Süddeutsche Zeitung

Kratzers Wortschatz:Buchheims Schimpfkunst

Der streitbare Autor und Sammler bezeichnete seine Gegner bisweilen als Gullyratten. In Bayern wird eher das Pendant Bochratz verwendet. Wer andere mit diesem Namen beehrt, muss aber damit rechnen, dass er sich einen Schiafing einzieht.

Bachratz

Vor einigen Tagen hat im Buchheim-Museum am Starnberger See ein Empfang zu Edmund Stoibers 80. Geburtstag stattgefunden. Wie die SZ schrieb, verbindet den ehemaligen Ministerpräsidenten mit dem Museum eine besondere Geschichte. Denn Stoiber habe sich persönlich dafür eingesetzt, dass die Schätze des streitbaren Kunstsammlers Lothar-Günther Buchheim in Bayern bleiben. Dass das nicht einfach war, kann man sich denken. Buchheim war ein aufbrausendes Unikum und stark im Austeilen. Bei der Suche nach einem Standort für sein Museum bezeichnete er seine Widersacher einmal als Gullyratten, die noch kein Museum von innen gesehen haben. Dieses Urteil bedarf lediglich der Ergänzung, dass den bairischen Wortschatz weniger das Wort Gullyratten prägt als vielmehr das Pendant Bachratzen (Bochratzen). So heißen Ratten, die am Wasser leben und nicht gerade als liebreizende Wesen gelten. Es gibt, wie mancher Schimpfkanonade zu entnehmen ist, auch Bachratzen in Menschengestalt. "Du kimmst daher wia a Bochratz!", diese Anklage gilt zum Beispiel einem zerzausten Menschen, der die Nacht durchgefeiert hat und nicht mehr den allerfrischesten Eindruck macht. Im Ort Altenmarkt an der Alz gibt es einen Faschingsverein namens Oidnmarkta Bochratz'n. Den Apostroph bräuchte es gar nicht, er wertet das Ansehen der Bochratzn auch nicht mehr auf.

Schipf

"Weil ich mir gestern in den Finger an Schipf eizong hab, hab ich über Nacht a Pflaster mit Zugsalbe braucht." Dieses Missgeschick teilte uns Stefan Kattari senior mit, natürlich in der Absicht, auf das Wort Schipf aufmerksam zu machen. Er vermutet, das sei ein älterer Begriff für den Schiefer, ein Gestein, das leicht splittert. Aus Schiefer waren früher die Schreibtafeln in der Schule. Vermutlich wegen der Brüchigkeit nennt man einen Holzsplitter ebenfalls Schiefer. Es kommt häufig vor, dass plötzlich ein Holzsplitter im Finger steckt. Dann klagt man: "Jetzt hab ich mir an Schiefer eizong." Im übertragenen Sinne kann das auch heißen: Jemand ist mir böse, weil ich was Falsches gesagt habe. Der Dialekt kennt überdies die Variante Schiafing. Berühmt wurde das Wort durch das Lied vom Einsiedl von Bogen, das auch von Haindling vertont wurde: "Da Oasiedl vo Bong / hod Hoizscheidl glom / und hod se an Schiafing / in Orsch einezong."

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SZ vom 09.10.2021
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