Krankenhäuser:Sanierung auf die harte Tour

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Der kommunale Klinikverbund ANregiomed macht bis zu 30 000 Euro Verlust am Tag. Der 58-jährige Manager Gerhard Sontheimer soll das Unternehmen retten - eine schwierige Aufgabe

Von Uwe Ritzer, Ansbach

Gerhard Sontheimer eilte der Ruf des Tyrannen voraus. Er mobbe unliebsames Personal und trimme Kliniken rücksichtslos auf Profit, hieß es an einer früheren Wirkungsstätte in Hessen. Schon fürchtete der ein oder andere in Ansbach, mit Sontheimer als neuem Chef werde der kommunale Klinikverbund ANregiomed bald ähnliche Schwierigkeiten erleben wie die ebenfalls in der Stadt angesiedelten mittelfränkischen Bezirkskliniken mit ihrem in der Dauerkritik stehenden Vorstand Helmut Nawratil.

Doch was sollten die Ansbacher Kommunalpolitiker machen? ANregiomed ist einer der schwierigsten Sanierungsfälle im deutschen Klinikwesen. Und außer Sontheimer, zuletzt Vorstand einer Berliner Medizintechnikfirma, bewarb sich niemand für das Himmelfahrtskommando. Also bestellten ihn die Politiker einstimmig zum neuen Vorstand von ANregiomed.

Am 1. März trat der 58-jährige Manager seinen Dienst an. Seither fällt Sontheimer nicht durch Ruppigkeiten, sondern unmissverständliche Botschaften auf. Er sagt Sätze wie: "Jedem muss klar sein, dass ANregiomed vor dem Abgrund steht und bei einem Scheitern die Privatisierung unausweichlich ist." Oder: "Wir haben nicht die Zeit für kleine Optimierungen, die reichen auch nicht. Wir müssen ein paar grundsätzliche Fragen stellen und dürfen dabei auch nicht vor scheinbar heiligen Kühen, wie etwa dem Thema Personalausstattung, zurückschrecken."

68,3 Millionen Euro sind allein an Bankschulden aufgelaufen bei der aus Hospitälern in Ansbach, Rothenburg und Dinkelsbühl, einer Tagesklinik, sechs Pflegeschulen und fünf medizinischen Versorgungszentren bestehenden ANregiomed. Dabei hatten Stadt und Kreis Ansbach die Klinikfirma (2500 Mitarbeiter) erst 2013 gestartet mit dem Ziel, im flächengrößten bayerischen Landkreis eine wohnortnahe Krankenhausversorgung sicherzustellen. Doch ANregiomed fährt Verluste von teilweise 30 000 Euro am Tag ein.

Viel Kritik macht sich vor allem an zwei Ex-Vorständen fest, die nach Eindruck vieler in Ansbach versagten. Beide wurden vom Hof gejagt, ein ihnen folgender Interimsmanager warf hin, und schließlich holten sie Sontheimer. Der will sich auf den gegenwärtigen Zustand und Lösungen für die Zukunft von ANregiomed konzentrieren. Doch so einfach ist das nicht, denn es gibt erklärungsbedürftige Altlasten.

So legen Recherchen der Süddeutschen Zeitung und der Fränkischen Landeszeitung den Verdacht nahe, dass jahrelang weit höhere Honorare an externe Beratungsfirmen flossen als genehmigt waren. So kassierte internen Unterlagen zufolge allein eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft für die Testierung der Jahresabschlüsse bis 2016 insgesamt 1,5 Millionen Euro. Der zuständige Verwaltungsrat habe aber nur 250 000 Euro genehmigt, sagen Insider mit Blick auf die Wirtschaftspläne. Zwei andere Beratungsfirmen rechneten 2017 für ihre Leistungen 3,04 Millionen Euro bei ANregiomed ab, knapp 750 000 Euro mehr als genehmigt. Wurde hier bei einem ohnehin defizitären Unternehmen obendrein noch Geld verschleudert?

Den Verdacht hegt zumindest der Bund der Steuerzahler, der in seinem Schwarzbuch die aus seiner Sicht jahrelang exorbitanten Beratungskosten von ANregiomed anprangerte. Überliefert ist auch die Anekdote, ein Mitarbeiter einer Beraterfirma habe einmal 25 Arbeitsstunden an einem Tag abgerechnet. Wobei die Beratungsaufträge oft ohne Ausschreibung vergeben wurden. In internen Unterlagen ist aber zu lesen, ab einer Auftragssumme von 50 000 Euro hätte ausgeschrieben werden müssen. Doch noch 2017 und Anfang 2018 kassierten zwei Beraterfirmen eine Million Euro, ohne Ausschreibung.

Der neue Vorstand Sontheimer hat die Zusammenarbeit mit beiden beendet. Ihre "Projekte im Bereich Mitarbeitermotivation" werde man in Eigenregie fortführen, sagt er. Seine Vorgänger nimmt er indirekt in Schutz: Da es sich um freiberufliche Leistungen gehandelt habe, seien diese und andere Beratungsmandate nicht ausschreibungspflichtig gewesen. Und der Wirtschaftsprüfer habe "nicht nur die Jahresabschlüsse geprüft, sondern auch Rechts- und Steuerberatung in einem Umfang vorgenommen, dass für mich die Gesamtsummen nicht unplausibel erscheinen". Im Übrigen scheine alles "detailliert mit dem Verwaltungsrat besprochen und von diesem genehmigt" worden zu sein.

Für die Zukunft will Sontheimer den politischen Einfluss zurückzudrängen, den viele für ein Grundproblem bei ANregiomed halten. Die zwölf Verwaltungsräte mit Landrat Jürgen Ludwig an der Spitze sind alle Kommunalpolitiker, die sich im Zweifel eher ihrem Herkunftsort als dem großen Ganzen verpflichtet fühlen. Zudem mischen sie sich nach Sontheimers Dafürhalten zu stark ein. "Der Verwaltungsrat ist für die Kontrolle des Vorstands zuständig. In der Vergangenheit wurde dort aber vieles diskutiert und beschlossen, was rein das operative Geschäft betraf, wofür aber der Vorstand zuständig ist." Geht es nach dem neuen Vorstand, gibt es künftig nur noch vier statt zehn oder zwölf Verwaltungsratssitzungen, und mindestens die Hälfte des Gremiums wird mit Branchenexperten statt Kommunalpolitikern besetzt. Das zu ändern, läge freilich an den Politikern selbst.

Von Sontheimer wird schnell eine neue Struktur erwartet. Experten sagen, es gebe bei ANregiomed zu viele Betten und in der Folge zu viel Personal. Sontheimer nennt es "einen Irrglauben, drei gleichberechtigte Hospital-Standorte erhalten zu können. Medizinisch alles überall machen geht nicht." ANregiomed brauche "unterschiedliche Strukturen und medizinische Schwerpunkte". Man werde "die Krankenhäuser entsprechend spezialisieren und miteinander verzahnen müssen".

Das allein wird kompliziert. Sontheimer war noch nicht im Amt, da ließen ihn die Verwaltungsräte und Bürgermeister von Rothenburg und Dinkelsbühl, Walter Hartl und Christoph Hammer, bereits wissen, dass in den Hospitälern ihrer Städte am besten gar nichts gekappt werde.

© SZ vom 25.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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