Arztpraxis für Unversicherte:"Das ist für uns ein Experiment"

Arztpraxis für Unversicherte: Das Bayerisches Rote Kreuz hat am Mittwoch eine durch Spenden finanzierte Arztpraxis für Unversicherte eröffnet. (Symbolbild)

Das Bayerisches Rote Kreuz hat am Mittwoch eine durch Spenden finanzierte Arztpraxis für Unversicherte eröffnet. (Symbolbild)

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Etwa 300 Menschen ohne Krankenversicherung leben in Augsburg. Ein Internist im Ruhestand behandelt sie mit Unterstützung des Bayerischen Roten Kreuzes ehrenamtlich in seiner Sprechstunde.

Von Max Weinhold

Etwa 300 in Augsburg lebende Menschen, schätzt der dortige Kreisverband des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK), sind nicht krankenversichert. Um ihnen zu helfen, hat das BRK am Mittwoch eine durch Spenden finanzierte Arztpraxis für Unversicherte eröffnet. Immer mittwochs von 9 bis 11 Uhr behandelt dort der Internist Reinhard Eder, der bis vor zweieinhalb Jahren als Kassenarzt arbeitete, die Patienten.

Wie groß die Nachfrage sein wird, lässt sich laut BRK nicht abschätzen. Der Richtwert sei dieser: ein bis zwei nicht versicherte Personen pro 1000 Einwohner - macht in Augsburg etwa besagte 300 Menschen. Zur Eröffnung am Mittwoch war noch niemand da in den Räumlichkeiten des Klosters Maria Stern, wo die Praxis mietfrei untergebracht ist. Allerdings soll es richtig auch erst in der kommenden Woche losgehen. "Das ist für uns ein Experiment", sagt Michael Gebler, Geschäftsführer des BRK-Kreisverbandes Augsburg-Stadt.

Arzt Reinhard Eder orientierte sich bei selbigem an vergleichbaren Projekten in Mainz und Bad Segeberg, bereits vor anderthalb Jahren sei er mit der Idee an die Stadt Augsburg herangetreten. "Da hieß es aber, es gebe keinen Bedarf", sagt Eder. Dabei habe er als niedergelassener Arzt erlebt, dass dem nicht so sei. Durch das fehlende Interesse an seiner Idee habe er diese eigentlich schon aufgegeben, sagt Eder. Bis er auf das Bayerische Rote Kreuz zugegangen sei, das bereit war, Eder in seinem Ansinnen zu unterstützen.

Viele Menschen fallen ohne böse Absicht durchs Netz

"In eine finanzielle Schieflage kann jeder geraten. Kranke ohne Geld und Versicherung stehen vor einem echten Dilemma und sehen oft keinen Ausweg", erklärt Eder den Bedarf. "Viele fühlen sich als Versager und neigen dazu, ihre Notlage zu beschönigen oder zu verstecken."

Laut Statistischem Bundesamt waren deutschlandweit im Jahr 2019 etwa 61 000 Menschen nicht krankenversichert, aktuellere Zahlen hat die Behörde nicht erhoben. "Die Menschen fallen meist ohne böse Absicht durch das Netz", sagt die stellvertretende BRK-Bereichsleiterin für Soziales, Tatjana Asmuth.

Das BRK und Eder wollen ihren Patientinnen und Patienten freilich nicht nur eine Behandlung ermöglichen, sondern sie auch beraten. Die Praxis sei, sagt Geschäftsführer Michael Gebler, "angedockt" an das Stadtteilzentrum, wo die sozialpädagogische Arbeit stattfinde. So könnten Menschen auch direkt weiterverwiesen werden an das Amt für Soziale Leistungen. "Damit der eine oder andere Bedürftige dort dann Grundsicherung beantragen kann. Dann wäre er nämlich automatisch auch versichert", sagt Gebler. Das wüssten allerdings viele Betroffene nicht.

Die meisten und größten bürokratischen Hürden haben der Arzt und das BRK nun genommen, eine Herausforderung bleibt aber: Eder ist schließlich Internist und nicht zugleich Gynäkologe oder Radiologe. "Es wäre natürlich toll", sagt deswegen Michael Gebler, "wenn der eine oder andere Arzt mehr sich bereit erklären würde, von uns Patienten zu übernehmen, damit wir sie weiter überweisen können."

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