Medizin:Wenn der Kollege mit dem Roboterarm mitoperiert

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Im Krankenhaus Weilheim assistiert den Ärzten eine moderne Apparatur bei Gelenkoperationen. Das verschafft der Klinik ein Alleinstellungsmerkmal in der Region.

Von Dietrich Mittler, Weilheim

So ganz kann Gerhard Neureuther sein Glück noch nicht fassen. Der 59-jährige Kraftfahrzeugmeister aus Rettenbach im Ostallgäu ist der erste Patient im Krankenhaus Weilheim, bei dessen Knieoperation ein Roboterarm zum Einsatz kam, der den Ärzten assistierte. Natürlich, so sagt Neureuther, sei ihm deshalb vor der OP am linken Knie etwas mulmig gewesen. Doch schon Stunden nach dem Eingriff sei er allein zur Toilette gegangen. "Das kann ich gar nicht glauben, mir geht es super", sagt er. Als Neureuther vor gut drei Jahren auf der rechten Seite ein künstliches Kniegelenk bekam, war das noch ganz anders: "Da hatte ich drei Monate lang heftige Schmerzen", sagt er. Nun aber sei er nach kurzer Zeit schon fast schmerzfrei. Die neue Prothese sitzt perfekt.

Neureuther steht mit seiner Begeisterung nicht alleine da. "Es ist frappierend, was das neue System kann. Nicht nur bei Knie- sondern auch bei Hüft-OPs", sagt Thomas Löffler, Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie, die mit zur Krankenhaus GmbH des Kreises Weilheim-Schongau gehört. Dass ein 160-Betten-Haus in der Provinz ein solches Hightech-Gerät zum Einsatz bringt - noch dazu vor den großen Kliniken in München - ist an sich schon ein Husarenstück. "Im südbayerischen Raum ist das der erste Assistenz-Roboter dieser Art", sagt Landrätin Andrea Jochner-Weiß (CSU). Zunächst habe diese "Millioneninvestition", über deren Höhe sie mit dem Hersteller Stillschweigen vereinbart hat, Stirnrunzeln ausgelöst. Doch nach leidenschaftlichen Debatten im Kreisrat sei man sich nun einig: "Kleine Krankenhäuser brauchen Leuchttürme, um am Markt eine Überlebenschance zu haben."

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Mit den Ausschlag gab auch dieses Argument: Studien zufolge sind nach herkömmlichen Knieoperationen 20 Prozent der Patienten mit ihrer Prothese unzufrieden. Geklagt wird da über Infektionen, Lockerungen bei der Prothese, aber auch über Bewegungseinschränkungen und Schmerzen. Aus Sicht der Weilheimer kann der Einsatz von Assistenz-Robotern die Patientenzufriedenheit künftig "dramatisch erhöhen". Ungefähr 600 Kilo bringt der "Mako"-Roboterarm der US-Firma Stryker mitsamt seinem massigen Unterbau auf die Waage. Nicht nur daher gilt er als Schwergewicht: "Durch ihn ist uns Chirurgen beim Sägeschnitt am Knochen eine enorme Präzision möglich", sagt Löffler. Zudem sei die neue Technik darauf ausgerichtet, Weichgewebe, Sehnen und Bänder zu schonen - essenziell, um "die ursprüngliche Kniegelenksmechanik nahezu zu erhalten". Das ermögliche eine Prothese, die auf die individuelle Anatomie der Patienten angepasst ist.

Operationen am Knie sind diffizil. Zu Zeiten eines Themistocles Gluck wäre es noch relativ leicht gewesen, das Grundprinzip zu beschreiben: Im Jahre 1890 hatte Gluck am Oberschenkel- sowie am Unterschenkelknochen jeweils ein Stück abgesägt und beides dann mit einem Scharnier aus Elfenbein verbunden - seinerzeit eine Pionierleistung. "Das macht jetzt natürlich keiner mehr, weil man weiß, dass das Knie eben kein Scharniergelenk ist, sondern ein hochkomplexes System", sagt Löffler. Aber auch eine Hightech-Knie-OP lasse sich auf eine einfache Formel bringen: "Grundsätzlich muss man sich die Implantation einer Knieprothese wie die Überkronung eines Zahnes vorstellen."

Ganz so einfach läuft es dann in der Praxis aber doch nicht. Schon vor der OP kommt auf die Ärzte viel Arbeit zu. Im ersten Schritt erfolgt eine Computertomografie von Hüfte, Knie und Sprunggelenk, um ein virtuelles dreidimensionales Modell des Kniegelenks zu erhalten. Damit lässt sich die OP und der Sitz der Prothese schon einmal am Computer planen - aber nur vorläufig. Denn in Schritt zwei werden im OP-Raum oberhalb und unterhalb des Knies optische Marker angebracht, über die der Roboterarm später durch ein Navigationssystem erkennt, "in welcher Position sich das Bein im Raum befindet", sagt Löffler. Das dreidimensionale Computermodell wird in dieser Phase vom OP-Team mit dem real vor ihm liegenden Knie abgeglichen. Das beinhaltet auch, die Spannung der Bänder am Kniegelenk in verschiedenen Positionen zu messen.

Diese Daten speist dann - überprüft von den Ärzten - ein Experte der Firma Stryker in den Computer ein. "Der gehört quasi mit zum Gesamtpaket", sagt Löffler. Dann aber wird es wirklich ernst, wie ein Film dokumentiert, der bei Gerhard Neureuthers Operation entstand. Chefarzt Löffler führt dort den Roboterarm an einer Art Pistolengriff an der weggeklappten Kniescheibe vorbei zum offenen Kniegelenk. Die Säge, die der Roboterarm hält, beginnt zu schwingen, und kurz darauf ertönt ein Geräusch, das an ein Haarschneidegerät erinnert. "Per Knopfdruck führe ich den Roboter", sagt Löffler. Und das heißt nichts anderes als: "Wir Ärzte sind bei diesem System immer noch Herr der Operation." Allerdings mit einem kleinen Unterschied zu früher: Geht der Operateur über den am Computer festgelegten Bereich hinaus, schaltet die Säge ab. Ansonsten, die Einsetzung der Prothese ist wieder ganz allein Sache der Ärzte.

Bislang sind in Deutschland nur neun Kliniken mit einem Mako-Roboterarm ausgestattet. Zwei Häuser in Bayern hatten das neue System schon vor Weilheim angeschafft: das 225-Betten-Haus in Forchheim sowie das Orthopädische Krankenhaus Schloss Werneck. Dass es bislang nicht mehr Kliniken sind, liegt nicht zuletzt am "Robodoc", der in den 1990er Jahren in Deutschland erstmals zum Einsatz kam und zu etlichen Komplikationen führte. Von den Mako-Robotern sind die drei bayerischen Häuser indes unisono angetan. Für Thomas Lippmann, den Geschäftsführer der Weilheim-Schongauer Krankenhaus-GmbH, sticht dabei auch dieses Argument: "Wir haben gute Ärzte, andere Häuser ehrlich gesagt aber auch. Die neue Technik ermöglicht uns einen Qualitätsschub."

© SZ vom 18.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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