fleckerlteppich bin / mit tausend Fleckerln in mir drin ..."

Schnackl

Die in Niederbayern lebende Bildhauerin Margit Orlogi hat uns als Aufmunterung geschrieben, man dürfe auch in schwierigen Zeiten niemals den Humor vergessen. Wenn sie als Kind einen Schluckauf hatte, einen Schnackl, dann habe man sie an folgenden Spruch erinnert: "Iatz stesst mi da Schnackl, dann denk i an Lackl, da Lackl an mi und da Schnackl is hi!" Meistens sei der Schnackl dann vorbei gewesen. Wenn nicht, folgte der Ratschlag, an drei Platterte zu denken. "Bis mir die eingefallen sind", schreibt Frau Orlogi, "war's wirklich vorbei." Der Schnackl ist auch als Schnackler bekannt. Diese Wörter werden onomatopoetisch genannt, weil sie lautmalerisch das Schnackeln nachahmen.

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Quelle:
SZ vom 08.05.2020
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